Wenn heute angesichts der andauernden Coronasituation ein Flug geplant ist, kommt es wie auch früher und vielleicht wieder künftig zu „normalen“ Zeiten zu Flugausfällen oder Verspätungen. Nach europäischem Recht kann den Passagieren dann eine Entschädigungszahlung zustehen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Damit stellt sich die Frage, wie sich solche Entschädigungszahlungen bilanziell auswirken.
Vor einiger Zeit hat sich das IFRIC mit der Bilanzierung der Entschädigungszahlungen nach IFRS im Rahmen einer Agenda-Entscheidung befasst. Sofern die Fluggesellschaft Entschädigungszahlungen an Kunden zu leisten hat, kommt nach IFRS einerseits die Erfassung der Entschädigung als Minderung der Umsatzerlöse in Betracht oder die aufwandswirksame Buchung.
Nach IFRS 15 sind 5 Prüfschritte bei der Erlöserfassung zu beachten:
Schritt 1: Identifikation eines Vertrages mit dem Kunden
Schritt 2: Identifikation der vereinbarten Leistungsverpflichtungen
Schritt 3: Bestimmung des gesamten Transaktionspreises
Schritt 4: Verteilung des gesamten Transaktionspreises auf die in Schritt 2 identifizierten Leistungsverpflichtungen
Schritt 5: Prüfung der Erlöserfassung für jede Leistungsverpflichtung
Variable Erlöseanteile sind im Schritt 3 nur dann zu berücksichtigen, wenn es sehr oder höchst wahrscheinlich zu keiner späteren Umsatzkorrektur kommt. Versteht man das Entschädigungsrisiko als variables Entgelt, wäre ein nicht gänzlich unwahrscheinlicher Entschädigungsbetrag für einen verspäteten Flug bei der Buchung des Umsatzerlöses vom Verkaufspreis für das Ticket abzusetzen. Insoweit kommt die Berücksichtigung zuverlässiger Schätzungen über die Inanspruchnahme und Durchsetzung von Entschädigungen in Betracht. Bei ausgefallenen Flügen wird regelmäßig kein positiver Umsatzerlös mangels Leistungserbringung zu erfassen sein. Hierdurch oder weil Entschädigungsansprüche höher sind als der Preis des Flugtickets können sich bei der Kürzung von Umsatzerlösen auch negative Erlöse ergeben.
Alternativ könnte die Buchung der Entschädigung als Aufwand zu erwägen sein. Die Entschädigungszahlung wird jedoch nicht als Schaden durch ein vom Unternehmen verkauftes Produkt verstanden, was die Bilanzierung nach den Grundsätzen für Rückstellungen begründen würde. Aus Sicht des IFRIC fehlt es an der Eigenschaft einer Kompensation für erlittene Verletzungen oder andere Schäden. IFRIC versteht die gesetzliche Entschädigung analog zu vertraglich vereinbarten Strafzahlungen für verspätete Lieferungen, die nach IFRS 15 als variables Entgelt zu werten sind. Dies soll daraus resultieren, dass die Entschädigung direkt an die vereinbarte Leistungsverpflichtung anknüpft. Diese wird als Transport des Fluggastes von A nach B innerhalb eines bestimmten Zeitfensters verstanden.
IFRIC äußerst sich nicht zu der Situation, in der die Entschädigungen für einen Flug die Ticketerlöse übersteigen. Dann käme es nach der Vorgabe des IFRIC zu negativen Umsatzerlösen, die mit anderen Umsatzerlösen saldiert würden: Eine Bilanzierungsfolge, die zumindest ein Störgefühl hinterlässt. Man könnte hier an das Saldierungsverbot nach IAS 1.32 denken. Dieses sehen die IFRS aber gerade bei variablen Erlösen nicht verletzt (IAS 1.34).
Nach HGB existieren keine expliziten Regelungen für den Fall der Entschädigungszahlungen wegen verspäteter oder ausgefallener Flugreisen. Es erscheint aber doch zweifelhaft, ob eine den IFRS entsprechende Sichtweise eine Mehrheit finden würde.
Weitere Hinweise auf der Webpage des IASB
IFRIC, Compensation for Delays or Cancellations (auf www.ifrs.org):
Lesen Sie auch meine weiteren Blogbeiträge zur Erfassung von Umsatzerlösen nach IFRS 15