Frisierte Bilanzen bei Tochter von Voestalpine: Nicht immer ist weniger mehr

„Voestalpine deckt Bilanzbetrug bei deutscher Tochter auf“ – so lautete die Schlagzeile Anfang Juni. Fehlbuchungen führten zu einem besseren Ergebnis, in der Summe wird in der Presse von 100 Mio. € gesprochen. Die Fehlbuchungen waren aber nicht cash-wirksam, wie der Konzern betonte. Wie dies aufgefallen ist? Durch interne Controllingaktivitäten. Und was war mit dem internen Kontrollsystem? Das wurde von den Beteiligten offenbar umgangen.

Wie und was der Stahlkonzern dazu berichtet hat? Das schauen wir uns genauer an. Eines schon mal im Voraus: Nicht immer ist weniger mehr.

Wo man vergeblich nach Informationen sucht

Am 5. Juni hat der Stahlkonzern eine Corporate News veröffentlicht. Dort werde ich doch bestimmt etwas über die Fehlbuchungen in Höhe von etwa 100 Mio. € finden, so mein erster Gedanke. Doch ich wurde enttäuscht. Nun gut, bei einem Gewinn nach Steuern von etwas mehr als 200 Mio. € sind 100 Mio. € ja auch nicht viel. Also wozu genau darüber berichten? Lesen Sie richtig? Ja, das war ironisch gemeint.

Um es klarer auszudrücken: Es ist ein absolutes No-Go aus meiner Sicht, in den Corporate News zum Geschäftsjahr 2023/2024 kein Wort über die Korrekturen zu verlieren. Klar, es betrifft mehrere Geschäftsjahre. Aber mal ehrlich: Vertrauen schafft dies bei den Anlegern nicht, es geht hier schließlich um keinen Kleinbetrag.

Auch wenn sich die Manipulation durch die offenbar zwei Beteiligten nicht auf die Liquidität auswirkt, stellt sich doch die entscheidende Frage: Wurden durch diese ergebnisverbessernden Maßnahmen zu hohe Boni an die Personen ausgeschüttet? In welcher Höhe ist dem Konzern dadurch ein finanzieller Schaden entstanden? Das sind Fragen, die mir unter den Nägeln brennen. Klar, die Aufarbeitung wird Zeit benötigen.

Doch bis die konkreten Ergebnisse auf dem Tisch liegen, muss doch vor allem eines geschehen: Transparente Berichterstattung. In diesem Fall ist weniger nicht mehr, ganz im Gegenteil. Durch weniger Informationen gibt es umso mehr Misstrauen bzw. einen Vertrauensverlust. Und für eine erste Info in den Corporate News wäre ich schon zufrieden gewesen, wenn auf den Fall und die anstehende Aufarbeitung hingewiesen wird, mit einem Verweis auf die entsprechenden Informationen im Geschäftsbericht.

Was der Geschäftsbericht zu den „Fehlbuchungen“ sagt

Anders als bei den Corporate News informiert Voestalpine im Geschäftsbericht über die „Fehlbuchungen“. Kein Wunder, denn hier gibt es entsprechende Vorschriften. Im Geschäftsbericht 2023/2024 macht der Stahlkonzern auf Seite 112 die folgenden Angaben:

„Gegen Ende des 4. Quartals des Geschäftsjahres 2023/24 wurden bei einer Gesellschaft der Metal Forming Division bewusst ergebnisverbessernde Fehlbuchungen hinsichtlich der Bilanzierung und Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden identifiziert. Insbesondere in den Positionen der geleisteten Anzahlungen innerhalb der Vorräte und der sonstigen Forderungen (inklusive Vertragsvermögenswerte) wurden im Rahmen der Bilanzierung von Werkzeugen und Entwicklungsleistungen sowie bei Preisanpassungen auf Serienfertigungen zu hohe Aktivierungen vorgenommen bzw. Ausbuchungen unterlassen.“

Nach dem Fließtext gibt es eine knappe Darstellung der betroffenen Posten in der Bilanz mit den entsprechenden Korrekturen, so wie dies die Rechnungslegungsvorschriften bei der Korrektur von Fehlern vorsehen. Ob diese nun absichtlich oder unabsichtlich erfolgt sind, spielt dafür erst einmal keine Rolle.

Der Text im Geschäftsbericht klingt, als ob dies alles nicht so schlimm wäre, oder? In anderen Worten bedeutet dies jedoch: Um den Gewinn aufzupumpen wurden bewusst Bilanzen frisiert. Das klingt doch schon viel erschreckender, nicht wahr?

Wie in den meisten Fällen von frisierten Bilanzen wurde das Vermögen zu hoch und die Schulden zu gering ausgewiesen. Die Folge? Ein zu hoher Gewinn und damit vermutlich zu hohe Erfolgsbeteiligungen. Was dies bedeutet, dazu kommen wir gleich.

Was wir aus dem Fall lernen können

Wie oft bei Skandalen lässt sich viel daraus lernen. Für Aufsichtsräte, Anleger, die IR-Abteilung – um nur einige Beispiele zu nennen. Ich habe hier einmal zwei Beispiele herausgegriffen, die mir hier besonders ins Auge gestochen sind:

  1. Transparente Berichterstattung schafft Vertrauen. Hier gilt die Devise: Mehr Transparenz sorgt für weniger Misstrauen. Dies bedeutet für die Investor-Relations-Abteilung viel Arbeit. Doch diese kann sich lohnen, wie das Beispiel des badischen Leasinganbieters Grenke zeigt. Nach der Shortsellerattacke mit Vorwürfen (Betrug, Bilanzmanipulation, Geldwäsche) gewann Grenke 2023 den PR-Preis für die Kapitalmarktkommunikation. Wenn auch der Aktienkurs noch nicht wieder auf demselben Niveau wie vor der Attacke ist, so zeigen die Bilanzen und die kontinuierliche Dividendenpolitik von Grenke die positive Unternehmensentwicklung.
  2. Erfolgsbeteiligungen können für Motivation bei Führungskräften sorgen. Die Frage ist jedoch, welche Kriterien (Gewinn, EBIT etc.) dafür herangezogen werden. Bei Voestalpine erhält man beim Lesen der Presseartikel den Eindruck, dass mit den geltenden Regelungen offenbar Fehlanreize geschaffen wurden. Das Problem dabei? Die Verfehlung eines Ziels hängt nicht immer mit den Leistungen einer Führungskraft zusammen. Steigender Erfolgsdruck, hohe Karriereziele bei gleichzeitig schwieriger konjunktureller Lage – leider ein sehr guter Nährboden für derartige Taten.

Der Fall bei Voestalpine ist eher selten, doch er zeigt: Wenn ein Unternehmen betroffen ist, kostet dies nicht nur viel Geld, sondern kann möglicherweise auch weitere negative Konsequenzen für das Unternehmen haben. Es lohnt sich daher, präventiv tätig zu werden. Dabei ist es nicht ausreichend, ein Wertesystem zu erarbeiten und auf der Website zu präsentieren. Vor allem eines ist wichtig: Es muss im Unternehmen gelebt werden – und zwar von allen.

Transparenzhinweis: Die Autorin hält Aktien der Grenke AG.

Weitere Informationen:

Geschäftsbericht 2023/2024 voestalpine

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