BGH billigt virtuelle Eigentümerversammlungen während Corona

Versammlungen und Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) waren während der Corona-Pandemie auch virtuell möglich, hat der BGH ganz aktuell entschieden (BGH v. 8.3.2024 – V ZR 80/23). Was bedeutet das für die Zukunft?

Hintergrund

Zum 1.12.2020 sind zahlreiche neue Regeln im Wohnungseigentumsrecht in Kraft getreten, nachdem das WEG-Reformgesetz am 22.10.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde (BGBl 2020 I S. 2187). Die Eigentümer erhielten in § 23 Abs. 1 WEG-neu eine Beschlusskompetenz, den Eigentümern zu ermöglichen, online an einer Präsenz-Eigentümerversammlung teilzunehmen. Die Möglichkeit, Präsenzversammlungen per Mehrheitsbeschluss zugunsten reiner Online-Eigentümerversammlungen abzuschaffen, war hiervon allerdings nicht umfasst. Es blieb also bei dem Grundsatz, dass Versammlungen von WEG‘s grundsätzlich in körperlicher Präsenz stattfinden, allerdings ein Eigentümer auch online an der Präsenzversammlung teilnehmen kann. Nach § 24 Abs. 1 WEG muss der Verwalter einerseits mindestens einmal im Jahr eine Versammlung einberufen – auch während der Corona-Pandemie.

Sachverhalt im Streitfall

Geklagt hatten Mitglieder einer Eigentümergemeinschaft. Die Verwalterin hatte zu einer schriftlichen Eigentümerversammlung während der Corona-Pandemie am 24.11.2020 eingeladen und dies mit der Aufforderung verbunden, ihr eine Vollmacht und Weisungen für die Stimmabgabe zu erteilen. Fünf von 24 Eigentümern kamen dem nach – die Kläger aber nicht. In der Eigentümerversammlung war dann nur die Verwalterin anwesend. Im Anschluss an die Versammlung übersandte sie ein Protokoll mit den von ihr gefassten Beschlüssen. Das sei nicht zu beanstanden, hat der BGH jetzt festgestellt und ein Urteil der Vorinstanz aufgehoben.

Wie hat der BGH entschieden?

Der BGH hat entschieden, dass während der Corona-Pandemie gefasste Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht deshalb nichtig sind, weil die Wohnungseigentümer an der Eigentümerversammlung nicht in Präsenz, sondern nur durch Erteilung einer Vollmacht an den Verwalter teilnehmen konnten.

Nachdem die gefassten Beschlüsse nach Ablauf der Anfechtungsfrist (§ 44 WEG) nicht mehr angefochten werden konnten, ging es nur noch darum, ob die gefassten Beschlüsse nach § 23 Abs. 4 S. 1 WEG nichtig seien, wie die Kläger meinten: Die Nichtigkeit folge aus einer Verletzung des individuellen Rechts eines jeden Wohnungseigentümers auf persönliche Teilnahme an einer Eigentümerversammlung. Das Einladungsschreiben der Verwalterin habe von den Wohnungseigentümern nur so verstanden werden können, dass eine persönliche Teilnahme an der Versammlung nicht möglich sei und die Ausübung des Teilhabe- und Stimmrechts allein durch die Bevollmächtigung der Verwalterin erfolgen könne. Darin sei eine Ausladung der Eigentümer und ein Eingriff in den unantastbaren Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts zu sehen.

Das sah der BGH jetzt anders: Die Durchführung einer Eigentümerversammlung war während Corona über einen weiten Zeitraum infektionsschutzrechtlich ausgeschlossen. Bei Durchführung einer Eigentümersammlung bestand nämlich die Gefahr, gegen bußgeldbewehrte Corona-Schutzvorschriften zu verstoßen. In dieser Ausnahmesituation sei die Durchführung einer Vertreterversammlung nach Ansicht des BGH regelmäßig aus Praktikabilitätserwägungen erfolgt. Es habe auch im Interesse der Wohnungseigentümer gelegen, dass auch während der Pandemie Versammlungen abgehalten werden. Durch eine Vertreterversammlung sei jedenfalls die Fassung von Beschlüssen ermöglicht worden. Die Eigentümer hätten sich bei der Stimmabgabe durch den Verwalter vertreten lassen und diesem jeweils konkrete Weisungen erteilen können, wie er in der Versammlung abstimmen sollte.

Ausblick: Gesetzgeber strebt virtuelle Eigentümerversammlung im WEG an

Das in der Corona-Pandemie aufgetretene Präsenzproblem könnte in gleicher Weise auch in anderen Fällen auftreten. Deshalb hat der Gesetzgeber jetzt eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, für Wohnungseigentümer und Verwalter eine zusätzliche Möglichkeit einzuführen. Die bisher schon nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG bestehende Möglichkeit, die Online-Teilnahme an Präsenzversammlungen zu ermöglichen („hybride Wohnungseigentümerversammlungen“), soll unverändert bestehen bleiben. Die Wohnungseigentümer sollen nach einem neuen § 23 Abs. 1a WEG künftig die Wahl haben, Eigentümerversammlungen in Präsenz, hybrid oder  rein virtuell durchzuführen. Wie nach geltender Rechtslage besteht weiterhin die Möglichkeit, die eigenen Interessen durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen.

Der Gesetzentwurf wurde am 18.1.2024 in erster Lesung im Bundestag erörtert, am 19.2.204 war er Gegenstand einer Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages. Das weitere Gesetzgebungsverfahren behalten wir im Blick….

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