In den vergangenen Jahren stellte der Bundesfinanzhof in seiner Rechtsprechung die Steuerbefreiung der Betreuung von Pflegekindern umfassend fest. Nun hat er ebenso Intensivfälle erfasst – und die Finanzverwaltung abgewatscht.
Finanzverwaltung mauert
Die Betreuung von Pflegekindern ist in Deutschland rechtlich umfassend geregelt. Wer ein Kind oder einen Jugendlichen in seinen Haushalt zur Vollzeitbetreuung aufnimmt, wird dafür über einen Jugendhilfeträger oftmals finanziell entschädigt. Diese Beihilfen zur Erziehung sind gemäß § 3 Nr. 11 EStG von der Einkommensteuer (und parallel auch von der Umsatzsteuer) befreit. Die Finanzverwaltung zeigt(e) sich davon wenig begeistert, da die Betreuer häufig sehr hohe Einnahmen erzielen. Mit einem Grundsatzurteil zementierte der BFH jedoch bereits 2014 die Steuerbefreiung. Erst Jahre (und mehrere Verfahren) später lenkte die Finanzverwaltung ein.
Intensivfälle strittig
Strittig blieb jedoch die Behandlung von Pflegekindern in Intensivfällen. Denn nach Verwaltungsmeinung ist die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung von Kindern und Jugendlichen (§ 35 SGB VIII) ungeachtet der BFH-Rechtsprechung steuerpflichtig. Adressaten dieser Form der Hilfe sind besonders belastete oder gefährdete Jugendliche, die z.B. Gewalt erlebt haben oder Kontakt mit dem Drogen- und Prostituiertenmilieu hatten.
Im vorliegenden Fall hatte sich das Finanzgericht Berlin-Brandenburg der Verwaltungsmeinung angeschlossen und wesentlich darauf abgestellt, dass die Intensivbetreuung nicht vergleichbar mit der Regelbetreuung sei. Diese Auffassung erschien steuer- wie sozialpolitisch misslich. Denn so würden gerade die Fälle diskriminiert, in denen eine qualifizierte Betreuung in besonderem Maße erforderlich ist.
BFH: Tatsächliche Verhältnisse bei Pflegekindern maßgeblich
Nach der Revisionszulassung durch den BFH wurde die Thematik sodann in München verhandelt. Dazu kam es dem Vernehmen nach, weil das Finanzministerium dem Verfahren beitreten wollte, sich aber kurzfristig umentschied. In der Verhandlung wurde dann bereits deutlich, dass nach Auffassung des BFH auf die tatsächlichen Verhältnisse der Betreuung abzustellen ist. Danach verbleibt es beim Grundsatz der Steuerbefreiung der Vollzeitbetreuung im Betreuerhaushalt, auch wenn es sich um Intensivfälle handelt. Auf die Frage der Vertreterin des Finanzamts, ob die Betreuung eines Pflegekinds denn nun immer steuerfrei sein solle, antwortete die Vorsitzende Richterin knapp wie deutlich: „Ja“. So einfach kann es manchmal sein.
Weitere Informationen:
- BFH Urteil v. 14.07.2020 – VIII R 27/18 (demnächst in der NWB Datenbank)
- FG Berlin-Brandenburg Urteil v. 30.01.2018 – 9 K 9105/16
- Herold, Zahlungen aus öffentlichen Mitteln für “professionelle” Jugendbetreuung
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