Bereits mehrfach ist in diesem Blog auf die BFH-Urteile vom 1.8.2019 (VI R 32/18, VI R 21/17, VI R 40/17) zum Thema „Gehaltsumwandlung“ hingewiesen worden . Ohnehin geschuldeter Arbeitslohn ist danach nur derjenige Lohn, den der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erbringt. Damit kommt eine – steuergünstige – Lohnsteuerpauschalierung oder eine Steuerfreiheit selbst dann in Betracht, wenn Arbeitnehmer auf Teile ihres bisherigen Arbeitslohns zugunsten von zweckgebundenen Zuschüssen verzichten. Es liegt kann keine schädliche “Gehaltsumwandlung” vor.
Wie zudem dargestellt, konnten Finanzverwaltung und Gesetzgeber dieses Ergebnis nicht lange auf sich sitzen lassen und dementsprechend wird es wohl zu einer Gesetzesänderung kommen. Fraglich war aber der Anwendungszeitpunkt der Gesetzesänderung. Doch nun ist klar: Sie wird rückwirkend kommen, und zwar in allen noch offenen Fällen. Das BMF positioniert sich bereits jetzt. Im BMF-Schreiben vom 5.2.2020 (IV C 5 -S 2334/19/10017 :002) heißt es unter anderem:
„Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt daher zu der Tatbestandsvoraussetzung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ im Vorgriff auf eine entsprechende Gesetzesänderung abweichend von der neuen BFH-Rechtsprechung und über den Einzelfall hinaus zur Gewährleistung der Kontinuität der Rechtsanwendung weiterhin Folgendes:
Im Sinne des Einkommensteuergesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht, wenn
- die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
- der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
- die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
- bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht
wird. Dies gilt im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unabhängig davon, ob der Arbeitslohn tarifgebunden ist.
Es sind somit im gesamten Lohn- und Einkommensteuerrecht nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt. ….. Dieses Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden und wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.“
Die geplante gesetzliche Änderung findet sich im „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Grundrente für langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte mit unterdurchschnittlichem Einkommen und für weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Alterseinkommen (Grundrentengesetz – GruReG; Referentenentwurf der Bundesregierung).“
Ich gebe zu, dass ich Gesetzgeber und BMF verstehen kann, da die Änderung der Rechtsprechung schon sehr einschneidend war. Diese rückwirkend auszuhebeln, ist zwar unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten fragwürdig. Das Bundesverfassungsgericht hat sich aber in Sachen „Steuerrecht“ überdeutlich auf die fiskalische Seite geschlagen und wird auch diese Rückwirkung durchwinken – so meine Prognose. Aufgrund der Urteile unserer obersten Verfassungshüter, die immer wieder Rückwirkungen zugelassen oder zumindest großzügige Übergangsfristen geschaffen haben, wird das Schwert der „Verfassungswidrigkeit“ vom steuerlichen Gesetzgeber und vom BMF nicht mehr gefürchtet.
Weitere Informationen:
BMF-Schreiben vom 5.2.2020 (IV C 5 -S 2334/19/10017 :002) (pdf)
Und so wird es für den nicht so gut betuchten Arbeitgeber wieder etwas schwieriger durch Gehaltsumwandlung Job-Tickets und Elektrofahrräder zu finanzieren. Wie schnell doch der Umwelt- und Klimaschutz den paar EUR mehr Steuereinnahmen geopfert wird (sobald es der Finanzverwaltung nicht passt).