Die Entscheidung des BFH vom 25.03.15 (X R 19/14) ist ein exemplarisches Beispiel für den Alltag mit der Betriebsprüfung. Ein stürmischer, übereifriger Prüfer auf gute Mehrergebnisse getrimmt, prüft einen Arbeitnehmer, der im Nebengewerbe eingekaufte Lebensmittel (Fleisch und Käse) verkauft. Dem Prüfer ist der Gewinn zu niedrig. Er ermittelt mit Hilfe des Zeitreihenvergleiches und einer „Warenbestands-Trendentwicklung ein kräftiges Mehrergebnis. Die Hinweise des Steuerpflichtigen werden ignoriert. Vergleichsmaßstab waren für den Prüfer die Zahlen des Fleischerhandwerkes obwohl der Steuerpflichtige im Vergleich einen Lebensmitteleinzelhandel betrieb. Es bestand auch keine Buchführungspflicht und so wurde der Gewinn durch die Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt. Da bereits deshalb kein Warenbestand festgehalten wurde, ermittelte der Prüfer eine Warenbestands-Trendentwicklung und kam zu Minusbeständen beim Warenbestand.
Der 10.- Senat des FG Köln winkte die 3 notwendigen Klagen des Steuerpflichtigen durch und machte sich keine Mühe, die Schätzung des Prüfers in Frage zu stellen! Das war selbst dem Fiskus sehr nahestehenden X. Senat des BFH des Guten zu viel!
Der X. Senat stellt klar, dass formell ordnungsgemäße oder nur mit geringfügigen formellen Mängeln behaftete Aufzeichnungen nicht allein mit Hilfe des Zeitreihenvergleiches die Unrichtigkeit der Aufzeichnungen beweisen kann. Die Schätzung mittels Zeitreihenvergleich setzt eine besonders sorgfältige Ermittlung der Tatsachengrundlagen voraus.
Gerade diese Sorgfalt und Ermittlung wird in der Praxis der Betriebsprüfung nicht beachtet. Mit Vermutungen, Unterstellungen werden häufig die kuriosesten Ergebnisse vorgerechnet. Das Dumme und Ärgerliche ist nur, dass mit derartigen falschen Ermittlungen sich Steuerpflichtiger und Berater auseinandersetzen müssen. Das kostet Zeit und somit Geld. Wenn dann das FG in seiner Kontrollfunktion „versagt“, wie dieser Fall zeigt, wird es für den Steuerpflichtigen existenzgefährdend. An dieser Stelle muss an die Verantwortung der Finanzgerichte appelliert werden! Es darf nicht von vornherein das Ergebnis des Prüfers als sachgemäß unterstellt werden!
Da die Richter am Finanzgericht die einzige Tatsacheninstanz begründen und diese selbst eine eigene Schätzungsbefugnis haben (§ 96 Abs. 1 Satz1 Halbsatz 2 FGO) ist es für eine ordnungsgemäße Prozessführung seitens des FG notwendig, sich mit allen Aspekten der Schätzung auseinander zu setzen. Ein Schätzungsfall fordert immer eine mündliche Verhandlung! Die oft standardmäßige Aufforderung, doch auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten, hat in diesen Fällen von Gerichts wegen zu unterbleiben! Warum soll der Kläger zu einem Verzicht dieses notwendigen Rechtes verführt werden?
In der mündlichen Verhandlung haben die Richter sich mit allen Facetten der Argumente auseinanderzusetzen. Hilfsweise ist fachlicher Rat zu holen, angemessen. Dies umso mehr, weil offensichtlich betriebswirtschaftliches Verständnis, wie der Fall des FG Köln zeigt, nicht immer ausreichend genug vorhanden ist!? Externe Gutachter sind die besseren Gehilfen, denn „Fachkräfte innerhalb der Finanzgerichte“ kommen i.d.R. vom Finanzamt. Damit schließt sich der Kreis, aber die Lösung wird nicht schlüssig sein.
Die Entscheidung des BFH ist lesenswert und gehört in die tägliche Betriebsprüfungspraxis eingebunden. Rechtzeitige Kontrolle des Außenprüfers während der Prüfung kann evtl. falsche Entwicklungen im Keime ersticken. Fragen Sie doch ruhig den Prüfer, ob er etwas gefunden hat. Will er sich bedeckt halten und sagt nein, dann können Sie nachfragen, wann die Außenprüfung beendet ist. Der Prüfer hat sich um das Wesentliche zu kümmern sowohl zu Ungunsten als auch zu Gunsten des Geprüften. Ja, auch dieser Grundsatz gilt. Theorie und Praxis. Helfen wir der Theorie in der Praxis auf die Sprünge und glauben nicht alles, was vorgerechnet wird.
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