Unstrittig löst die gesetzlich erzwungene Abschlussprüfung als Außenverpflichtung eine Rückstellungspflicht aus. Strittig ist jedoch zwischen IDW und BFH die Rückstellungspflicht für eine nur gesellschaftsvertraglich festgelegte Abschlussprüfung. Mit wem soll es sich der Bilanzierer jetzt verderben – BFH oder IDW?
Der Bundesfinanzhof vertritt für eine gesetzlich nicht prüfungspflichtige KG die Auffassung, eine Rückstellung sei für die Kosten der Abschlussprüfung trotz gesellschaftsvertraglich festgelegter Prüfungspflicht nicht zu bilden, da es an einer Verpflichtung gegenüber Dritten, d.h. einer Außenverpflichtung, mangele. Die gesellschaftsvertragliche Bindung sei eine „freiwillige gesellschaftsinterne Vereinbarung“ und löse mithin keine Außenverpflichtung aus. Daran ändere auch die Einklagbarkeit der Verpflichtung nichts. Explizit wird dabei auf das Handelsbilanzrecht Bezug genommen, so dass eine Beschränkung der Urteilsrelevanz auf die Steuerbilanz nicht in Betracht kommt.
Anders sah dies das IDW schon vor diesem Urteil in einem Rechnungslegungshinweis. Im Anschluss an das Urteil des BFH hat sich der Hauptfachausschuss des IDW erneut mit der Frage beschäftigt und seine bisherige Auffassung bestätigt. Er begründet dies mit der Trennung in die Sphäre der Gesellschaft und die Sphäre der Gesellschafter sowohl bei der Kapitalgesellschaft als auch bei der im Urteil relevanten Personenhandelsgesellschaft aufgrund deren Rechtspersönlichkeit. Der BFH hatte in seinem Urteil exakt dieses Argument verworfen. Wie das IDW seine Auffassung mit der bisher auch in IDW RS HFA 9 nicht beanstandeten Sichtweise des IASB in Übereinstimmung bringt, wo für die Frage der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital die Gesellschafterversammlung der Sphäre der Gesellschaft zugerechnet wird, erschließt sich nicht auf den ersten Blick.
Schon lange wird um die rechtliche Zulässigkeit sogenannter Nichtanwendungserlasse der Finanzverwaltung gestritten. Nicht sehr häufig erklärt das IDW höchstrichterliche Rechtsprechung für unzutreffend. Was soll der Bilanzierer nun machen?
Für die Beantwortung der Frage erscheinen zwei Ansätze gangbar. Einerseits könnte der Bilanzierer der Auffassung des IDW folgen. Widerstand seines Abschlussprüfers ist im Fall der Bildung einer Rückstellung kaum zu erwarten, wird sich der Prüfer doch trotz anders lautender Rechtsprechung mit dem IDW im Rücken „sicher fühlen“. Probleme mit der Finanzverwaltung wären wohl nur zu erwarten, wenn die Rückstellung auch steuerlich gebildet würde. Also wird tunlichst eine steuerliche Hinzurechnung in Höhe des Aufwands aus der Rückstellungsbildung vorgenommen. Ggf. wären dann latente Steuern zu bilden.
Will der Bilanzierer hingegen dem BFH folgen, wird der Prüfer vermutlich kaum auf den Gedanken kommen, eine der höchstrichterlichen Auffassung folgende Bilanzierung zu beanstanden. Immerhin wird höchstrichterliche Rechtsprechung als Quelle der GoB-Gewinnung auch in IDW PS 201 weit vor den IDW-Auffassungen genannt. Im Ergebnis wird man wohl von einem faktischen Wahlrecht ausgehen müssen.
Weitere Informationen:
BFH-Urteil v. 5.6.2014, IV R 26/11
IDW, RH HFA 1.009: Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen sowie für die Aufstellung, Prüfung und Offenlegung von Abschlüssen und Lageberichten, WPg Supplement 3/2010, S. 108 f., FN-IDW 2010, S. 354 ff.
IDW, Berichterstattung zur 238. Sitzung des Hauptfachausschusses, FN-IDW 2015, S. 53 f.
Hoffmann, Rückstellungen für sog. freiwillige Abschlussprüfungen, PiR 2014, S. 320