Dem BAG (v. 27.07.2017 – 2 AZR 476/16) lag folgendes verkürzt dargestelltes Problem vor: Ein Arbeitnehmer ist als bewaffneter „Wachmann“ beschäftigt. Er ist mit einem GdB von 60 % schwerbehindert und stellvertretendes Mitglied der Schwerbehindertenvertretung. Ihm wurde zusammen mit weiteren 34 Arbeitnehmern betriebsbedingt gekündigt. Dem Arbeitnehmer war die Waffenerlaubnis entzogen worden, die Dienststelle wurde geschlossen. In der neu geplanten, in der Nähe liegenden Dienststelle, entstehen 17 Stellen für bewaffnete Wachleute.
Der Arbeitnehmer klagte. Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab – das LAG gab ihr hingegen statt.
Das BAG vertrat die Ansicht des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsverhältnis sei wirksam betriebsbedingt gekündigt worden. Zwar verfügte der Kläger als stellvertretender Schwerbehindertenvertreter über den Sonderkündigungsschutz. Trotzdem sei die Kündigung zulässig und sozial gerechtfertigt. Denn die Beschäftigungsstelle des Klägers sei aufgelöst worden. Damit werde der nachwirkende Kündigungsschutz des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX i.V.m. § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG überwunden.
Zum Kündigungszeitpunkt verfügte der Arbeitnehmer zudem nicht „mehr über die öffentlich-rechtliche Waffenerlaubnis und es bestand nicht die Erwartung, er werde in zumutbarer Zeit wieder erlangen. Die neu geschaffene Dienststelle wies in ihrem Stellenprofil sämtliche Arbeitsplätze nur „bewaffnete“ Wachmänner aus. Zwar hatte der Arbeitgeber die arbeitsrechtlich erforderliche Sozialauswahl unterlassen – darauf kam es aber nicht an. Denn mangels Waffenerlaubnis hätte die Auswahl nicht zu seiner Berücksichtigung geführt. Das BAG wies darauf hin, allenfalls ein Wiedereinstellungsanspruch bestanden hätte, wenn ein vorrangig zu berücksichtigender Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung auf der fraglichen Position abgelehnt hätte. Ein solcher Anspruch wurde anscheinend jedoch nicht geltend gemacht.
Im Ergebnis handelte es sich also um eine autonome Entscheidung des Arbeitgebers. Die Gerichte sind an diese unternehmerische Entscheidung bis an die Grenze des Rechtsmissbrauchs gebunden. Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs lag jedoch nichts vor.
Folgen für die Praxis:
Bei fehlender behördlicher oder öffentlich–rechtlicher Erlaubnisse oder sonstiger wesentlicher Qualifikationen für freie Stellen sind erfolgversprechende Kündigungskonzepte möglich.
Weitere Informationen:
BAG v. 27.07.2017 – 2 AZR 476/16