Besteuerung der Energiepreispauschale soll rechtens sein – Hoffen auf den BFH

Ein Beitrag von Christian Herold

Mein Blogger-Kollege Professor Ralf Jahn hat bereits das Urteil des FG Münster zur Besteuerung der Energiepreispauschale für Erwerbstätige (EPP I) vorgestellt. Die Richter aus Westfalen halten § 119 EStG, der die Besteuerung anordnet, für verfassungskonform (FG Münster, Urteil vom 17.4.2024, 14 K 1425/23 E). Doch was ist von der Entscheidung zu halten?

Kritik an der Besteuerung der Energiepreispauschale

Die Kritik an der Besteuerung der Energiepreispauschale setzt im Wesentlichen an folgenden Punkten an:

  • Die Energiepreispauschale ist eine „Subvention“ und keine „Einkunftsart im Sinne des Steuerrechts“. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes lag überhaupt nicht vor (siehe dazu insbesondere Kanzler in NWB Nr. 49 vom 9.12.2022, Seite 3417).
  • Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts setzen eine Leistung voraus, die in einem „Tun“, „Dulden“ oder „Unterlassen“ bestehen muss.

Die Befürworter einer Besteuerung halten entgegen, dass der Gesetzgeber die Systematik des Einkommensteuerrechts durchbrechen durfte, weil es angesichts des Ukraine-Krieges und der extrem gestiegenen Energiepreise eine steuer- und sozialpolitisch gerechtfertigte Ausnahmesituation gab. Die Energiepreispauschale sollte nur entsprechend der persönlichen Leistungsfähigkeit bei den Bürgern ankommen.

Die Entscheidung des FG Münster

Die Münsteraner Richter setzen sich mit der Kritik – wenn auch zum Teil nur recht kurz – auseinander.

Zum Punkt „Subvention und Gesetzgebungskompetenz: Bei der Prüfung der Gesetzgebungskompetenz sei zwischen der Gewährung und Auszahlung der Energiepreispauschale als Subvention (§§ 112 bis 118 EStG) einerseits und der Besteuerung der erhaltenen Energiepreispauschale (§ 119 EStG) andererseits zu differenzieren. Auch wenn es sich bei den Regelungen der §§ 112 bis 122 EStG um ein einheitliches Konzept handelt, könne die Frage der Gesetzgebungskompetenz differenziert betrachtet werden. Kann ein Gesetz in mehrere Teile zerlegt werden, können diese auch unterschiedlichen Kompetenzmaterien unterfallen. Die Gesetzgebungszuständigkeit für ein Regelungswerk könne sich in diesem Fall auch aus einer Kombination mehrerer Kompetenztitel ergeben. Und im Übrigen: Nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die „übrigen Steuern“, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Für die Besteuerung der Energiepreispauschale sei der Bundesgesetzgeber gemäß Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG zuständig gewesen, da ihm die Einkommensteuer (teilweise) zufließe.

Zum Punkt „Vorliegen von Einkünften“: Es sei zu beachten, dass das Markteinkommensprinzip keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießt, sondern ein dem aktuellen EStG von der Literatur und Rechtsprechung zugrunde gelegtes, einfachgesetzliches Prinzip darstellt. Es bestehe mithin kein verfassungsrechtliches Gebot, die Einkommensbesteuerung nur auf das Markteinkommen zu begrenzen. Zwar könne eine vereinzelte Abweichung davon dem Folgerichtigkeitsgebot zuwiderlaufen, in Bezug auf die Energiepreispauschale habe der Gesetzgeber sich aber bei der Entscheidung, diese zu besteuern, auf einen legitimen, nachvollziehbaren, sachlichen Grund gestützt. Die Besteuerung solle nicht nur der Erhöhung staatlicher Einnahmen dienen, sondern auch eine sozial gerechte Verteilung der Energiepreispauschale durch die progressionsabhängige Besteuerung ermöglichen. Ein eventueller Verstoß gegen das Folgerichtigkeitsgebot wäre daher jedenfalls gerechtfertigt.

Was fehlt?

Mir fehlen in der Urteilsbegründung zwei wesentliche Aspekte:

Erstens: Wurde die Energiepreispauschale – aus welchen Gründen auch immer – nicht vom Arbeitgeber ausgezahlt, sondern wird sie erst aufgrund der Einkommensteuererklärung festgesetzt, greifen die Regelungen zum Härteausgleich. Damit stehen sich viele derjenigen Steuerpflichtigen besser, bei denen vom Regelverfahren der Auszahlung über den Arbeitgeber abgewichen wurde. Das könnte ein Verstoß gegen Art. 3 GG sein. Wenn das FG Münster schreibt: „Die Besteuerung wird bei den anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen unterschiedslos vorgenommen …“ , ist das also falsch, denn sehr wohl gibt es – neben den Minijobbern – wegen des Härteausgleichs unzählige Fälle der faktischen Nichtbesteuerung.

Zweitens: Im BFH-Urteil vom 16.2.2022 (VI R 53/18), in dem es um Arbeitslohn von dritter Seite ging, schreibt der BFH: „Der Vorteil muss sich …. als Frucht der nichtselbstständigen Arbeit darstellen.“ Und eine Frucht der nichtselbstständigen Arbeit ist die Energiepreispauschale ganz sicher nicht.

Denkanstoß:

Ich hätte mir gewünscht, dass sich das FG Münster mit den obigen Aspekten näher auseinandergesetzt hätte. Von daher halte ich die Entscheidung – selbst wenn sie in der Sache später vom BFH bestätigt werden sollte – für unzureichend begründet.

Ähnliches haben wir kürzlich übrigens beim Beschluss des FG Köln vom 14.3.2024 (7 V 10/24) zur Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrages für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage in 2022 erlebt. Ich kann mich daher bei beiden Entscheidungen nicht des Eindrucks erwehren, dass man eine elegante Lösung gesucht hat, um nicht selbst das Bundesverfassungsgericht anrufen zu müssen.

Letztlich gilt: Steuerbescheide sollten weiterhin angefochten bzw. Einsprüche nicht zurückgenommen werden. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass der unterlegene Kläger Revision einlegen wird. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass der BFH seinerseits dann Karlsruhe anruft. Es wäre jedenfalls kein gutes Zeichen, wenn die Durchbrechung der Systematik des Einkommensteuerrechts zugelassen würde, ohne das Bundesverfassungsgericht dazu gehört zu haben.

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