Banken-AGB – reine Willkür oder Kräftemessen im neuen Lichte?

Wer hätte das nicht gerne: Unter Renditegesichtspunkten festlegen, wer welche Gebühren und Zinsen zur Sicherung der eigenen Einnahmen zu entrichten hat? Den Gedanken setzen Kreditinstitute in der Weise um, indem sie als Unternehmer gegenüber ihren Kunden, den Verbrauchern, vorgefertigte Vertragsbedingungen in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Grundlage ihres Kundengeschäfts verwenden.

Die jüngste Entwicklung allerdings zeigt, dass vermehrt Banken-AGB per höchstrichterlicher Rechtsprechung als unwirksam erachtet werden – mit erheblichen Auswirkungen sowohl auf Banken – als auch auf Kundenseite.

Da Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen grundsätzlich zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB), also der Banken, gehen und gleichzeitig die kundenfeindlichste Sicht zu unterstellen ist, überschreiten Banken tendenziell schnell die Schwelle zur Unwirksamkeit ihrer AGB.

Aktuelle Entscheidungen:
Der BGH entschied jüngst mehrfach (u.a. Urteil v. 8.5.18 – XI ZR 790/16, PM 99/18 v. 5.6.18), dass ein Abweichen der AGB vom Leitbild gesetzlicher Regelungen auch im Bankenrecht unzulässig sei. Die unwirksamen Klauseln werden infolgedessen durch die gesetzlichen Vorschriften ersetzt und im Übrigen bleibt der Vertrag wirksam, d.h. es findet keine zu Gunsten der Banken geltungserhaltende Reduktion von überzogenen AGB-Klauseln statt.
Die Unwirksamkeit von AGB macht Banken seitens Verbraucherschutzverbänden angreifbar, die mit Abmahnungen und strafbewehrten Unterlassungsklagen sowie Schadenersatzansprüchen die Einhaltung des Rechts erzwingen wollen. Auch Individualklagen einzelner Kunden sind zu befürchten, da unwirksame AGB eine nebenvertragliche Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 311 Abs. 2 und § 241 Abs. 2 BGB darstellen. Der dadurch entstandene Vertrauensschaden muss von Bankenseite in der Weise reguliert werden, dass der Kunde so zu stellen ist, als wäre die unwirksame AGB-Klausel nie vereinbart worden.

So entschied im o.g. Urteil der BGH, dass es sich um keine vorrangig zu beurteilende Individualvereinbarung aufgrund unterschiedlich vereinbarter Zinssätze handle, sondern um AGB-Klauseln, die einer Inhaltskontrolle zu unterziehen seien.

Im vorliegenden Fall sollte bei einem Darlehen mit variablem Zinssatz eine Zinsobergrenze (Zinscap) sowie das Entrichten einer Zinssicherungsgebühr den Bankkunden vor steigenden Zinssätzen schützen sollen und gleichzeitig dem Kreditinstitut einen Ausgleich für entgangene Zinsgewinne bieten.
Da nach dem gesetzlichen Leitbild Zinsen laufzeitabhängig zu erheben seien und vorliegend im Falle einer vorzeitigen Tilgung kein Anspruch auf anteilige Rückgewähr von Zinssicherungsgebühr und Zinscap-Prämie vereinbart wurde, legte der BGH die AGB-Klausel als unangemessene Benachteiligung des Kunden und damit als unwirksam aus.

Mit ähnlicher Begründung urteilte der BGH bereits am 13.5.14 (XI ZR 405/12 für Verbraucherkreditverträge und am 4.7.17 (XI ZR 562/15) für Unternehmerkreditverträge, dass die Erhebung von Bearbeitungsgebühren für den Abschluss von Darlehensverträgen unwirksam sei.

Bei Einschränkungen auf Kundenseite betreffend der Aufrechnung von Ansprüchen sah der BGH (Urteil v. 20.3.18 – XI ZR 309/16) einen Verstoß gegen das Widerrufsrecht (§§ 355 ff. BGB) und somit eine unwirksame AGB-Klausel, da von Vorschriften des Widerrufsrechts nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden dürfe (§ 361 Abs. 2 S. 1 BGB). Im zu beurteilenden Sachverhalt ging es um eine AGB-Klausel, die dem Kunden nur eine Aufrechnung von Forderungen gegen die Sparkasse gestattete, wenn diese unbestritten und rechtskräftig seien.

In der Vereinbarung von Negativzinsen sah das LG Tübingen (Urteil v. 26.1.18 – 4 0 187/17) bei Altverträgen eine unwirksame Klausel, da ursprünglich die Bank im Falle einer Einlage des Kunden als Darlehensnehmer im Sinne von § 488 Abs. 1 S. 2 BGB diesem gegenüber auftrete und verpflichtet sei, Zinsen an den Kunden zu entrichten. Wird der Bankkunde jedoch einseitig durch die Bank während der Vertragslaufzeit verpflichtet, Entgelt an die Bank für seine Einlage zu entrichten (Negativzinsen), handle es sich um die Änderung des Vertragstyps, die für den Verbraucher eine ungewöhnliche Klausel (§ 305c Abs. 2 BGB) darstelle und somit nichtig sei.

Entgeltbestimmungen im Preis- und Leistungsverzeichnis sind ebenfalls in Abhängigkeit vom zeitlichen Aspekt zu prüfen. Entschied der BGH noch in seinem Urteil vom 12.9.17 (XI ZR 590/15), dass die Bank Entgelt über die Benachrichtigung der Nichteinlösung einer Lastschrift nur in Höhe der tatsächlichen Kosten für die Unterrichtung des Kunden per AGB festlegen dürfe, während die Kosten der Bank für die Überprüfung und Entscheidung des Sachverhalts nicht auf den Kunden abzuwälzen seien, da es sich um die Erfüllung eigener Pflichten der Bank handle. Mit Inkrafttreten der 2. Zahlungsdiensterichtlinie (BGBl 2017 I S. 2446) zum 13.1.18 entfällt nun jedoch wieder die Beschränkung des Entgelts auf die Benachrichtigungskosten.

Worauf also können sich Bankkunden noch verlassen und wie können sie wirksame von nichtigen AGB-Klauseln unterscheiden?
Für Vereinfachungen und Stärkung des Verbraucherschutzes könnte der Vorschlag der EU-Kommission (v. 11.4.18 zur Einführung der Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22 EG) sorgen, Sammelklagen in der EU zum effektiverem Verbraucherschutz für den Einzelnen zuzulassen. Vorab sorgt bereits auf nationaler Ebene die zum 1.11.18 in Kraft tretende Musterfeststellungklage (BGBl 2018 I S. 1151, verkündet am 17.7.18) für effektiveren Rechtschutz der Verbraucher.

Ob Banken es sich dann noch leisten können, Kunden benachteiligende Banken-ABG zu formulieren, darf ernsthaft bezweifelt werden.

Weitere Informationen:
BGH v. 05.06.2018 – XI ZR 790/16
BGH v. 13.05.2014 – XI ZR 405/12
BGH v. 04.07.2017 – XI ZR 562/15
BGH v. 20.03.2018 – XI ZR 309/16
LG Tübingen v. 26.01.18 – 4 0 187/17 (Quelle: www.landgericht-tuebingen.de)
BGH v. 12.09.2017 – XI ZR 590/15

Lesen Sie hierzu auch meinen ausführlichen Beitrag in NWB 30/2018:
Gerichte kassieren vermehrt Kunden benachteiligende Banken-AGB – Aussicht auf verbesserten Verbraucherschutz durch Kollektivklagen
(für Abonnenten kostenfrei)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

53 − = 49