Bagatellgrenze nach §15a UStG, § 44 UStDV oder was ist ein Wirtschaftsgut?

Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse innerhalb von fünf Jahren, so ist eine Korrektur der Vorsteuerbeträge gemäß § 15a UStG vorzunehmen. Bei Immobilien gilt ein Berichtigungszeitraum von zehn Jahren. Das ist bekannt. Während der Ausbildung oder des Studiums lernt man zudem, dass es in § 44 UStDV noch eine Bagatellregelung gibt: „Haben sich bei einem Wirtschaftsgut in einem Kalenderjahr die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse um weniger als zehn Prozentpunkte geändert, entfällt bei diesem Wirtschaftsgut für dieses Kalenderjahr die Berichtigung des Vorsteuerabzugs. Das gilt nicht, wenn der Betrag, um den der Vorsteuerabzug für dieses Kalenderjahr zu berichtigen ist, 1.000 Euro übersteigt.“ Dass diese Bagatellregelung durchaus streitbefangen sein kann, zeigt ein aktuelles BFH-Urteil vom 29.4.2020 (XI R 14/19).

In dem zugrundeliegenden Verfahren ging es nämlich um die Frage, ob bei einem Gebäude, das in mehreren Abschnitten errichtet wird, als Berichtigungsobjekt nur das gesamte Gebäude oder der jeweils fertiggestellte Bauabschnitt in Betracht kommt. Die Antwort auf diese Frage war im Streitfall bedeutsam, weil bei einem Abstellen auf das gesamte Gebäude die Bagatellgrenzen für die Vorsteuerberichtigung unterschritten würden und eine Korrektur unterblieben wäre. Doch der BFH hat zuungunsten des Bauherrn entschieden: „Wirtschaftsgut“ i.S. des § 15a UStG und damit Berichtigungsobjekt ist bei einem in Abschnitten errichteten Gebäude der Teil, der entsprechend dem Baufortschritt in Verwendung genommen worden ist.

Insofern ist also die Bezugsgröße für die Prüfung der Zehn-Prozent-Grenze des § 44 UStDV kleiner und die Bagatellgrenze ist schneller überschritten.

Die Begründung des BFH: Die in § 15a Abs. 1 UStG verwendeten Begriffe „Wirtschaftsgut“ und „Grundstücke einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile“ sind historisch bedingt ertragsteuerlich bzw. zivilrechtlich geprägt. Allerdings verlangt § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG auch, dass das Wirtschaftsgut bereits verwendet wird. „Wirtschaftsgut“ i.S. des § 15a Abs. 1 UStG und damit Berichtigungsobjekt ist nur das Gebäude, soweit es entsprechend dem Baufortschritt in Verwendung genommen wurde. Der noch nicht verwendete Teil des Gebäudes ist noch nicht Gegenstand der Vorsteuerberichtigung. Für ihn beginnt der Berichtigungszeitraum erst mit seiner erstmaligen Verwendung.

Dabei sind die aus Vereinfachungsgründen getroffenen Regelungen in § 44 UStDV im Lichte dieses Grundgedankens auszulegen. Auch sie beziehen sich auf das bereits verwendete Objekt. Sind Gebäudeteile noch nicht Gegenstand der Vorsteuerberichtigung, bleiben sie auch insoweit außer Betracht. Es ist somit normspezifisch als Berichtigungsobjekt i.S. des § 15a UStG der Teil des in Abschnitten errichteten Gebäudes zugrunde zu legen, der in den maßgebenden Jahren jeweils verwendet wird.

Hinweis:

Die Vorinstanz hatte die Sache noch anders beurteilt und auf das Gesamtgebäude abgestellt. Doch der BFH entspricht der Sichtweise der Finanzverwaltung. In Abschnitt 15a Abs. 2 Satz 1 UStAE heißt es:  „Wird ein Wirtschaftsgut, z.B. ein Gebäude, bereits entsprechend dem Baufortschritt verwendet, noch bevor es insgesamt fertig gestellt ist, ist für jeden gesondert in Verwendung genommenen Teil des Wirtschaftsguts ein besonderer Berichtigungszeitraum anzunehmen.“

Weitere Informationen:

Details zum BFH-Urteil lesen Sie unserer NWB Online-Nachricht vom 20.08.2020 (für Abonnenten kostenlos).


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