Am 28.1.2025 hat das BAG (9 AZR 48/24) zu einer überaus wichtigen praktischen Frage entschieden, von dem tausende Arbeitsverhältnisse betroffen sind: Darf ein Arbeitgeber auch ohne dessen ausdrückliche Zustimmung eine monatliche elektronische Entgeltabrechnung in einem Online-Mitarbeiterportal bereitstellen, in dem der Mitarbeiter diese einsehen und ggf. ausdrucken kann?
Hintergrund
Die wesentlichen Bedingungen im Arbeitsverhältnis regeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag, insbesondere welches Entgelt der Mitarbeiter vom Arbeitgeber für geleistete Arbeit erhält. Nach der Entgeltbescheinigungsvorordnung – EBV (vom 19.12.2012, BGBl 2012 I S. 2712, zuletzt geändert durch Verordnung v. 1.10.2024, BGBl 2024 I Nr. 297) hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltabrechnung. Die Abrechnung muss in Textform (§ 126b BGB) erfolgen, das kann schriftlich oder auch digital sein.
Sachverhalt im Streitfall
Im Streitfall regelte eine Konzernbetriebsvereinbarung (KBV) des beklagten Arbeitgebers, dass alle Personaldokumente künftig – nach einer neunmonatigen Übergangsfrist ausschließlich – durch einen externen Anbieter in einem neu geschaffenen digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt würden und dort durch die Arbeitnehmer eingesehen werden könnten. Gemäß der KBV hat der Arbeitgeber es zu ermöglichen, das Postfach auch unabhängig von einem privaten Endgerät einzusehen und gegebenenfalls Unterlagen auszudrucken. Alle Personaldokumente müssen für mindestens zwölf Monate im Postfach abrufbar sein. Nachdem die Klägerin eine Entgeltabrechnung zuletzt für Februar 2022 in Papierform erhalten hatte, forderte sie die Beklagte erfolglos auf, davon abzusehen, die Abrechnungen zukünftig ausschließlich über das digitale Mitarbeiterpostfach zur Verfügung zu stellen.
Hiergegen wehrtes sich die Klägerin vor dem Arbeitsgericht: Durch das Einstellen der Abrechnungen in das digitale Mitarbeiterpostfach seien diese nach ihrer Auffassung nicht erteilt. Für einen Zugang über das digitale Mitarbeiterpostfach habe sie, die Klägerin, ihre Zustimmung nicht erteilt. Die in der KBV getroffenen Regelungen könnten ihr fehlendes Einverständnis nicht ersetzen. Die Beklagte meinte demgegenüber, die Entgeltabrechnungen seien wirksam erteilt worden. Beim digitalen Mitarbeiterpostfach handele es sich um einen Cloud-Dienst, auf dem die Entgeltabrechnung gespeichert werde. Damit sei die entsprechende Datei wie eine E-Mail in dem Moment der Speicherung in der Cloud und der damit einhergehenden Zugriffsmöglichkeit der Klägerin in deren Machtbereich gelangt und ihr folglich zugegangen. Maßgeblich sei nicht, ob die Klägerin damit einverstanden sei, die Entgeltabrechnung über das digitale Mitarbeiterpostfach zur Kenntnis zu nehmen, sondern ob ihr dies zumutbar sei. Dies sei zweifelsfrei der Fall, weil die Klägerin selbst digital kommuniziert habe, als sie der Nutzung des Mitarbeiterpostfachs widersprochen habe. Die KBV stelle auch eine wirksame Rechtsgrundlage für die Erteilung der Entgeltabrechnung ausschließlich über das Mitarbeiterpostfach dar.
Das Arbeitsgericht (ArbG Braunschweig, Urteil v. 26.7.2023 – 3 Ca 163/23) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil v. 16.1.2024 – 9 Sa 575/23 das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben.
Entscheidung des BAG
Die Revision des Arbeitgebers war jetzt vor dem BAG 8v. 28.1.2025 – 9 AZR 48/24) erfolgreich: Das BAG hat das LAG-Urteil aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen; diese muss jetzt klären, ob im Streitfalle die Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fielen.
Nach der Entscheidung des BAG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 GewO i.V.m. § 2 EBV bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform (§ 126 b BGB) zu erteilen. Diese Verpflichtung kann er aber grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Praxisrelevanz
Das BAG hat mit dem aktuellen Urteil eine wichtige Praxisfrage zugunsten des Arbeitgebers und im Sinne der Digitalisierung des Arbeitslebens entschieden. Damit hat sich das BAG klar für eine Erleichterung der Entgeltabrechnung in digitalen Zeiten ausgesprochen und gegen eine Arbeitgeberverpflichtung, weiter auf Papier abzurechnen.
Weitere Informationen
BAG-Pressemitteilung Nr. 3/2025 v. 28.1.2025: Entgeltabrechnungen als elektronisches Dokument – Das Bundesarbeitsgericht