Überschuldete Arbeitnehmer/innen dürfen bei einem Insolvenzverfahren eine vom Arbeitgeber freiwillig gezahlte Corona-Prämie behalten, wenn diese den Rahmen des Üblichen nicht überschreitet. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem richtungsweisenden Urteil entschieden (BAG v. 25.8.2022 – 8 AZR 14/22).
Worum ging es im Streitfall?
Ein Gastwirt hatte einer Beschäftigten wegen der Belastungen im Zusammenhang mit der Corona-Pamdemie freiwillig in 2020 eine Steuer-und abgabenfreie Corona-Prämie in Höhe von 400 Euro gezahlt. Bereits 2015 war über das Vermögen der Beschäftigten wegen Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Unter Berücksichtigung des Monatslohns und Zuschlägen für Sonntagsarbeit wollte die Insolvenzverwalterin auch eine Teil der gezahlten Corona-Prämie pfänden, weil diese freiwillige gezahlt worden und damit pfändbar sei. Weitere Details in der NWB Online-Nachricht: Arbeitsrecht | (Un-)Pfändbarkeit einer Corona-Sonderzahlung.
BAG hält Corona-Prämie für unpfändbar
Das BAG hat der Pfändung widersprochen und festgestellt, dass die im Streitfall gezahlte Corona-Prämie in voller Höhe dem Pfändungsschutz unterliege (§ 850 a Nr. 3 ZPO), also nicht zum pfändbaren Einkommen zählt. Der Arbeitgeber habe mit der Prämie „eine bei der Arbeitsleistung der Schuldnerin tatsächlich gegebene Erschwernis kompensieren“ wollen. Erschwerniszulagen seien aber nach dem Gesetz nicht pfändbar, der Rahmen des Üblichen sei nicht überschritten.
Einordnung und Bewertung
Arbeitgeber konnten ihren Arbeitnehmern in der Zeit von 1.3.2020 bis 31.3.2022 zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn Beihilfen und Unterstützungen in Form einer Corona-Prämie bis zu einem Betrag von 1.500,€ steuer- und abgabenfrei auszahlen. In Anerkennung der besonderen Leistungen von Arbeitnehmern in Krankenhäusern und vergleichbaren Einrichtungen können vom Arbeitgeber in der Zeit vom 18.11.2021 bis 31.12.2022 geleistete Corona-Bonuszahlungen an Pflegekräfte nach dem 4.Corona-SteuerhilfeG (BGBl 2022 I S. 911) bis zu 3.000 € steuerfrei. Im Pflegebereich hat der Gesetzgeber selbst ausdrücklich die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie geregelt (§ 150a Abs. 8 S. 4 SGB XI). Für alle anderen Arbeitnehmergruppen fehlt zwar eine vergleichbare ausdrückliche Regelung, jedoch qualifiziert das BAG die Corona-Prämie asl „Erschwerniszulage“, die unpfändbar ist. Dies erscheint sachgerecht, weil der Gesetzgeber mit Steuer- und Abgabenfreiheit von Corona-Prämien bis zu 1.500 € Gesamtbetrag die zusätzlichen Belastungen von Arbeitnehmern honorieren will, die mit der Corona-Pandemie einhergehen.
Auch Corona-Soforthilfen genießen nach § 851 Abs. 1 ZPO Pfändungsschutz: Sie unterliegen wegen ihrer Zweckbindung als Billigkeitszuschuss zur Milderung einer finanziellen Notlage nicht der Kontenpfändung wegen alter Steuerschulden, die vor dem 1.3.2020 entstanden sind (FG Münster v. 13.5.2020 – 1 V 1286/20 AO); auf einem Pfändungsschutzkonto des Schuldners ist deshalb nach § 850 k Abs. 4 ZPO der Pfändungsfreibetrag entsprechend zu erhöhen (BGH v. 10.3.2021 – VII ZB 24/20). Allerdings kann eine Bewilligungsbehörde eine ausgezahlte Corona-Soforthilfe wieder zurückfordern, wenn der Antragsteller bereist bei Antragstellung zahlungsunfähig war (VG Düsseldorf v. 12.01.2021 – 20 K 4706/20).