Bundesregierung plant Anhebung des Pflegeversicherungsbeitrags

Der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung soll ab 1.1.2025 um 0,2 Prozentpunkte angehoben werden. Das geht aus einer Verordnung (BT-Drs. 20/13710) der Bundesregierung vom 10.11.2024 hervor. Bundestag und Bundesrat müssen aber erst noch zustimmen.

Hintergrund

Die soziale Pflegeversicherung wird grundsätzlich paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert. Der Beitragssatz beträgt seit 1.7.2023 allgemein 3,4 Prozent, bei Kinderlosen 4 Prozent des Bruttogehalts. Eine abweichende Regelung gilt im Bundesland Sachsen, das bei der Einführung der Pflegeversicherung keinen Feiertag gestrichen hatte. Dort entfallen von den 3,4 Prozent Pflegeversicherungsbeitrag 2,2 Prozent auf die Beschäftigten und 1,2 Prozent auf die Arbeitgeber. Für die Umsetzung einer Beitragssatzanhebung in der sozialen Pflegeversicherung sieht § 55 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 1a SGB XI eine Verordnungsermächtigung vor. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung jetzt für 2025 Gebrauch gemacht.

Bundesregierung beschließt Anhebung des Pflegeversicherungsbeitrags 2025

Nach dem Beschluss der Bundesregierung soll der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung mit Beginn des Jahres 2025 um 0,2 Prozentpunkte angehoben (BT-Drs. 20/13710). Der Beitragssatz würde damit bundeseinheitlich auf 3,6 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt. Insbesondere in den Jahren 2022 und 2023 habe die Zahl der Menschen mit Pflegebedarf deutlich schneller zugenommen, als es rein demografisch bedingt zu erwarten gewesen wäre. Ungünstig wirkten sich auch die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie aus. Alles zusammen führe zu höheren Leistungsausgaben, während sich eine abnehmende Zahl von Beitragszahlern abzeichne. Weiterlesen

Unfallbedingter Verdienstausfallschaden nach ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Ein Unfallopfer kann einen zu ersetzenden Verdienstausfallschaden erleiden, wenn er berechtigterweise auf die ihm ärztlicherseits bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vertraut und deshalb nicht zur Arbeit geht – so der BGH 8.10.2024, VI ZR 250/22.

Sachverhalt im Streitfall

Der Kläger erlitt 2019 während seiner Arbeit in einer Waschstraße eine tiefe, klaffende Riss- und Quetschwunde am linken Unterschenkel. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach war unstreitig. Der Kläger war unfallbedingt vom 8. bis zum 22.5.2019 und vom 26. bis zum 27.8.2019 in stationärer Behandlung. Laut fachärztlicher Bescheinigung vom 17.8.2020 war er unfallbedingt bis voraussichtlich zum 14.9.2020 arbeitsunfähig.

Mit der Klage machte der Kläger die Differenz zwischen seinem letzten monatlichen Gehalt und dem Krankengeld nebst anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zinsen geltend. Er meinte, er habe sich auf die Krankschreibung seines Arztes verlassen und sein Verhalten danach ausrichten dürfen. Es handele sich um einen Fehler des Arztes, welchen er nicht zu vertreten habe und welcher im Risikobereich des Schädigers liege.

Das LG verurteilte die Beklagten zur Zahlung von Verdienstausfall nebst Zinsen und anteiligen vorgerichtlichen Rechtsanwalts- kosten für den Zeitraum nach Ende der Lohnfortzahlung bis zum 5.9.2019 (zweieinhalb Monate) und wies die Klage im Übrigen ab. Die Berufung des Klägers wies das OLG zurück.

Entscheidung des BGH

Die Revision des Klägers war erfolgreich: Der BGH hat das OLG-Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen. Der Geschädigte könne einen adäquat kausal unfallbedingten und nach § 842 BGB, § 11 StVG zu ersetzenden Verdienstausfallschaden erleiden, wenn er berechtigterweise auf die ihm ärztlicherseits bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vertraut und deshalb nicht zur Arbeit geht.

Praktische Konsequenzen

Bei der Beurteilung, ob eine solche verletzungsbedingte Beeinträchtigung der Arbeitskraft vorliegt, ist der Arbeitnehmer grundsätzlich auf die Einschätzung des ihn behandelnden Arztes angewiesen, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob durch die Aufnahme der Arbeitstätigkeit die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde. Der Arbeitnehmer ist arbeitsrechtlich verpflichtet, alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögert, und er pflichtwidrig handelt, wenn er den Heilungserfolg durch gesundheitswidriges Verhalten gefährdet. Deshalb kommt ein Verdienstausfallschaden nicht nur bei objektiv festgestellter Arbeitsunfähigkeit in Betracht, sondern auch, wenn der Geschädigte aufgrund der ärztlichen Beratung von einer solchen Einschränkung ausgehen musste.

Allerdings schiebt der BGH einer ausufernden Schadenersatzpflicht auch einen Riegel vor: Erstens muss die Arbeitsunfähigkeit verletzungsbedingt sein, was der Geschädigte zu beweisen hat; zweitens muss der Geschädigte den Arzt vollständig und zutreffend informiert haben, insbesondere über die von ihm empfundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Arzt zur Grundlage seiner Beurteilung und Empfehlung gemacht hat (z.B. Schmerzen). Und drittens muss das ärztliche Verfahren (siehe hierzu auch die sog. Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie i.d.F. v. 14.12.2013, BAnz AT 27.01.2014 B 4) zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit so gestaltet sein, dass der Geschädigte auf die Richtigkeit der ärztlichen Feststellung vertrauen darf.

Das BGH-Urteil ist durchaus auch für Arbeitgeber interessant: Da das Entgeltfortzahlungsgesetz keine Einschränkungen bei Arbeitsunfähigkeit infolge von Unfällen oder Verletzungen durch Dritte macht, ist die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber auch in diesen Fällen bis zu sechs Wochen zu leisten, obwohl der Verletzte zivilrechtlich vom Schädiger Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls beanspruchen kann.

Der Schadensersatzanspruch des verletzten Arbeitnehmers wegen des Verdienstausfalls geht aber auf den Arbeitgeber über, wenn dieser das Arbeitsentgelt fortgezahlt hat. Durch den in § 6 EFZG geregelten Forderungsübergang bei Dritthaftung ist der Arbeitgeber also in der Lage, den Schadensersatzanspruch auch selbst geltend zu machen.

Kommt das Deutschland-Ticket unter die Räder?

Noch am 23.9.2024 haben sich die Verkehrsminister von Bund und Ländern darauf verständigt, das Deutschlandticket fortzusetzen, ab 1.1.2025 soll es aber 58 Euro statt bislang 49 Euro/Monat kosten. Nach dem Ampel-Aus droht dem Deutschlandticket aber ebenfalls das Aus, weil die Finanzierung nicht mehr gesichert ist.

Hintergrund

Das Deutschlandticket gilt seit 1.5.2023 zum Einführungspreis von 49 Euro im monatlich kündbaren digitalen Abonnement. Ziel ist es, die Attraktivität des Regionalverkehrs zu steigern, einen Anreiz zum Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr zu schaffen, Energie zu sparen – und Bürgerinnen und Bürger finanziell zu entlasten. Bis Ende 2025 beteiligt sich der Bund mit 1,5 Milliarden Euro jährlich an dem Vorhaben. Bis Ende 2024 bleibt der Preis stabil bei 49 Euro. Deswegen beschloss das Kabinett am 17.7.2024 eine Neufassung des Regionalisierungsgesetzes. Mit der Gesetzesänderung können in den Vorjahren nicht verbrauchte Mittel für die Finanzierung des Deutschlandtickets in diesem Jahr genutzt werden. Da aber die Finanzierung für 2025 ungewiss war, haben Bund und Länder länger verhandelt mit dem Ergebnis, den Preis des Deutschlandtickets ab 1.1.2025 auf 58 Euro/Monat anzuheben.

Änderung des Regionalisierungsgesetzes steht aus

Bund und Länder streiten um die Finanzierung des Deutschlandtickets. Für die Finanzierung des Deutschlandtickets in 2025 soll das Regionalisierungsgesetz geändert werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 20/12773) wurde am 26.9.2024 in erster Lesung im Bundestag behandelt. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 27.9.2024 (BR-Drs. 393/24 (B)) zwar die Übertragung überschüssiger Finanzierungsmittel in das Jahr 2025 begrüßt. Allerdings wurde der Zeitplan des Bundesverkehrsministeriums gerügt: Eine Verschiebung ohne einen Gesetzesbeschluss in 2024 zur Herstellung der Überjährigkeit der Mittelverwendung sei für die Verkehrsverbünde mit einem zu hohen Finanzierungsrisiko verbunden.

Seitdem ist Funkstille. Weiterlesen

Kindergelderhöhung und Entschärfung der kalten Progression auf der Kippe: Scheitert das Steuerfortentwicklungsgesetz?

Nach dem Aus der Regierungsampel am 6.11.2024 stehen wichtige Gesetzesvorhaben auf der Kippe, darunter auch das Steuerfortentwicklungsgesetz (StFeG, früher Zweites JStG 2024). Was bedeutet das für den Steuerzahler?

Hintergrund

Nach den der verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG muss das Existenzminimum je- derzeit steuerfrei gestellt werden. Deshalb legt nach einem Beschluss des Bundestages aus dem Jahr 1995 (BT-Beschluss v. 2.6.1995, BT-Drs. 13/1558 vom 31.5.1995) legt die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern (Existenzminimumbericht) vor. Auf dessen Basis müssen der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag entsprechend angepasst werden. Der Ausgleich der kalten Progression ist sicherzustellen, damit die Inflation insbesondere auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht die Lohnzuwächse auffrisst und ihnen netto ein angemessener Teil des Lohns verbleibt. Weiterlesen

Aufwandsabzug nach § 35a EStG bei Pflege- und Betreuungsleistungen künftig nur bei Rechnung und Banküberweisung

Mit dem JStG 2024 macht der Gesetzgeber den Abzug von haushaltsnahen Dienstleistungen nach § 35a Abs. 5 S. 3 EStG einheitlich von Rechnung und Banküberweisung abhängig. Worauf ist zu achten?

Hintergrund

Nach § 35a EStG sind nur eigene Aufwendungen des Steuerpflichtigen, nicht aber Aufwendungen eines Dritten steuerlich abzugsfähig. In der derzeit geltenden Fassung hat § 35a Abs. 5 S. 3 EStG folgenden Wortlaut:

„Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach Absatz 2 oder für Handwerkerleistungen nach Absatz 3 ist, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist.“

JStG 2024: Bundestag reagiert auf BFH-Urteil

In einem vielbeachteten Urteil hatte 2022 der BFH (12.4.2022 – VI R 2/20) entschieden, dass die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung nach § 35a EStG für ambulant erbrachte Pflege- und Betreuungsleistungen weder Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten noch in den Zahlungsvorgang ein Kreditinstitut eingebunden hat. Diese Voraussetzungen müssten nach § 35a Abs. 5 S. 3 EStG lediglich „für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach Absatz 2 oder für Handwerkerleistungen nach Absatz 3“ vorliegen. Die Regelung erstrecke sich daher nicht auf Pflege- und Betreuungsleistungen.

Jetzt hat der Gesetzgeber eingegriffen: Mit der Änderung des § 35a Abs.5 S.3 EStG durch das vom Bundestag am 18.10.2024 beschlossene JStG 2024 (BT-Drs. 20/13419) gelten die strengen formellen Ermäßigungsvoraussetzungen (Rechnung und Zahlungsvorgang) künftig für alle Handwerker- und haushaltsnahen Dienstleistungen, also auch für ambulante Betreuungs- und Pflegedienstleistungen. Damit hat sich der Bundestag einem Petitum Des Bundesrates angeschlossen (BR-Drs. 369/24 (B)).

Was bedeutet das für Steuerpflichtige?

Bis einschließlich VZ 2024 gilt weiterhin die Auslegung des BFH, wonach für ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen die strengen Rechnungs- und Überweisungseinschränkungen nicht gelten; Steuerpflichtige sollten sich insoweit auf das BFH-Urteil aus 2022 berufen. Nach Art. 56 Abs.7 JStG gelten die Einschränkungen des neugefassten § 35 a Abs.5 S.3 EStG aber ab 1.1.2025. Der Bundesrat muss zwar dem JStG 2024 noch zustimmen, was allerdings am 22.11.2024 in der nächsten BR-Sitzung erwartet wird.

Weitere Informationen:
BT-Drs. 20/13419

Update: Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über den „Soli“

Am 12.11.2024 hat das BVerfG mündlich über die Verfassungsbeschwerde gegen den Solidaritätszuschlag verhandelt (BVerfG 2 BvR 1550/20). Das ausstehende Urteil hat gewaltige Auswirkungen für die Haushaltsplanung des Bundes für 2025 ff., aber auch für die Gesamtsteuerbelastung von Unternehmen und Steuerbürgern.

Hintergrund

Bisherige Verfahren gegen den Soli und seine Verfassungsmäßigkeit blieben bislang erfolglos, allerdings hat der BFH zuletzt 2023 festgestellt (BFH v. 17.01.2023 – IX R 15/20), dass der Gesetzgeber nach 30 Jahren eine Überprüfungspflicht hat; das wäre ab 2025 der Fall.

Wie beurteilt das BVerfG jetzt die weitere Soli-Erhebung?

In dem Verfahren 2 BvR 1550/20 geht es um Verfassungsbeschwerden von sechs FDP-Bundestagsabgeordneten, die sich mit ihrer Beschwerde unmittelbar gegen das SolzG wenden und rügen eine Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verschiedener Einkommensbezieher durch das SolzG 1995, ferner die Verfassungswidrigkeit des SolZG 2019 seit Auslaufen des Solidarpakts II am 31.12.2019. Das BVerfG hat am 12.11.2024 nur mündlich über die Verfassungsfragen der Soli-Erhebung verhandelt, aber noch keine Entscheidung in der Sache getroffen. Allerdings hat das Gericht schon anhand seiner Verhandlungsgliederung seine Prüfungsschwerpunkte deutlich werden lassen: Der Eingriff der Soli-Erhebung in das Eigentumsrecht (Art.14 Abs.1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art.2 Abs.1 GG) muss verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.

Hier wird sich das BVerfG im Kern mit den Anforderungen an die Erhebung einer Ergänzungsabgabe (Art. 105 Abs.2, Art.106 Abs.1 Nr.6 GG) befassen, vor allem im Hinblick auf die zeitliche Befristung solcher Abgaben und die hieraus resultierende besondere Begründungspflicht des Gesetzgebers nach Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 und seiner Befugnis zur Umwidmung von Mitteln – auch unter Berücksichtigung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei Finanzierungsfragen.

Hierbei wird ein vom Bundesfinanzministerium vorgelegtes Gutachten aus dem Frühjahr 2020 eine wichtige Rolle spielen. Das Gutachten, das das Ifo-Institut und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Frühjahr 2020 vorgelegt hatten, setzt sich mit den weiterhin bestehenden finanziellen Belastungen durch die Wiedervereinigung auseinander. Ob eine Ergänzungsabgabe abgeschafft werden muss, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung entfielen, hatte das Gericht in einer früheren Entscheidung zur Ergänzungsabgabe 1972 noch offengelassen.

Ferner wird das BVerfG entscheiden, ob es dem Gleichheitssatz (Art.3 Abs. 1 GG) noch genügt, wenn die Soli-Zahlung (seit 2021) auf 10 Prozent der Steuerzahler beschränkt ist; hiervon betroffen sind rund 6 Mio. Steuerzahler in Deutschland.

Was sagen Verfassungsrechtsexperten und Ökonomen? Weiterlesen

Unsichere Haushaltslage und die möglichen Folgen

Im Haushaltsausschuss des Bundestages hat sich nach Expertenmeinung gezeigt, dass der Haushaltsentwurf 2025 der Bundesregierung nicht nur finanziell, sondern auch verfassungsrechtlich „auf Kante genäht“ ist. Auch der weitere Beratungszeitplan steht jetzt auf der Kippe. Was sind die möglichen Folgen?

Hintergrund

Die Wachstumserwartungen der Bundesregierung haben sich in 2024 deutlich eingetrübt: Lag dem Bundeshaushalt 2024 gemäß Herbstprojektion 2023 noch eine Erwartung von +4,4% Wachstum zu Grunde, lag nominale BIP-Zuwachs nach dem Frühjahrsgutachten nur noch bei 3% gegenüber dem Vorjahr. Da sich die wirtschaftliche Entwicklung auf Einnahmen und Ausgaben des Bundeshaushalts auswirkt, hat die Bundesregierung Anfang September den Entwurf eines Nachtragshaushaltsgesetzes 2024 vorgelegt (BT-Drs.20/12400), mit dem einnahme- und ausgabeseitige Entwicklungen abgebildet werden.

Das Nachtragshaushaltsgesetz 2024 und das Haushaltsgesetz 2025 hat die Bundesregierung in erster Lesung am 10.9.2024 im Bundestag eingebracht, danach wurden die Vorlagen an den Haushaltsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. Der Haushaltsausschuss hat am 23.9.2024 eine Sachverständigenanhörung zu den Gesetzentwürfen durchgeführt. Eigentlich sollten die Haushaltsentwürfe im Bundestag Mitte November final beraten und abgestimmt werden.

Haushaltsverabschiedung verzögert sich

Die für den 7.11.2024 angesetzte abschließende Beratung der Haushaltsentwürfe im Haushaltsausschuss wurde mit Rücksicht auf das Ampel-Aus vom Vortag um eine Woche verschoben. Auch der Bundestag hat in seiner an sich „normalen“ Sitzungswoche nur ein Rumpfprogramm am 13.11.2024, alle anderen vorgesehenen Tagesordnungspunkte der Sitzungswoche entfallen, auch Beschlussfassungen. Weiterlesen

BAG: Kein Mindestabstand zu Tarifgehältern bei außertariflich Beschäftigten

Ein Tarifvertrag kann festlegen, dass diejenigen Angestellten „außertariflich“ sind, deren Vergütung die höchste tariflichen Entgeltgruppe überschreitet. Einen bestimmten Mindestabstand zu den Tariflöhnen kann ein außertariflicher Angestellter, der sein Gehalt selbst vereinbart, nicht verlangen, wenn der Tarifvertrag keine entsprechende „Abstandsklausel“ enthält. Dies hat das BAG aktuell entschieden (BAG v. 23.10.2024 – 5 AZR 82/24).

Sachverhalt im Streitfall

Der Kläger war seit 2013 als Entwicklungsingenieur bei der Beklagten beschäftigt und erhielt seit Juni 2022 als außertariflich Beschäftigter eine monatliche Vergütung von 8.212 Euro brutto. Diese lag nur geringfügig über der höchsten tariflichen Vergütung von 8.210,64 Euro brutto. Der Kläger forderte jedoch eine deutlich höhere Vergütung und argumentierte, dass der Unterschied nach der einschlägigen Tarifstruktur für Führungskräfte mindestens 23,45 % betragen müsse, was einem Gehalt von 10.136,03 Euro entsprochen hätte. Das lehnte der Arbeitgeber ab, der Arbeitnehmer wollte mit seiner arbeitsgerichtlichen Klage den Differenzbetrag einklagen – ohne Erfolg.

Entscheidung des BAG

Das BAG hat die Vorinstanzen (ArbG Mönchengladbach, 13.4.2023 – 3 Ca 2218/22; zuletzt LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.12.2023 – 3 Sa 360/23) bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Status als außertariflicher Angestellter begründe einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine Vergütung, die einen tarifvertraglich vorgeschriebenen Abstand zur höchsten tariflichen Vergütung wahrt. Die im Streitfall einschlägigen tariflichen Bestimmungen verlangen, dass die geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten. Das war hier der Fall, wenn auch nur minimal.

Definieren Tarifvertragsparteien als außertariflich diejenigen Angestellten, deren geldwerte materielle Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe überschreiten, ohne einen bestimmten prozentualen Abstand festzusetzen, genügt für Status und Vergütung des außertariflichen Angestellten jedes – auch nur geringfügige – Überschreiten. Das BAG bekräftigt, dass nach den tariflichen Bestimmungen bereits ein „geringfügiges Überschreiten“ der höchsten tariflichen Vergütung ausreicht, um den Status eines außertariflichen Angestellten zu rechtfertigen. Eine weitergehende Auslegung, die eine bestimmte prozentuale Differenz verlangt, sei nur dann zulässig, wenn dies im Tarifvertrag klar festgelegt sei.

Konsequenzen für die Praxis

Dem BAG ist zuzustimmen, weil der Wortlaut einer (hier tarifvertraglichen) Regelung der Auslegung immer Grenzen setzt; eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut kommt also nicht in Betracht. Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist (BAG v. 20.7.2023 – 6 AZR 256/22; BAG v. 23.04.2013 – 3 AZR 23/11)

Wollen die Tarifvertragsparteien einen bestimmten prozentualen Abstand zwischen dem höchsten Tarifentgelt und dem Entgelt außertariflicher Beschäftigter regeln, ist eine entsprechende tarifliche, hinreichend klare und deutliche Abstandsklausel im Tarifvertrag erforderlich. Die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Tarifautonomie verbietet ein „Nachbessern“ fix vereinbarter tariflicher Bestimmungen durch die Gerichte zugunsten der einen oder anderen Seite.

Für Arbeitnehmer bedeutet die Entscheidung, dass sie sich bei freier Aushandlung der Arbeitsvertragsbedingungen hinsichtlich der Gehaltshöhe nicht auf einen „Mindestabstand zu Tarifgehältern“ berufen können. Einen solchen Mindestabstand können sie – wenn der Tarifvertrag keine solche Abstandsklausel beinhaltet – nur bilateral mit dem Arbeitgeber aushandeln.

Weitere Informationen:

Abgabenlast steigt – Beitragsbemessungsgrenzen in der Renten- und Krankenversicherung steigen ab Januar 2025

Das Bundeskabinett hat am 6.11.2024 die „Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2025“ beschlossen, der der Bundesrat aber noch zustimmen muss. Mit der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung steigt ab 1.1.2025 auch die Sozialabgabenlast.

Hintergrund

Die Werte für die Berechnung der Versicherungspflichtgrenzen und der Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung (gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung) werden jedes Jahr an die Entwicklung der Einkommen angepasst, um die soziale Absicherung stabil zu halten. Denn ohne Anpassung würden z.B. Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung auch bei steigenden Gehältern im Verhältnis geringere Renten bekommen. Da für Einkommen oberhalb der Bemessungsgrenze keine Beiträge geleistet und somit keine Rentenansprüche erworben werden, Besserverdienende also mit steigendem Einkommen aus der Sozialversicherung „herauswachsen“ würden, würde ihr Beitrag zur Sozialversicherung im Vergleich zum Einkommen immer kleiner werden. Um diesen Negativeffekt zu vermeiden, werden jährlich durch Verordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Beitragsbemessungsgrenzen angepasst.

Anstehende Änderungen in der Sozialversicherung

Die vom Bundeskabinett aktuell beschlossene Verordnungsänderung betrifft die gesetzliche Krankenversicherung und gesetzliche Rentenversicherung mit folgenden Maßgaben: Weiterlesen

Ampel-Aus: Was wird aus der Wachstumsinitiative der Bundesregierung?

Ende Juli 2024 hat sich die Ampel-Regierung auf einen 49-Punkte-Katalog für eine Wachstumsinitiative verständigt, am 6.11.2024 ist nach der Entlassung des Finanzministers die Ampel gescheitert. Was bedeutet das für die Wachstumsinitiative?

Hintergrund

Fachkräftemangel und demographischer Wandel, überbordende Bürokratie, hohe Energiepreise als Folge eines unzureichenden Ausbaus Erneuerbarer Energien, verschleppte Digitalisierung und nicht zuletzt der Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität: Die Probleme des Wirtschaftsstandortes Deutschland sind nicht neu und werden seit geraumer Zeit auch noch von gewaltigen Konjunktureinbrüchen in etlichen deutschen Industrien begleitet, die bislang als Wachstumslokomotive galten. Zur nachhaltigen Stärkung der Wachstumskräfte und der Wettbewerbsfähigkeit hat sich die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht 2024 auf eine umfassende und gezielte Angebotspolitik verständigt. Am 17.7.2024 hat das Bundeskabinett mit der sog. Wachstumsinitiative 49 konkrete wirtschaftspolitische Maßnahmen beschlossen, die fachgesetzlich umgesetzt werden sollen. Nach dem Regierungsbruch vom 6.11.2024 ist die Frage, welche Versprechen in Bezug auf die Wachstumsinitiative überhaupt noch umsetzbar sind.

Lange Listen offener Posten

Die Liste der 49 benannten Projekte der Wachstumsinitiative setzt im Schwerpunkt auf Anreize bei den Themen Arbeit Weiterlesen