EuGH rügt systematische Zurückweisung unvollständiger MwSt-Erstattungsanträge

Wer meine Blog-Beiträge aufmerksam liest, wird feststellen, dass ich nicht nur, aber doch insbesondere die Auslegung und Handhabung des Umsatzsteuerrechts durch die deutsche Finanzverwaltung kritisiere. Erst kürzlich habe ich im Aufreger des Monats November auf das sprachliche Desaster der Gesetzesbegründung zum Mehrwertsteuer-Digitalpaket verwiesen. Gerade heute Morgen sagte mir ein gestandener Umsatzsteuerrechtler zu der Gesetzesbegründung: „Ich habe kein Wort verstanden.“

Nun gut, ich bin ein kleines Lichtlein im Steuerrechtsgefüge und auch wenn meine Blog-Beiträge gelesen werden, so hege ich wenig Hoffnung, dass die Beteiligten sich die Kritik zu Herzen nehmen werden.

Ganz anders, wenn der EuGH zum Zuge kommt. Ich will es kurz machen: Der EuGH liest der deutschen Finanzverwaltung in Sachen „MwSt-Erstattungsanträge“ gehörig die Leviten. Worum geht es? Weiterlesen

Umsatzsteuer-Philosophie – Teil 2

§ 3 Abs. 12 UStG normiert den Tausch und den tauschähnlichen Umsatz. Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht. Bei tauschähnlichen Umsätzen gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Soweit der Wert des Entgelts nicht ermittelt werden kann, ist er zu schätzen.

Bei der Frage, wann ein tauschähnlicher Umsatz vorliegen könnte, ist die Finanzverwaltung sehr einfallsreich und hat damit oftmals auch Erfolg. Zu zahlreichen Einzelfragen darf insoweit auf das BFH-Urteil vom 1.8.2002 (V R 21/01, BStBl 2003 II S. 438) verwiesen werden.

Nun habe ich kürzlich einen Beitrag zu der Frage gelesen, wie viel eigentlich persönliche Daten wert sind, die der Nutzer eines Online-Netzwerks diesem überlässt und die das Netzwerk später im weitesten Sinne „monetarisiert.“ Weiterlesen

Umsatzsteuer-Philosophie – Teil 1

Nun ist es wieder soweit: Wohl jeder, der im Steuerrecht oder im Rechnungswesen tätig ist, plagt sich mit der Umstellung der Umsatzsteuersätze zum 1. Januar 2021 herum. Der eine oder andere hat noch die Hoffnung gehegt, dass Olaf Scholz die Minderung der Steuersätze um ein Jahr verlängert, doch – Stand heute – sieht es nicht danach aus. Und so ist es kein Wunder, dass die Gestaltungsmodelle zur Ausnutzung der geminderten Steuersätze nur so aus dem Boden sprießen.

Ob sie steuerlich alle tauglich sind, kann ich nicht beurteilen. Vor allem habe ich aber den Eindruck, dass Unternehmer und Verbraucher eigenartigen zivilrechtlichen „Konstruktionen“ zustimmen, um ein paar Euro Umsatzsteuer zu retten, etwa wenn es beim Bau um die „gekünstelte“ Aufteilung und Abnahme von Bauleistungen geht oder wenn für den Porsche, der erst in 2021 geliefert werden kann, heute ein Gutschein ausgestellt wird (1).   Weiterlesen

Pflicht zur digitalen Übermittlung der ESt-Erklärung: Fiskus erleidet Schlappe vor dem BFH

Steuerbürger sind in bestimmten Fällen verpflichtet, ihre Einkommensteuererklärung und – soweit erforderlich – auch die Anlage EÜR elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln. Das ist aber unbeliebt, zumal eine Gewinn- und Verlustverrechnung in Papierform bei kleineren Gewerbetreibenden oder Freiberuflern vielfach schnell erstellt ist, während sich diejenigen, die mit dem Computer nur wenig am Hut haben, schwer tun, die erforderlichen  Eintragungen digital vorzunehmen. Schützenhilfe kommt nun aber vom BFH. Weiterlesen

Nachträglicher Antrag auf Günstigerprüfung der Besteuerung von Kapitalerträgen

Die Abgeltungsteuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge ist vielfach höher als der individuelle Steuersatz eines Steuerpflichtigen. Daher erlaubt der Gesetzgeber in § 32 Abs. 6 EStG einen Einbezug der Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuerveranlagung und eine Besteuerung zum individuellen Steuersatz. Dazu ist aber ein Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG zu stellen. Zuweilen wird ein solcher Antrag vergessen oder er wird bewusst nicht gestellt, weil dieser aufgrund hoher Einkünfte sinnlos gewesen wäre. Doch manchmal hält das Leben Überraschungen bereit, zum Beispiel in Form eines geänderten Steuerbescheides mit erheblich niedrigeren Einkünften als im Ursprungsbescheid. Ist ein Antrag auf Günstigerprüfung in diesem Fall nachträglich zulässig?

Ja, sagt der BFH. Weiterlesen

Sind vom Arbeitgeber ausgehandelte Rabatte für den privaten Kfz-Kauf zu versteuern?

Seit vielen Jahren beschäftigt die Frage, ob Zuwendungen eines Dritten bei einem Arbeitnehmer als Arbeitslohn zu versteuern sind, die Gerichte. Das BMF führt hierzu unter anderem aus (BMF-Schreiben vom 20.1.2015, BStBl 2015 I S. 143): Preisvorteile, die Arbeitnehmern von dritter Seite eingeräumt werden, sind Arbeitslohn, wenn sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellen und wenn sie im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Ein überwiegend eigenwirtschaftliches Interesse des Dritten schließt die Annahme von Arbeitslohn dagegen in der Regel aus. Arbeitslohn liegt auch dann nicht vor, wenn und soweit der Preisvorteil auch fremden Dritten üblicherweise im normalen Geschäftsverkehr eingeräumt wird (z. B. Mengenrabatte).

Nun hat sich das FG Rheinland-Pfalz mit der Deutschen liebsten Kindes befasst, nämlich dem Auto, genauer gesagt mit der Gewährung von Großkundenrabatten, die Arbeitnehmer erhalten, wenn sie einen Pkw bei einem bestimmten Hersteller bzw. dessen Händlern erwerben. Und es hat zugunsten der Mitarbeiter entschieden, dass die Rabatte nicht als Arbeitslohn versteuert werden müssen (Urteil vom 9.9.2020 – 2 K 1690/18). Weiterlesen

Gleichgeschlechtliche Ehe: Jetzt noch Zusammenveranlagung für Altjahre beantragen

Viele gleichgeschlechtliche Paare haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Sie sollten nun aber eine wichtige steuerliche Frist beachten: Sie können nämlich bis zum 31.12.2020 rückwirkend die Zusammenveranlagung beantragen – und zwar für alle Jahre bis zum Beginn der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dies ist auch dann möglich, wenn die Steuerbescheide bereits bestandskräftig sind.

Voraussetzung ist, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum 31.12.2019 in eine Ehe umgewandelt worden ist (Artikel 97 § 9 Abs. 5 AO-Einführungsgesetz 2019, eingeführt durch das „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“). Weiterlesen

Nun ist es amtlich: Kinder gehören nicht zur Existenzgrundlage!

Nach der aktuellen Gesetzeslage seit 2013 sind Kosten eines Zivilprozesses nur dann als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd absetzbar, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt und “wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können” (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG).

Wie der BFH soeben entschieden hat, sind Zivilprozesskosten auch dann vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen, wenn sie für einen Umgangsrechtsstreit zwecks Rückführung eines entführten Kindes aus dem Ausland zurück nach Deutschland entstanden sind (BFH 13.8.2020, VI R 15/18).

Der Sachverhalt in Kürze: Weiterlesen

Auch ein Pool-Arbeitsplatz kann ein „anderer Arbeitsplatz“ sein

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind bis zu 1.250 Euro als Werbungskosten absetzbar, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit „kein anderer Arbeitsplatz“ zur Verfügung steht. Naturgemäß ranken sich um das Tatbestandsmerkmal „kein anderer Arbeitsplatz“ des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zahlreiche Streitigkeiten, so zum Beispiel, ob auch ein Pool-Arbeitsplatz im Rahmen des „Desk Sharing“ ein „anderer Arbeitsplatz“ sein kann.

Der BFH hatte hierzu im Jahre 2014 entschieden, dass zwar auch ein Pool-Arbeitsplatz grundsätzlich ein „anderer Arbeitsplatz“ sein kann, doch nur dann, wenn der Mitarbeiter ihn „in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann.“ Ist die Nutzung des Pool-Arbeitsplatzes hingegen eingeschränkt, so dass der Mitarbeiter in seinem häuslichen Arbeitszimmer einen Teil seiner beruflichen Tätigkeit verrichten muss, sind die Arbeitszimmerkosten bis zu 1.250 Euro im Jahr als Werbungskosten absetzbar (BFH-Urteil vom 26.2.2014, VI R 37/13). Das heißt zum Beispiel: Ein Pool-Arbeitsplatz, bei dem sich acht Großbetriebsprüfer drei Arbeitsplätze für die vor- und nachbereitenden Arbeiten der Prüfungen teilen, steht nicht als anderer Arbeitsplatz i.S. von § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zur Verfügung, wenn er zur Erledigung der Innendienstarbeiten nicht in dem erforderlichen Umfang genutzt werden kann.

Jüngst hat das FG Hessen – leider zuungunsten eines Arbeitnehmers – entschieden, dass dem Arbeitnehmer im Betrieb seines Arbeitgebers auch dann ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, wenn ihm morgens jeweils ein anderer Arbeitsplatz im Rahmen des „Desk Sharing“ zugewiesen wird (Urteil vom 30.7.2020, 3 K 1220/19). Weiterlesen

Aufreger des Monats November: Mehrwertsteuer-Digitalpaket – ein sprachliches Desaster

In den drei letzten Tagen hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, mich mit dem Mehrwertsteuer-Digitalpaket, auch als E-Commerce-Paket bezeichnet, zu befassen. Das Digitalpaket ist Teil des Jahressteuergesetzes 2020. Voraussichtlich werden die Änderungen durch das Digitalpaket nicht – wie zunächst vorgesehen – am 1. Januar, sondern erst am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Die einzelnen Änderungen sollen hier nicht vorgestellt werden; insofern kann auf die entsprechenden Blog-Beiträge von Herrn Dr. Wengerofsky („Neue verschärfte Regeln für elektronische Marktplatzbetreiber im Umsatzsteuerrecht“) und auf die Berichterstattung in den Fachzeitschriften verwiesen werden.

Mir geht es vielmehr darum, abermals den Zustand des Umsatzsteuerrechts zu beklagen. In meinem entsprechenden Blog-Beitrag vom 17. Juli dieses Jahres habe ich ihn bereits als „beschämend“ bezeichnet. Seinerzeit habe ich ausgeführt: „Ich habe den Eindruck, dass den handelnden Personen, sei es der Gesetzgeber, seien es die Richter des V. und XI. BFH-Senats, seien es die Verantwortlichen des BMF-Referats, überhaupt nicht (mehr) klar ist, dass ein ´funktionierendes´ und durchschaubares Umsatzsteuerrecht essentiell für das wirtschaftliche Handeln in Deutschland und Europa ist.“

Nun möchte ich Ihnen folgenden Satz aus der Gesetzesbegründung des neuen § 3 Absatz 3a UStG vorstellen:

„Ein Unternehmer unterstützt eine Lieferung im Sinne des § 3 Absatz 3a Satz 1 UStG oder einen Fernverkauf im Sinne des § 3 Absatz 3a Satz 2 UStG unter den Voraussetzungen des Artikels 5b der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 77 vom 23.3.2011, S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/2026 des Rates vom 21. November 2019 (ABl. L 313 vom 4.12.2019, S. 14).“

Sie denken, dass sei ein Einzelfall? Weit gefehlt. Hier eine weitere Kostprobe: Weiterlesen