Grundsteuerreform: Bundesländer lenken ein – Nachweis niedrigerer Verkehrswerte nun möglich

Mein Blogger-Kollege Professor Ralf Jahn hat in dem Beitrag „Update: Neuigkeiten von der Grundsteuer vor den Finanzgerichten“ bereits die BFH-Beschlüsse vom 27.5.2024, II B 78/23 (AdV) und II B 79/23 (AdV), vorgestellt. Im Rahmen zweier Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat der BFH entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall und unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachzuweisen. Mit verfassungsrechtlichen Zweifeln bezüglich der zugrundeliegenden Bewertungsregeln hat sich der BFH allerdings nicht befasst.

Immerhin haben sich die betroffenen Bundesländer nun darauf verständigt, den Nachweis eines niedrigeren Grundsteuerwerts zu akzeptieren (Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass vom 24.6.2024, S 3017). Um Missverständnisse auszuschließen: Es ging in den BFH-Verfahren nur um die Fälle des so genannten Bundesmodells. Weiterlesen

Fahrten von Leiharbeitern zur Tätigkeitsstätte – neues Verfahren beim BFH

Viele Zeit- bzw. Leiharbeitnehmer sind der Auffassung, dass sie ihre Fahrtkosten zum jeweiligen Tätigkeitsort nach Dienstreisegrundsätzen geltend machen und gegebenenfalls sogar Mehraufwendungen für Verpflegung abziehen können. Naturgemäß hat die Finanzverwaltung dazu eine ganz eigene Meinung und lässt zumeist lediglich die Entfernungspauschale und schon gar keine Verpflegungsmehraufwendungen zum Abzug zu. Allerdings ist die Rechtslage auch schwierig.

Es gilt: Der Betrieb des Entleihers ist die erste Tätigkeitsstätte, wenn Leiharbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung des Kunden dauerhaft zugeordnet sind. Von einer dauerhaften Zuordnung zum Entleiher ist dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder von vornherein über einen Zeitraum von 48 Monaten an einer Tätigkeitsstätte tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG). Bei Leiharbeitnehmern, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Verleiher stehen, hat der BFH entschieden, dass bei nur befristeten Einsätzen im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses keine dauerhafte Zuordnung zur Entleihfirma und damit dort keine erste Tätigkeitsstätte besteht (BFH-Urteil vom 12.5.2022, VI R 32/20). Weiterlesen

Leasing mit Beginn im Dezember – das Ende eines schönen Steuermodells

Eine Leasingsonderzahlung, die Einnahmen-Überschussrechner bei Leasingbeginn für ihren Firmenwagen leisten, führt im Umfang der betrieblichen Kfz-Nutzung grundsätzlich zu sofort abziehbaren Betriebsausgaben. Das Prinzip des Sofortabzugs haben sich viele Einnahmen-Überschussrechner zunutze gemacht. Konkret wurde der Leasingbeginn oftmals auf den Dezember gelegt und wie durch ein Wunder betrug die betriebliche Fahrleistung ausgerechnet in diesem Monat nahezu 100 Prozent. Folge sollte ein fast vollständiger Abzug der Leasingsonderzahlung sein – und zwar auch dann, wenn das Kfz in den Folgejahren erheblich weniger betrieblich genutzt oder aber zur so genannten Ein-Prozent-Regelung übergegangen wird.

Allerdings wurde das Modell offenbar so weit auf die Spitze getrieben, dass es der Finanzverwaltung eines Tages zu bunt wurde. Und so hat sie zum Halali auf das Dezember-Leasing-Modell geblasen. Spätestens jetzt war die Finanzverwaltung erfolgreich: Der BFH hat dem Modell nun (zumindest) für die Fälle den Boden entzogen, in denen das geleaste Fahrzeug nicht dauerhaft, also über die gesamte Leasinglaufzeit, zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird (BFH-Urteil vom 12.3.2024, VIII R 1/21).  Weiterlesen

Aufreger des Monats Juli 2024: Grenze für unschädliches Vermögen bei Unterhaltsleistungen bleibt bei 15.500 Euro

Unterhaltsleistungen i.S. des § 33a Abs. 1 EStG sind bis zu einem bestimmten Höchstbetrag abziehbar, der jedes Jahr angepasst wird und sich am Grundfreibetrag orientiert. Der Unterhaltshöchstbetrag wird zum einen um eigene Einkünfte und Bezüge des Unterhaltenen gekürzt wird, soweit diese 624 Euro im Jahr übersteigen. Zum anderen – und das gerät manchmal in Vergessenheit – darf die unterhaltene Person nur ein geringes Vermögen besitzen. Ein angemessenes Hausgrundstück bleibt unberücksichtigt.

Das Vermögen darf maximal einen Wert von 15.500 Euro haben (R 33a.1 Abs. 2 EStR). Die Vermögensgrenze von 15.500 Euro besteht sage und schreibe seit dem Jahre 1975 (damals 30.000 DM). Dennoch hatte das FG Rheinland-Pfalz entschieden, dass die Grenze für das geringfügige Vermögen in Höhe von 15.500 Euro auch im Jahr 2019 noch zu beachten ist (FG Rheinland-Pfalz vom 26.8.2021, 6 K 1098/21). Für mich durchaus überraschend hat der BFH die Entscheidung, soweit es um die Höhe des unschädlichen Vermögens geht, soeben bestätigt. Immerhin hat er aber klargestellt, dass die monatlichen Unterhaltsleistungen nicht in die Vermögensberechnung einzubeziehen sind. Das war im Streitfall bedeutsam, so dass der Klage letztlich doch stattgegeben wurde (BFH-Urteil vom 29.2.2024, VI R 21/21).

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Führt der Empfang zur Verabschiedung eines Vorstands zu Arbeitslohn?

Treten Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer in den Ruhestand, lässt es sich der Arbeitgeber üblicherweise nicht nehmen, ihnen zum Abschied ein schönes Fest zu bescheren. Die Frage ist dann, ob die Aufwendungen des Arbeitgebers zu Arbeitslohn führen. Würde die Frage bejaht, würde sich die Freude über das Fest erheblich verringern, auch wenn der Arbeitgeber die Pauschalversteuerung nach § 37b EStG wählen sollte.

Aufatmen lässt aber ein aktuelles Urteil des Niedersächsischen FG: Veranstaltet ein Arbeitgeber anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitnehmers einen Empfang, kann entgegen R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR auch bei Überschreiten der Freigrenze von 110 Euro eine betriebliche Veranstaltung vorliegen, die nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.4.2024, 8 K 66/22). Weiterlesen

Schuldzinsen: Nur anteiliger Abzug nach anteiliger Immobilienschenkung?

Übertragen Eltern eine vermietete Immobilie auf Sohn oder Tochter, werden die Darlehen oftmals zurückbehalten. Was die Kinder erfreut, ist ertragsteuerlich allerdings nachteilig, denn es gilt: Überträgt der Grundstückseigentümer ein Grundstück unter Zurückbehaltung der Darlehensverpflichtung schenkweise auf seine Kinder, so verlieren die Schulden ihre Objektbezogenheit und gehen in den privaten, nicht mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Bereich über (BFH-Urteil vom 30.1.1990, IX R 182/84).

Doch gilt dieser Grundsatz auch, wenn das Kind lediglich einen Miteigentumsanteil an einer vermieteten Immobilie erhält? Wahrscheinlich ist man schnell geneigt, auf diese Frage mit einem klaren „Ja“ zu antworten. Und in der Tat hat das Niedersächsische FG auch in diesem Sinne geurteilt (Urteil vom 13.12.2023, 3 K 162/23). Doch aufgrund des BFH-Beschlusses vom 27.4.2017 (IV B 53/16) wurde die Revision zugelassen – und diese liegt unter dem Az. IX R 2/24 vor.

Der Sachverhalt:

Der Vater war zunächst Alleineigentümer eines vermieteten Grundstücks. Zur Finanzierung des Erwerbs nahm er insgesamt drei Darlehen auf. Zum 1. Juli 2019 übertrug der Vater einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege vorweggenommener Erbfolge auf seinen Sohn, so dass eine vermögensverwaltende GbR entstanden ist. Der Sohn übernahm zwar auch die Grundschuld entsprechend seinem Miteigentumsanteil, doch zu einer vertraglichen Schuldübernahme oder einem Schuldbeitritt ist es nicht gekommen. Die nunmehr bestehende Vermietungs-GbR machte im Jahre 2020 Darlehenszinsen aus den Darlehen des Vaters in Höhe von rund 60.000 Euro als Sonderwerbungskosten geltend.

Das Finanzamt berücksichtigte die Schuldzinsen hingegen nur entsprechend dem Miteigentumsanteil des Vaters. Die übrigen Zinsen blieben unberücksichtigt. Die hiergegen gerichtete Klage wurde zurückgewiesen. Schenkt der Vater seinem Sohn einen Miteigentumsanteil an einer vermieteten Immobilie, ohne die Darlehen anteilig mit zu übertragen, so kann er seine Schuldzinsen anschließend nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen – so das FG.

Die Begründung:

Der Vater habe einen Miteigentumsanteil an dem Gebäude schenkweise und damit aus privaten, nicht mit der Einkünfteerzielung im Zusammenhang stehenden Gründen auf seinen Sohn übertragen. Da das Darlehen der Finanzierung des gesamten Gebäudes diente, werde mit der Übertragung eines Miteigentumsanteils auf den Sohn der Finanzierungszusammenhang des Darlehens mit dem Gebäude anteilig zu dem übertragenen Miteigentumsanteil gelöst. Bei Grundstücken des Betriebsvermögens habe der BFH zwar hiervon abweichend entschieden (BFH-Beschluss vom 27.4.2017, IV B 53/16). Die Entscheidung sei aber auf den Streitfall nicht übertragbar, da es hier um ein Grundstück des Privatvermögens geht.

Denkanstoß:

Der BFH-Beschluss lautet: Wird ein fremdfinanziertes Grundstück des Sonderbetriebsvermögens unter Zurückbehaltung der Darlehensverbindlichkeit unentgeltlich in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft zum Buchwert übertragen, so ist die Darlehensverbindlichkeit bei der anderen Mitunternehmerschaft als negatives Sonderbetriebsvermögen in voller Höhe zu erfassen. Die aufgewendeten Darlehenszinsen sind in voller Höhe als Sonderbetriebsaufwand abzugsfähig.

Der BFH muss nun in der Revision zum Besprechungsurteil entscheiden, ob es sachlich gerechtfertigt ist, den Sachverhalt bei einer vermögensverwaltenden GbR anders zu behandeln als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Die Entscheidung wird spannend sein und ich wage keine Prognose.

Häusliches Arbeitszimmer: BFH muss zu den Aufzeichnungspflichten entscheiden

Nach § 4 Abs. 7 EStG müssen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufgezeichnet werden. Das gilt natürlich nur bei der Gewinnermittlung und nicht bei Arbeitnehmern. Der BFH muss sich nun aber mit der Frage befassen, wie und vor allem wann ein Steuerpflichtiger der Aufzeichnungspflicht nachkommen muss.

Konkret lautet die Rechtsfrage in dem Verfahren VIII R 6/24: Sind die Anforderungen an die Aufzeichnungspflichten für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gemäß § 4 Abs. 7 EStG bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit gemäß § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahme-Überschussrechnung ermittelt, in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht nur dann erfüllt, wenn sämtliche Aufwendungen einzeln fortlaufend in einem gesonderten Dokument oder Datensatz aufgezeichnet werden? Weiterlesen

Steuerfreie Nachtzuschläge: Erfreuliches Urteil zum „Grundlohn“ bei Bereitschaftsdiensten

Die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit (SFN-Zuschläge) regelt § 3b EStG. Vor einiger Zeit hatte ich in dem Blog-Beitrag „Steuerfreie Zuschläge für Nachtarbeit: Aufzeichnungen sind kein Selbstzweck“ darauf hingewiesen, dass die Finanzverwaltung an die Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers keine überbordenden Anforderungen stellen darf. Dabei verwies ich auf ein Urteil des Schleswig-Holsteinisches FG vom 9.11.2022 (4 K 145/20).

Zudem hatte ich vor wenigen Monaten ein BFH-Urteil vorgestellt, in dem es um die Frage ging, wie der Grundlohn zu bemessen ist, der bei der Höhe der maximal zulässigen SFN-Zuschläge eine entscheidende Rolle spielt. Das BFH-Urteil lautet: Der für die Bemessung der Steuerfreiheit von Zuschlägen zur Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit maßgebende Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum arbeitsvertraglich zusteht.

Ob und in welchem Umfang der Grundlohn dem Arbeitnehmer tatsächlich zufließt, ist für die Bemessung der Steuerfreiheit der Zuschläge daher ohne Belang (BFH-Urteil vom 10.8.2023, VI R 11/21; Blog-Beitrag „Steuerfreie SFN-Zuschläge: Erneute Niederlage für die Finanzverwaltung„). Nun hat der BFH in einem weiteren Verfahren abermals zugunsten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entschieden.

Die Leitsätze lauten: Die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Bereitschaftsdienste, die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht und gesondert vergütet werden, bemisst sich nach dem Arbeitslohn für die regelmäßige Arbeitszeit und nicht nach dem Bereitschaftsdienstentgelt (entgegen Senatsurteil vom 27.8.2002, VI R 64/96, BFHE 200, 240, BStBl II 2002, 883). Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer für die zuschlagsbewehrte Tätigkeit neben den Erschwerniszuschlägen einen Anspruch auf Grundlohn hat (BFH-Urteil vom 11.4.2024, V R 1/22).

Der Sachverhalt

Die Klägerin betreibt eine Förderschule mit angeschlossenem Internat für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen. Diese in Wohngruppen lebenden Kinder und Jugendlichen wurden von dem Betreuungspersonal ganztägig betreut. Die Betreuerinnen und Betreuer verbrachten auch die Nacht in den jeweiligen Wohngruppen. Für die Ableistung des Bereitschaftsdienstes erhielten die Mitarbeiter ein Viertel des regulären Gehalts („Tabellenentgelt“) und in den Nachtstunden je Stunde einen Zuschlag in Höhe von 15 Prozent des auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelts.

Das Finanzamt wollte diese Zuschläge teilweise versteuern. Aufgrund der geringeren Beeinträchtigung beim Bereitschaftsdienst im Vergleich zum regulären Dienst sei die Grenze nicht auf der Grundlage des regulären Stundenlohns zu berechnen, sondern lediglich auf der Grundlage der Bereitschaftsentschädigung, die nur 25 Prozent der eigentlichen Vergütung betrage. Doch diese Auffassung hat der BFH – ebenso wie schon die Vorinstanz – verworfen.

Die Begründung

Auch wenn das Bereitschaftsdienstentgelt nicht zum laufenden Arbeitslohn und damit nicht zum Grundlohn gemäß § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG gehört, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht, werden die während der Nachtbereitschaft verdienten Zuschläge nicht nur neben dem Bereischaftsdienstentgelt, sondern jedenfalls auch neben dem – weil zusätzlich hierzu gewährten – Grundlohn geleistet.

Die Höhe der Steuerfreiheit der Nachtarbeitszuschläge ist nicht nach dem (anteilig) für den Bereitschaftsdienst gezahlten Bereitschaftsdienstentgelt, sondern nach dem vollen auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelt zu bemessen. Denn nur das Tabellenentgelt ist der Grundlohn im Sinne von § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG und damit die maßgebliche Größe, nach der die Steuerfreiheit der Zuschläge der Höhe nach zu berechnen ist.

Denkanstoß

Das BFH-Urteil ist erfreulich und erweitert – wie schon das Urteil VI R 11/21 – den Spielraum für die Gewährung von SFN-Zuschlägen. Bei dem im ersten Leitsatz erwähnten BFH-Urteil vom 27.8.2002 (VI R 64/96) hatte der BFH entschieden: Ist in begünstigten Zeiten des § 3b EStG Rufbereitschaft angeordnet, sind Zuschläge zur Rufbereitschaftsentschädigung steuerfrei, soweit sie die in § 3b EStG vorgesehenen v.H.-Sätze, gemessen an der Rufbereitschaftsentschädigung, nicht übersteigen.

Insofern kann das jetzige Urteil also durchaus als Abkehr vor der bisherigen – wesentlich restriktiveren – Rechtsprechung gewertet werden.

Beschränkung der betragsmäßigen Verlustverrechnung bei Termingeschäften – Hauptsacheverfahren liegt nun vor

Kürzlich hatte ich auf den BFH-Beschluss vom 7.6.2024 hingewiesen, wonach die obersten Steuerrichter die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften für verfassungswidrig halten (BFH-Beschluss vom 7.6.2024, VIII B 113/23 (AdV)). Nun liegt bereits ein Hauptsachverfahren vor (VIII R 11/24). Vorinstanz war das FG Baden-Württemberg, das allerdings keine Bedenken gegen die Einschränkung der Verlustverrechnung hat. (Urteil vom 29.4.2024, 10 K 1091/23) – hier der Link zum Beitrag.

Zum Hintergrund:

Zum 1.1.2021 wurde mit § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG (i.d.F. des Jahressteuergesetzeses 2020) geregelt, dass Verluste aus Termingeschäften nur mit maximal 20.000 Euro pro Jahr mit Gewinnen aus anderen Termingeschäften oder Stillhalterprämien verrechnet werden können. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils auch nur in Höhe von maximal 20.000 Euro verrechnet werden. Wer mit seinen Termingeschäften also nur ein einziges Mal „richtig danebenlag“, muss schon extrem alt werden und jahrzehntelang Gewinne erzielen, um die vollständige Verrechnung des Verlustes erleben zu können.

Die Entscheidung des FG:

Der Gesetzgeber habe die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht willkürlich überschritten. Die Einführung eines besonderen Verlustverrechnungskreises und dessen Ausgestaltung erscheinen sachlich gerechtfertigt. Der Senat erkenne einen sachlich rechtfertigenden Grund für die mit der Einschränkung der Verlustverrechnung verbundene Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Dem Gesetzgeber stehe es grundsätzlich frei, spekulative Finanzgeschäfte steuerlich unattraktiv zu machen (Lenkungsziel). Für diesen Zweck sei es zulässig, die Gewinne aus Termingeschäften sofort in voller Höhe zu versteuern, aber die jährliche Abziehbarkeit von Verlusten durch einen Höchstbetrag zu begrenzen. Die Begrenzung des Verlustausgleichs auf 20.000 Euro bewirke innerhalb des Verrechnungskreises eine Mindestbesteuerung, deren Effekte hinzunehmen sind, solange finale Effekte im Rahmen zulässiger Typisierung vernachlässigt werden können. Die Betragsgrenze, ab der die Mindestbesteuerung einsetzt, sei einer sachlichen Rechtfertigung nicht zugänglich. Die Vorschrift sei das Ergebnis eines politischen Kompromisses. Die Regelung verstoße auch nicht gegen das Übermaßverbot, da der Verlustabzug nicht vollständig versagt wird, sondern eine Vortragsmöglichkeit in Folgejahre besteht.

Denkanstoß:

Das Urteil und vor allem die Begründung des FG Baden-Württemberg kann man sicherlich kritisieren. Es lohnt aber letztlich nicht, sich lange damit aufzuhalten, denn die Sache liegt jetzt beim BFH. Es wird nun spannend sein, wie dieser urteilen wird bzw. ob er das BVerfG anruft. Nach seinem oben erwähnten AdV-Beschluss spricht jedenfalls einiges dafür, dass Karlsruhe „eingeschaltet“ wird.

Beschränkung der betragsmäßigen Verlustverrechnung bei Termingeschäften – auch der BFH hat ernsthafte Zweifel

Anfang Februar hatte ich bereits darauf hingewiesen, dass das FG Rheinland-Pfalz in einem AdV-Verfahren Bedenken gegen die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften geäußert hat (FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.12.2023, 1 V 1674/23). Soeben hat der BFH diese Bedenken geteilt und der AdV ebenfalls entsprochen. Der BFH hält die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung für verfassungswidrig (BFH-Beschluss vom 7.6.2024, VIII B 113/23 (AdV)).

Zum Hintergrund

Zum 1.1.2021 wurde mit § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG (i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020) geregelt, dass Verluste aus Termingeschäften nur mit maximal 20.000 Euro pro Jahr mit Gewinnen aus anderen Termingeschäften oder Stillhalterprämien verrechnet werden können. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils auch nur in Höhe von maximal 20.000 Euro verrechnet werden. Wer mit seinen Termingeschäften also nur ein einziges Mal „richtig danebenlag“, muss schon extrem alt werden und jahrzehntelang Gewinne erzielen, um die vollständige Verrechnung des Verlustes erleben zu können.

Der Sachverhalt

Ein Steuerpflichtiger erklärte in 2021 Kapitalerträge aus Termingeschäften in Höhe von 250.631 Euro und Verluste aus entsprechenden Geschäften in Höhe von 227.289 Euro. Das Finanzamt verrechnete die laufenden Verluste aus Termingeschäften nur in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften. Die noch nicht verrechneten laufenden Verluste in Höhe von 207.289 Euro berücksichtigte es lediglich in der Verlustfeststellung. Hiergegen wandte sich der Steuerpflichtige und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Weiterlesen