Wie bereits in meinem Blog-Beitrag „Einkommensteuervordrucke 2020 oder vertraue niemals einer amtlichen Anleitung“ geschrieben, gibt es für den Veranlagungszeitraum 2020 erstmals die Anlage R-AUS. Sie ist von Steuerzahlern auszufüllen, die Renten aus dem Ausland beziehen, das heißt aus ausländischen Versicherungen, ausländischen Rentenverträgen oder ausländischen betrieblichen Versorgungseinrichtungen. Wer die Anlage R-AUS studiert und die amtliche Anleitung dabei hinzuzieht, kommt aber zumindest als steuerlich interessierter Leser kaum umhin, Kritik üben zu müssen. Weiterlesen
Archiv des Autors: Christian Herold
Einkommensteuervordrucke 2020 oder vertraue niemals einer amtlichen Anleitung
Wie auch in den Vorjahren, so verbringe ich auch dieses Jahr einen großen Teil des Januars damit, Ausfüllhilfen zu den Steuererklärungsvordrucken zu erstellen. Und wie jedes Jahr finde ich immer wieder Stellen in den Vordrucken, die mich ins Grübeln bringen. Dabei ist allein schon die Flut der Vordrucke zur Einkommensteuererklärung gewaltig. Allein in diesem Jahr sind die Anlage Energetische Maßnahmen, die Anlage R-AV / bAV, die Anlage R-AUS und die Anlage Corona-Hilfen hinzugekommen. Weiterlesen
Ausbildung zum Rettungshelfer während des Zivildienstes rettet Werbungskostenabzug nicht
Bekanntermaßen sind Kosten einer Erstausbildung steuerlich nur als Sonderausgaben anziehbar und laufen damit in schöner Regelmäßigkeit ins Leere. Eine Ausnahme gilt für eine Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses. Das Bundesverfassungsgericht hat unter anderem dem Piloten in aller Ausführlichkeit erklärt, dass sie nicht für ihren Beruf, sondern fürs Leben gelernt haben, auch wenn ihre Ausbildung 80.000 Euro oder mehr gekostet hat. Das ist ein tröstlicher Gedanke für alle Piloten während der Corona-Pandemie (bitte entschuldigen Sie meinen Sarkasmus).
Gut fährt – und fliegt – hingegen, wer zum Beispiel vor der Pilotenausbildung eine Erstausbildung absolviert hat. Dann führen die Kosten der Zweitausbildung zu Werbungskosten und „Verluste“ sind gegebenenfalls in Folgejahre vorzutragen.
Zu Beginn des Jahres 2015 hat der Gesetzgeber in § 9 Abs. 6 EStG Mindeststandards für die Annahme einer Erstausbildung gesetzt. Eine Berufsausbildung als Erstausbildung liegt danach nur dann vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Weiterlesen
Keine Änderung bei den anschaffungsnahen Herstellungskosten – vorerst
Aufwendungen für die Instandsetzung und Modernisierung einer Immobilie, die in den ersten drei Jahren nach deren Erwerb getätigt werden, sind nicht sofort abziehbar, wenn die Investitionen insgesamt 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Man spricht insoweit von anschaffungsnahen Herstellungskosten.
Kürzlich hatte der BFH entschieden, dass bereits vor dem Erwerb getätigte Aufwendungen aber nicht in die Prüfung der 15-Prozent-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG einzubeziehen sind (BFH-Beschluss vom 28.4.2020, IX B 121/19). Diese Entscheidung ermöglicht im Einzelfall Gestaltungen. Insbesondere bei einem Hauskauf von einem nahen Angehörigen könnte daran gedacht werden, aufwendige Erhaltungsmaßnahmen direkt nach der Unterzeichnung des Notarvertrages, aber noch vor dem Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten vorzunehmen. So könnten die entsprechenden Kosten sofort in voller Höhe steuermindernd geltend gemacht werden und nicht nur mittels der AfA von zumeist nur 2 Prozent pro Jahr.
Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Beschlusses witterte der Gesetzgeber offenbar Ungemach und – wie so oft – war er schnell mit einem gesetzlichen Änderungsvorschlag dabei. Nach der Bundesrats-Drucksache 503/1/20 vom 28.9.2020 wurde folgende Gesetzesänderung empfohlen: Weiterlesen
Erbschaftsteuer: Altersbedingter Umzug schädlich für Steuerbefreiung der Eigenheim-Übertragung
Die Vererbung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie an den Ehegatten bzw. Lebenspartner oder an Kinder, Stiefkinder oder Kinder verstorbener Kinder ist erbschaftsteuerfrei, und zwar zusätzlich zu bzw. unabhängig von den persönlichen Freibeträgen. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist jedoch, dass der Erblasser das Eigenheim vor dem Erbfall selbst bewohnt hat und die Erben die Immobilie nach der Erbschaft zehn Jahre lang selbst zu Wohnzwecken nutzen.
Fallen die Voraussetzungen innerhalb von zehn Jahren weg, entfällt die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG). Eine Ausnahme gilt (nur), wenn der Erwerber aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist.
Das Tatbestandsmerkmal „zwingende Gründe“ wird durch den BFH und die Finanzgerichte leider äußerst eng ausgelegt. So hat das FG Hessen entschieden, dass selbst ernsthafte psychische Gründe für den Auszug aus dem Familienheim nicht ausreichen, um die Steuerbefreiung zu behalten (FG Hessen, Urteil vom 10.5.2016, 1 K 877/15). Um es spitz zu formulieren: Psychische Gründe sind keine zwangsläufigen Gründe (vgl. dazu meinen Blog-Beitrag „FGs haben kein Einsehen bei psychischen Krankheiten von Steuerpflichtigen“).
Nun hat das FG Düsseldorf entschieden, dass „übliche“ altersbedingte Einschränkungen ebenfalls keine zwingenden Gründe für einen Auszug aus dem Familienheim innerhalb der Zehn-Jahres-Frist sind und die Steuerbefreiung für den Erwerb des Familienheims folglich rückwirkend entfällt (Urteil vom 8.1.2020, 4 K 3120/18 Erb). Weiterlesen
Umsatzsteuer-Philosophie – Teil 6
Die Umsatzsteuer bestimmt unser Wirtschaftsleben. Kaum ein Vorgang, der nicht irgendwie umsatzsteuerlich gewürdigt werden müsste. Umso seltsamer ist es, dass es kaum Rechtssicherheit in diesem Bereich gibt. Nehmen wir einmal die unsägliche temporäre Absenkung der Umsatzsteuersätze für ein halbes Jahr. Viele Unternehmer mussten selbst bei hohen Beträgen mitunter in wenigen Tagen entscheiden, welcher Umsatzsteuersatz maßgebend war. Für verbindliche Auskünfte oder Zolltarifauskünfte war keine Zeit, wenn diese denn überhaupt erteilt worden wären.
Was also geschieht? Es musste eine Entscheidung her. Dabei ging es zuallermeist nicht um steuerliche Gestaltungen. Nein, es sollte einfach nur die „richtige“ Entscheidung sein.
Wann aber erfahren wir, ob die Entscheidung richtig war? Und von wem? Der Geschehensablauf ist zuweilen der Folgende: Weiterlesen
Aufreger des Monats Januar: Horrende Belastung von Kapitalabfindungen der bAV ist verfassungsgemäß
Jahrelang hieß es, Arbeitnehmer sollen die betriebliche Altersvorsorge (bAV) nutzen, da ihre Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung zunehmend gekürzt worden sind. Nachdem die Politik erst einmal Millionen Rentner von den vermeintlichen Vorteilen der bAV überzeugt hatte, kam sie auf den „genialen“ Trick, nun könne man für Kapitalleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung, insbesondere für Direktversicherungen, Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung verlangen. Gegen die Einbeziehung von Kapitalleistungen in die Beitragspflicht sind viele betroffene Rentner und Arbeitnehmer Sturm gelaufen und tun dies noch heute. Sie fühlen sich vom Staat verschaukelt.
Aber es hilft nichts
Das BSG hat in zahlreichen Urteilen immer wieder entschieden, dass gegen die Einbeziehung von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Das Bundesverfassungsgericht hat Verfassungsbeschwerden zu dem Thema – wenn ich mich recht erinnere – nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 7.4.2008, 1 BvR 1924/07; BVerfG-Beschluss vom 28.2.2008, 1 BvR 2137/06; BSG-Urteile vom 26.2.2018, B 12 KR 13/18 R und B 12 KR 17/18 R).
Und wie sieht es steuerlich aus? Weiterlesen
Wenn der Biber den Garten des Eigenheims verwüstet …
… hat der Hausbesitzer zwar ein nettes Tier auf seinem Grundstück, muss die Schäden aber in Kauf nehmen. Zumindest stellen die Aufwendungen für die Beseitigung oder zur Vermeidung von Schäden keine außergewöhnliche Belastung dar – so der BFH mit Urteil vom 1.10.2020 (VI R 42/18).
Der Sachverhalt in Kurzform:
Die Kläger bewohnen ein Einfamilienhaus, dessen Garten an ein natürliches Gewässer angrenzt, in dem sich in den letzten Jahren – sehr zur Freude der Naturschützer – der in Deutschland fast ausgestorbene Biber wieder angesiedelt hat. Diese Freude konnten die Kläger nur bedingt teilen, da die Biber auf ihrem Grundstück erhebliche Schäden anrichteten. So senkte sich durch die Anlage des Biberbaus nicht nur ein Teil der Rasenfläche ab, betroffen war auch die Terrasse, die auf ca. 8 m Länge zu einem Drittel absackte. Dem standen die Kläger relativ machtlos gegenüber, da die Biber unter strengem Naturschutz stehen und daher weder bejagt noch vergrämt werden dürfen. Im Einvernehmen mit der Naturschutzbehörde ließen die Kläger schließlich eine „Bibersperre“ errichten. Deren Kosten und die Kosten für die Beseitigung der Biberschäden an Terrasse und Garten von insgesamt rund 4.000 Euro machten die Kläger als außergewöhnliche Belastung geltend. Ebenso wie zuvor bereits das FG lehnte der BFH einen Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ab. Weiterlesen
Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten, Verwaltungsräten und Kammermitgliedern
Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht als Unternehmer tätig. So hat der BFH entgegen der früheren Auffassung mit Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19/V R 62/17) entschieden. Er begründet dies mit der Rechtsprechung des EuGH zum Aufsichtsratsmitglied einer Stiftung (vgl. Urteil vom 13.6.2019, C-420/18). Maßgeblich ist, dass das Aufsichtsratsmitglied für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und dabei auch kein wirtschaftliches Risiko trägt. Letzteres ergab sich in dem vom EuGH entschiedenen Einzelfall daraus, dass das Aufsichtsratsmitglied eine feste Vergütung erhielt, die weder von der Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig war.
Da weder der EuGH noch der BFH naturgemäß zu Einzelfragen Stellung bezogen haben und auch eine Stellungnahme des BMF auf sich warten lässt, kommen nun erwartungsgemäß die Finanzgerichte zum Zuge. Weiterlesen
Nachzahlungszinsen: Stellt sich der Gesetzgeber selbst ein Bein?
Nach wie vor langt der Fiskus bei den Nachzahlungszinsen mit 0,5 Prozent pro Monat gewaltig zu und das böse Wort „Zinswucher“ ist wohl gerechtfertigt. Dennoch ist kein Ende dieses Zinswuchers in Sicht. Und trotz aller Kritik rechtfertigt der Gesetzgeber den Zinssatz nach wie vor – zumindest, wenn es um Nachzahlungszinsen geht.
In Erstattungsfällen scheint er anderer Meinung zu sein und er wird höllisch aufpassen müssen, wie er seine Gesetzesbegründung in Sachen „Verlängerung der Abgabefrist für die Steuererklärung 2019 bis zum 31. August 2021“ begründet. Vorausgesetzt natürlich, die gesetzliche Änderung kommt tatsächlich. Weiterlesen