Aufreger des Monats Juni – Kontenabrufe erreichen weiteren Rekordstand

Als die Möglichkeit des Kontenabrufs durch Finanz- und Sozialbehörden vor vielen Jahren eingeführt worden ist, hieß es, die Kontenabrufe würden mit Augenmaß vorgenommen. Doch bereits unmittelbar nach Einführung wurde klar, dass der Begriff „Augenmaß“ sehr weit ausgelegt wird. Nun liegen die Zahlen für 2020 vor und diese sind gegenüber dem Vorjahr abermals gestiegen.

Im vergangenen Jahr sind 1.014.704 Kontenabfragen erfolgt. Beim Start im Jahre 2005 waren es gerade einmal 8.700. Zusätzlich zu den Kontenabfragen der Finanz- und Sozialbehörden haben Polizei, Staatsanwaltschaften, Zoll- und Steuerfahndung weitere 289.861 (Vorjahr: 186.575) Kontenabrufe vorgenommen. Insgesamt sind dies 1.304.565 Kontenabfragen (Vorjahr: 1.101.832). Seit 2013 dürfen auch Gerichtsvollzieher das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) um einen Kontenabruf ersuchen. Seit November 2016 ist dies sogar dann zulässig, wenn die zu vollstreckenden Ansprüche weniger als 500 Euro betragen. Dies führt dazu, dass allein die Gerichtsvollzieher im Jahre 2020 über 666.000 Abrufe getätigt haben.

Irgendwie ist es ja beruhigend zu wissen, dass das Behördenwesen zumindest bei der „Kontenausspähung“ trotz der Corona-Pandemie bestens funktioniert hat. Wären doch nur die deutschen Gerichtsvollzieher – und nicht die EU – mit der Beschaffung der Corona-Impfstoffe beauftragt worden. Wir hätten die Pandemie – bei diesem Arbeitseifer – längst hinter uns gelassen. Weiterlesen

Neues BMF-Schreiben zu PV-Anlagen: Echte Vereinfachung oder Irreführung der Steuerpflichtigen?

Das BMF hat Anfang Juni eine Vereinfachung für Betreiber kleiner PV-Anlagen bis 10 kW sowie für Betreiber kleinerer Blockheizkraftwerke erlassen: Für solche Anlagen ist auf schriftlichen Antrag aus Vereinfachungsgründen ohne weitere Prüfung in allen offenen Veranlagungszeiträumen zu unterstellen, dass diese nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden.

Bei ihnen liegt grundsätzlich eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vor. Der Antrag wirkt auch für die Folgejahre. Damit müssen die Antragsteller keine Gewinnermittlung, keine Anlage EÜR und keine Anlage G erstellen. Das wird durchaus viele Betreiber erfreuen, den einen oder anderen Steuerberater vielleicht weniger. Die genauen Voraussetzungen für die Nutzung der Vereinfachungsregelung können Betroffene dem BMF-Schreiben vom 2.6.2021 (IV C 6 – S 2240/19/10006 :006) entnehmen.

Mich irritiert an dem BMF-Schreiben aber folgender Punkt: Weiterlesen

Betriebliche Altersversorgung: Verbindliche 15-Prozent-Regelung ab 2022

Angesichts der Coronakrise klingen Begriffe wie „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ und „Sozialpartnermodell“ wie aus einer anderen Zeit. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass das Gesetz seinerzeit von Andrea Nahles stolz verkündet wurde. Ja, es ist auch noch nicht sooo lange her, dass Andrea Nahles eine führende Rolle in der Bundespolitik eingenommen hatte. Jedenfalls ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz im Jahre 2017 verabschiedet worden und ein wichtiger Punkt wirft seine Schatten ins Jahr 2022 voraus.

Worum geht es?

Ein Kernelement der Neuregelung war die Möglichkeit, auf tarifvertraglicher Grundlage reine Beitragszusagen zu vereinbaren. Das war unter anderem deshalb notwendig, weil Arbeitgeber die Befürchtung hatten, Leistungszusagen nicht mehr erfüllen zu können. Zumindest war das Haftungsrisiko hoch. Weiterlesen

Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Hotelimmobilien – viele, viele Stolpersteine

Fälle, in denen zu beurteilen ist, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt, erinnern mich ein beliebtes Ratespiel, das zumeist samstags auf meinem „Haussender“ WDR 2 zu hören ist: Es wird eine Radioreportage eines Fußballspiels aus der Vergangenheit abgespielt und beim Torschuss eines Spielers angehalten. Der Hörer muss dann raten, ob der Schuss zu einem Tor geführt hat oder nicht. Zumeist wird tatsächlich nur geraten und eher selten ist sich ein Hörer sicher. Mir geht es bei Abgrenzungsfragen rund um § 1 Abs. 1a UStG ähnlich.

Ich möchte Ihnen kurz ein aktuelles Urteil des FG Köln vorstellen, das kürzlich rechtskräftig geworden ist. Die Lösung gibt es aber erst später. Zuerst dürfen Sie raten. Hier ist der Sachverhalt etwas verkürzt und leicht abgewandelt:

Ein Geschäftsgrundstück inklusive Hotelinventar wurde bis Ende 2014 zum Zwecke eines Hotelbetriebs verpachtet. Nach Kündigung durch die Pächterin stand die Immobilie leer. Rund eineinhalb Jahre später wird die Immobilie verkauft, und zwar an die M-GmbH. Das Inventar wird zeitgleich an die Betreibergesellschaft M1-GmbH veräußert. Die M-GmbH schließt unmittelbar nach dem Eigentumsübergang einen Mietvertrag mit der M1-GmbH, die den Hotelbetrieb wieder aufnimmt. Der Vorgang dürfte in dieser oder einer ähnlichen Form durchaus häufiger vorkommen.

Nun, was meinen Sie? Liegt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor? Weiterlesen

BP-Bericht entfaltet keine Bindungswirkung für die Zukunft

Betriebsprüfungsberichte sind seltsame Konstrukte. Sie erwecken zwar den Anschein eines Verwaltungsaktes, bereits am 29.4.1987 (BStBl 1988 II S. 168) hat der BFH jedoch entschieden, dass der Prüfungsbericht mangels Regelung kein solcher Verwaltungsakt ist (I R 118/83). Daher könne der BP-Bericht nicht „Gegenstand einer Verpflichtungsklage auf Änderung des Berichts“ sein. Mit Beschluss vom 6.8.2014 hat der BFH das Ergebnis bestätigt (V B 116/13). Insofern kann nur ein eventuell später ergehender Steuerbescheid angefochten werden. Andererseits enthalten BP-Berichte oftmals – neben den eigentlichen Ausführungen zu den Mehr- und Minderergebnissen – weitere Hinweise. Diese können zum Beispiel die Erfüllung von Aufzeichnungspflichten für die Zukunft betreffen.

Werden solche Hinweise in den Folgejahren missachtet, so wird die kommende Betriebsprüfung das „Versäumnis“ besonders schwer gewichten. Also hat ein BP-Bericht doch einen gewissen „Verwaltungsakt-Charakter“. Weiterlesen

Rentenurteile des BFH: Was ist nun zu tun?

Wenn ich mich derzeit mit Kollegen, aber auch mit Mandanten und Freunden unterhalte, scheint es beim Thema „Rentenurteile des BFH“ zwei Parallelwelten zu geben: Während mir die Steuerprofis immer wieder signalisieren, dass sie in der Praxis kaum Einsprüche, geschweige denn Klagen gegen eine vermeintliche Doppelbesteuerung geführt haben, erkenne ich bei den Bürgerinnen und Bürger hingegen ein großes Interesse. Weiterlesen

Ist die Beschränkung der Verlustverrechnung bei Aktienverlusten verfassungswidrig?

Der BFH hält die Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste für verfassungswidrig – so lautet die Überschrift der Pressemitteilung des BFH vom 4. Juni 2021. Nachdem in den letzten Jahren stets das Thema „Verluste bei der reinen Wertloswerdung von Aktien“, also die Ausbuchung aus dem Depot, im Vordergrund stand und der Gesetzgeber diesbezüglich mit einer betragsmäßigen Verlustbeschränkung reagiert hatte, dachte ich zunächst, es geht schon jetzt um die neue 20.000 Euro-Grenze des § 20 Abs. 6 EStG.

Doch weit gefehlt: Es geht um die ganz „klassische“ Frage, ob es zulässig ist, dass Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Aktiengewinnen und nicht mit allen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen. Der Bundesfinanzhof hält diese Einschränkung für verfassungswidrig und hat daher das Bundesverfassungsgericht angerufen (Vorlagebeschluss vom 17.11.2020, VIII R 11/18). Weiterlesen

Auslandsentsendung von Mitarbeitern: BFH entscheidet zur ersten Tätigkeitsstätte

Mitarbeiter international tätiger Konzerne werden oftmals für einige Jahre ins Ausland entsandt, um dort in einem Tochterunternehmen oder in einer Zweigniederlassung tätig zu werden. Mitunter schließen die Mitarbeiter – freiwillig oder aus einem gewissen Sachzwang heraus – eigenständige Arbeitsverträge mit dem aufnehmenden Unternehmen, während der Vertrag in der Heimat ruhend gestellt wird. Dennoch werden ihnen vom Arbeitgeber Wohnkostenzuschüsse und Reisekostenerstattungen, etwa für Flüge in die Heimat, gezahlt.

Zur alten, bis 2013 gültigen Rechtslage hatte der BFH entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der zunächst für drei Jahre und anschließend wiederholt befristet von seinem Arbeitgeber ins Ausland entsandt worden ist, dort keine regelmäßige Arbeitsstätte begründet, auch wenn er mit dem ausländischen Unternehmen für die Dauer des Entsendungszeitraums einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat (Urteil vom 10.4.2014, VI R 11/13). Doch das steuerliche Reisekostenrecht hat sich im Jahre 2014 grundlegend geändert und so war der BFH erneut gefragt. In drei Fällen, die er jüngst entscheiden hat, ging es offenbar jeweils um Mitarbeiter des VW-Konzerns, die für drei bzw. vier Jahre in die USA entsandt wurden, um dort in einem Werk des Konzerns tätig zu sein. Es wurden lokale Arbeitsverträge mit der US-Gesellschaft geschlossen. Weiterlesen

Rentenbesteuerung – was ist von den aktuellen BFH-Urteilen zu halten?

Mit Spannung sind die beiden BFH-Urteile zur möglichen Doppelbesteuerung von Renten erwartet worden. Der BFH hatte die Messlatte auch hochgelegt, da er die Urteile nicht im normalen Turnus und ohne viel Aufhebens veröffentlicht hat, sondern bereits im Vorfeld die Pressevertreter auf die mündliche Verhandlung aufmerksam gemacht und dann auch noch einen konkreten Termin für die Urteilsverkündung benannt hat. Wie dem auch sei: Die Urteile sind gesprochen und bedürfen sicherlich noch der eingehenden Analyse. Dennoch möchte ich schon jetzt die beiden Entscheidungen kurz vorstellen und bewerten.

Zunächst zu dem Verfahren X R 33/19 (Urteil vom 19.5.2021):

Der Kläger war während seiner aktiven Erwerbstätigkeit überwiegend selbständig als Steuerberater tätig. Auf seinen Antrag hin war er in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Er zahlte seine Rentenbeiträge größtenteils aus eigenem Einkommen. Dabei konnte er diese Aufwendungen nur begrenzt als Sonderausgaben abziehen. Seit 2007 erhält der Kläger eine Altersrente. Im vorliegenden Verfahren wandte er sich gegen deren Besteuerung im Jahr 2008. Das Finanzamt hatte die Rente mit einem Besteuerungsanteil von 54 % der Einkommensteuer unterworfen, so dass also ein steuerfreier Teil von 46 % verblieb.

Doch der BFH konnte im Streitfall keine Doppelbesteuerung erkennen. Eine doppelte Besteuerung wird vermieden, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse („steuerfreier Rentenbezug“) mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge. Dabei ist – nach wie vor – das Nominalwertprinzip maßgebend. Der Auffassung der Kläger, nach der die zwischen der früheren Beitragszahlung und dem heutigen bzw. künftigen Rentenbezug eintretende Geldentwertung im Rahmen der Berechnung zu berücksichtigen sei, folgte der Senat nicht. Infolgedessen können Wertsteigerungen der Renten – unabhängig davon, ob sie inflationsbedingt sind oder eine reale Erhöhung darstellen – besteuert werden. Weiterlesen

Gesundheitsprävention – das BMF hilft (nicht)

Bereits seit einigen Jahren begünstigt der Steuergesetzgeber die Leistungen von Arbeitgebern für die Gesundheitsförderung ihrer Arbeitnehmer. Bestimmte Leistungen bleiben bis 600 Euro im Jahr – früher waren es 500 Euro – steuerfrei. Doch Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn die entsprechende Regelung des § 3 Nr. 34 EStG einfach anzuwenden wäre. Der Gesetzgeber hat dies insbesondere durch den Verweis auf das Sozialgesetzbuch, konkret der §§ 20 und 20b SGB V, geschafft. Und folglich war es nur eine Frage der Zeit, bis das BMF Zweifelsfragen klären durfte. Jüngst ist dies durch ein zehn Seiten umfassendes BMF-Schreiben mit dem schönen Titel „Umsetzungshilfe zur steuerlichen Anerkennung von Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nummer 34 EStG“ geschehen (BMF-Schreiben vom 20.4.2021, IV C 5 – S 2342/20/10003 :003).

Interessierte sollten das BMF-Schreiben zur Hand nehmen, da es unter anderem darauf eingeht, wann nicht zertifizierte Präventionskurse des Arbeitgebers begünstigt sind. Weiterlesen