Grundfreibeträge 2023 und 2024 verfassungswidrig? Die nächste Einspruchswelle rollt

Die Finanzämter kämpfen derzeit noch mit der Einspruchsflut gegen die Festsetzung der neuen Grundsteuerwerte, da rollt auch schon die nächste Welle heran: Es wird in den Finanzämtern in Kürze wohl hunderttausende Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2023 und die Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheide 2024 geben. Was ist geschehen?

Zunächst zum Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht hatte vor über 25 Jahren entschieden: Das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum bildet die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden darf (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, 2 BvL 42/93). Im Klartext: Wenn der Gesetzgeber der Auffassung ist, dass das sozialhilferechtliche Existenzminimum beispielsweise bei 12.000 Euro liegt, muss der steuerliche Grundfreibetrag ebenfalls bei – mindestens – 12.000 Euro liegen.

Nun kommt es: Weiterlesen

Nebenberuf: Kein Anspruch auf Steuerbescheid ohne Vorläufigkeitsvermerk

Kann ein Freiberufler, speziell ein Anwalt, eine Tätigkeit aus rein privaten Gründen heraus betreiben, so dass bei lang andauernden Verlusten eine Liebhaberei unterstellt werden kann? Diese Frage war schon häufiger Bestandteil von finanzgerichtlichen Entscheidungen. Zugegebenermaßen habe ich zu dem Thema nicht alle Urteile der letzten 30 Jahre studiert, aber ich denke, als Fazit kann ich dennoch festhalten, dass eine Liebhaberei durchaus in Betracht kommen kann.

Doch an diese Feststellung sind seitens der Finanzverwaltung bei einem Freiberufler hohe Anforderungen zu stellen. Vor allem muss das Finanzamt darlegen, dass die Tätigkeit aus privaten Motiven heraus (mit-)veranlasst ist (vgl. z.B. BFH vom 22.4.1998, XI R 10/97; BFH 14.12.2004, XI R 6/02).

Aber darf das Finanzamt die Gewinnerzielungsabsicht auch erst nach einigen Jahren überprüfen und die Steuerbescheide bis dahin vorläufig erlassen? Die Antwort lautet „Ja, das darf es“. In diesem Sinne hatte das FG Münster bezüglich der nebenberuflichen Tätigkeit einer Syndikusrechtsanwältin entschieden; die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH nun verworfen (FG Münster 21.4.2023, 14 K 1263/21 E; BFH 17.7.2024, VIII B 48/23).

Der Beschluss des BFH:

Der Beschluss des BFH lautet: Bei der nebenberuflichen Anwaltstätigkeit einer Syndikusrechtsanwältin in eigener Kanzlei darf aufgrund einer dauerhaften Verlustsituation ein Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO hinsichtlich einer ungewissen Gewinnerzielungsabsicht jedenfalls dann ergehen, wenn die Art und Weise der Betriebsführung der Kanzlei unklar ist. Weitere Umstände des Einzelfalls, die den grundsätzlich bestehenden Anscheinsbeweis für eine Gewinnerzielungsabsicht der nebenberuflichen anwaltlichen Tätigkeit in der eigenen Kanzlei erschüttern, müssen nicht festgestellt werden.

Denkanstoß:

Der Beschluss des BFH ist ausschließlich zum Verfahrensrecht ergangen. Es liegt nun an der Rechtsanwältin, dem Finanzamt gegenüber glaubhaft zu machen, dass sie mit ihrer Tätigkeit einen Totalüberschuss erwirtschaften kann bzw. dass eine Gewinnerzielungsabsicht besteht. Eigentlich sollte dies bei Freiberuflern, auch wenn sie lediglich nebenberuflich tätig sind, nicht allzu schwer fallen, denn üblicherweise halten sich die Betriebsausgaben in Grenzen. Andererseits – darauf wurde eingangs hingewiesen – darf das Finanzamt die Messlatte für eine Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht nicht zu hoch legen.

Letztlich gilt: Es sollte (mit der Höhe der Betriebsausgaben) nicht übertrieben werden und mit etwas gutem Willen auf beiden Seiten sollte man zu einer guten Lösung gelangen.

Bekanntgabe von Steuerbescheiden: Kann ein Gesamtrechtsnachfolger den Zugang wirksam bestreiten?

In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Zugang eines Steuerbescheides bestritten wird. Üblicherweise müssen die Finanzämter das Bestreiten des Zugangs zähneknirschend zur Kenntnis nehmen und den Steuerbescheid erneut zur Post geben. Manch Finanzamt zeigt sich allerdings kampfbereit und lässt es auf einen Prozess vor dem Finanzgericht ankommen. Gerne wird dabei vorgebracht, es liege am Steuerpflichtigen, den Nichtzugang des Steuerbescheides glaubhaft darzulegen. Die Rechtsprechung sieht die Beweislast aber beim Finanzamt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.4.2009, X R 35/08).

Ausnahmen können sich ergeben, wenn sich der Vortrag des Steuerpflichtigen als reine Schutzbehauptung entlarvt oder wenn sein Verhalten erkennen lässt, dass ihm der Steuerbescheid wohl doch zugegangen ist (vgl. z.B. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.12.2019, 9 K 9073/18).

Was aber gilt, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein Gesamtrechtsnachfolger den Zugang eines Steuerbescheides bestreitet? Mit dieser Frage wird sich bald der BFH beschäftigen müssen. Vorausgegangen ist ein Urteil des FG Münster, das die Zugangsfiktion im zugrunde liegenden Fall tatsächlich als erschüttert ansah. Allerdings hat das Gericht klargestellt, dass das bloße Bestreiten des Zugangs eines Schriftstücks nicht ausreichend ist (FG Münster, Urteil vom 19.4.2024, 4 K 870/21 E, Revision unter Az. VI R 16/24).

Der – verkürzte und leicht abgewandelte – Sachverhalt:

Im Jahre 2017 erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2016. Im Februar 2020 verstarb die Steuerpflichtige. Sie galt als gewissenhafte Person und ihre Steuerunterlagen waren gut geordnet. Es fehlte in den – chronologisch sortierten – Unterlagen aber der Einkommensteuerbescheid für 2016. Im März 2020 teilte der Gesamtrechtsnachfolger dem Finanzamt mit, dass die Steuerpflichtige verstorben sei. Bei der Auflösung des Haushalts seien Unterlagen/Belege gefunden worden, die für die Einkommensteuererklärung für 2016 noch relevant seien. Der Gesamtrechtsnachfolger bestritt den Zugang des damaligen Steuerbescheides und reichte Unterlagen nach, mit der die Steuerlast des Jahres 2016 verringern werden sollte. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass die Unterlagen verspätet nachgereicht wurden, weil der Einkommensteuerbescheid für 2016 als in 2017 bekannt gegeben gelte. Das FG sah die hiergegen gerichtete Klage aber als begründet an. Die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO sei erschüttert.

Die Begründung:

Das bloße Bestreiten des Zugangs eines Schriftstücks durch den Rechtsnachfolger des Bekanntgabeadressaten lässt die Zugangsfiktion nicht entfallen. Allerdings darf der Maßstab, der an die Erschütterung der Zugangsvermutung im Einzelfall zu stellen ist, nicht überhöht werden. Es sollte daher ausreichen, wenn sich auch nur im Ansatz begründete Zweifel am Zugang des Verwaltungsaktes feststellen lassen. Im Urteilsfall begründet insbesondere die vorgefundene Situation bei der Aufnahme des Nachlasses Zweifel am Zugang des Einkommensteuerbescheids. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Steuerpflichtige den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid für 2016 in ihre sortierten Steuerunterlagen aufgenommen hätte, wenn er ihr tatsächlich zugegangen wäre.

Denkanstoß:

Es wurde die Revision zugelassen, da noch keine Entscheidung des BFH dazu vorliegt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sich ein Dritter auf die fehlende Bekanntgabe eines Steuerbescheides berufen kann. Wie erwähnt wurde die Revision auch eingelegt. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass der BFH in der Sache anders entscheiden wird. Doch spannend wird sein, welche Grundsätze er allgemein bezüglich des Bestreitens des Zugangs eines Verwaltungsaktes durch den Rechtsnachfolger aufstellen wird.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich die Bekanntgabe- bzw. Zugangsfiktion ab 2025 auf vier Tage verlängert. Beachten Sie hierzu den Blog-Beitrag „Verlängerung der Bekanntgabefiktion bei Verwaltungsakten ab 2025 – Was bedeutet das für Unternehmen und Bürger?“ von Professor Ralf Jahn.

Wenn der Porsche 911 GT3 zu Ausstellungszwecken erworben wird …

Im Rahmen des NWB Experten-Blogs sind schon mehrfach Urteile vorgestellt worden, in denen es um den Betriebsausgaben- und/oder Vorsteuerabzug von Luxusfahrzeugen ging (z.B. „Vorsteuerabzug für die Anschaffung von Lamborghini und Ferrari„). Heute möchte ich zu dem Thema auf eine weitere FG-Entscheidung eingehen. Das Niedersächsische FG hat geurteilt, dass der Vorsteuerabzug für den Erwerb eines „Supersportwagens“ auch dann zu versagen sein kann, wenn dieser als Ausstellungsobjekt eines Kfz-Handels dienen soll, sich der Betrieb aber noch in der Planungsphase befindet (Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.1.2024, 5 K 148/23).

Der Sachverhalt:

Der Kläger betreibt einen Mobilfunk-Shop. Daneben beabsichtigt er die Eröffnung eines Sportwagenzentrums. Im Jahr 2017 erwarb er dafür ein Grundstück in einem Gewerbegebiet und meldete im Jahr 2019 ein Gewerbe mit der Tätigkeit „An- und Verkauf von Fahrzeugen aller Art“ an. Im Jahr 2021 beantragte er eine entsprechende Baugenehmigung, die im September 2021 erteilt wurde. Hierfür hatte der Kläger durch ein Planungsbüro umfangreiche Zeichnungen und Berechnungen erstellen lassen. Im Mai 2021 erwarb der Kläger einen neuen Porsche 911 GT3 mit Touring-Paket zum Preis von 184.606,77 Euro zzgl. Umsatzsteuer.

Der Kläger beantragte den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Porsche. Das Fahrzeug befinde sich als Ausstellungsfahrzeug im Anlagevermögen des in Planung befindlichen Autohauses. Aus dem Umstand, dass er das Fahrzeug dem Unternehmensvermögen zugeordnet habe, ergebe sich, dass er dieses ausschließlich dafür einsetzen wolle. Der Porsche sei außerdem nur wenige Male verkauft worden und habe bereits im Zeitpunkt des Erwerbs eine Wertsteigerung erfahren. Er werde daher in jedem Fall einen Gewinn mit dem Fahrzeug erzielen, außerdem sei es aufgrund seiner Seltenheit geeignet, entsprechende Kundschaft anzuziehen. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug. Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

Die Begründung in Kurzform:

Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen für unangemessenen Repräsentationsaufwand entfallen, sind grundsätzlich nicht abziehbar. Dies bestimmt § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.  4 EStG. Bei den Aufwendungen für einen „Supersportwagen“ handelt es sich um einen solchen unangemessenen Repräsentationsaufwand. Allerdings greift das Abzugsverbot dann nicht, wenn der mit dem Kfz verfolgte Zweck Gegenstand einer mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübten Tätigkeit ist. Diese Rückausnahme ist auch für den Bereich der Umsatzsteuer maßgebend, so dass ein Vorsteuerabzug doch in Betracht kommen kann (§ 4 Abs. 5 Satz 2 EStG).

Im Urteilsfall kann eine solche Gewinnerzielungsabsicht nach Ansicht des FG durchaus bestanden haben. Allerdings war der Vorsteuerabzug damit noch nicht gerettet. Denn die Richter haben § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG geprüft – und letztlich angewandt. Danach sind Aufwendungen vom Betriebsausgabenabzug und mithin vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind.

Ob ein unangemessener betrieblicher Aufwand vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten die Aufwendungen ebenfalls auf sich genommen hätte. Zwar sei ein hochwertiger Porsche als Ausstellungsobjekt grundsätzlich dazu geeignet, den Geschäftserfolg eines Autohauses positiv zu beeinflussen, so dass der Kauf prinzipiell auch angemessen sein kann. Vorliegend sei aber zu berücksichtigen, dass das Autohaus noch gar nicht fertiggestellt ist und auch nicht absehbar ist, ob und wann dort jemals Fahrzeuge gehandelt werden. Der Kläger habe mit dem Unternehmensteil des Sportwagenhandels noch keinerlei Umsätze erzielt. Ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer würde zu diesem Zeitpunkt kein hochpreisiges Fahrzeug zu Ausstellungszwecken erwerben, sondern dies frühestens dann tun, wenn die Erzielung von Umsätzen in greifbare Nähe gerückt ist. Es komme hinzu, dass sich der Kläger allem Anschein nach für hochmotorisierte Fahrzeuge begeistert und zahlreiche hochwertige Sportwagen in seinem (Privat-)Besitz hat.

Denkanstoß:

Das FG führt aus, dass es durchaus angemessen sein kann, auch in der Gründungsphase eines Unternehmens bereits einen Pkw anzuschaffen, um damit die erforderlichen (vor-)unternehmerischen Tätigkeiten zu besorgen. Insofern hat das Urteil auch einen positiven Aspekt. Dennoch bleibt die Erkenntnis, dass beim Erwerb von hochpreisigen Kfz, die im Betriebs- und/oder Unternehmensvermögen gehalten werden, stets Vorsicht angebracht ist und Streitigkeiten mit dem Finanzamt vorprogrammiert sind.

Übrigens, nur am Rande: Ich erkenne derzeit eine gewisse Tendenz, dass manch Unternehmer eigentlich ein Liebhaber von PS-starken „Verbrennern“ ist, im Betriebsvermögen aber – zusätzlich – ein Elektroauto gehalten wird, weil dies bei – einigen – Kunden einen besseren Eindruck macht. Allerdings wird auch dann gerne auf einen Porsche Taycan oder einen Mercedes EQS 500 zurückgegriffen, die aber nur selten gefahren werden. Ich habe noch keinen Fall erlebt, in denen die Finanzämter die Kosten für luxuriöse E-Autos mit geringer Fahrleistung als Repräsentationsaufwand eingestuft hätten. Ich glaube aber, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis der erste Fall die Finanzgerichte erreichen wird.

 

Krankenversicherung: Kostenerstattungsverfahren und Sonderausgabenabzug – keine gute Kombination

Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind unbegrenzt als Vorsorgeaufwendungen abziehbar. Gleiches gilt für Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung, soweit es um die Beitragsanteile für eine Basisabsicherung geht. Aufwendungen für eine private Zusatzkrankenversicherungen sind nur im Rahmen von geringen Höchstbeträgen abziehbar – und die sind zumeist bereits durch andere Versicherungen „verbraucht“.

Das FG Nürnberg hat entschieden, dass auch bei Wahl des Kostenerstattungsverfahrens in der gesetzlichen Krankenversicherung Zusatzbeiträge nicht abzugsfähig sind, wenn der Höchstbetrag bereits anderweitig ausgeschöpft ist (FG Nürnberg, Urteil vom 20.7.2023, 8 K 431/22). Das Gericht hatte die Revision nicht zugelassen; der BFH hat die Nichtzulassungsbeschwerde nun zurückgewiesen (BFH-Beschluss vom 17.7.2024, X B 104/23).

Der Sachverhalt:

Der Kläger war freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert und hatte private Zusatzkrankenversicherungen (PKV) abgeschlossen. Letztere wirkten sich aufgrund der Ausschöpfung des Höchstbetrages steuerlich nicht aus. Der Kläger meinte aber, dass die Beiträge zur Zusatzversicherung anteilig neben den Beiträgen an die GKV zu berücksichtigen seien, denn er hätte an Stelle der Sach- und Dienstleistungen durchgehend das Verfahren der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt.

Um auf das gleiche Versicherungsniveau zu kommen wie ein im PKV-Basistarif Versicherter, müsse die GKV durch einen privaten Tarif ergänzt werden, der für das Kostenerstattungsverfahren die Lücke zwischen den Erstattungen der GKV und denjenigen einer PKV nach Basistarif schließe. Doch Finanzamt, FG und nun auch der BFH ließen sich nicht überzeugen.

Die Begründung:

Die maßgebende Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG spricht von den zur Erlangung eines durch das SGB XII bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlichen Aufwendungen. Hieraus folgt, dass, wenn bereits eine Basisabsicherung in der GKV besteht, eine private Versicherung für die bereits abgesicherten Leistungen zur Erlangung des sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus nicht erforderlich ist.

Soweit die Kläger statt der regelmäßigen Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 SGB V) die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt haben und gerade dadurch die von ihnen beschriebene Deckungslücke entstanden sein sollte, die sie wiederum durch den Abschluss privater Zusatzkrankenversicherungsverträge geschlossen haben, beruht dies auf ihrer freiwilligen Entscheidung für diesen Abrechnungsmodus. Die fehlende Inanspruchnahme der Sach- und Dienstleistungen ändert aber nichts daran, dass diese bereits ein sozialhilfegleiches Versorgungsniveau gewährleisten. Weitere Beiträge für zusätzliche Versicherungen begründen insoweit eine doppelte Absicherung und sind nicht mehr im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG „erforderlich“.

Der BFH hält eine weitere Klärung nicht für erforderlich und schließt sich argumentativ den Ausführungen des FG an.

Denkanstoß:

Den Ausführungen des FG und des BFH ist sicherlich zuzustimmen – soweit es um den Wortlaut des Gesetzes geht. Wovon sich die Gerichte aber immer mehr entfernen ist die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Besser gesagt thematisieren sie das nicht mehr.

Etwas plakativ ausgedrückt lässt sich dem Urteil des FG und dem Beschluss des BFH entnehmen, dass der Gesetzgeber lediglich das steuerliche Existenzminimum unangetastet lassen muss und bis zu diesem geringen Betrag letztlich alles besteuern darf – unerheblich, ob dadurch die Leistungsfähigkeit in einem Maße gemindert wird, dass sich (Mehr-)Arbeit nicht mehr lohnt. Die Zeiten eines Professors Paul Kirchhof, der immerhin den Mut hatte, den so genannten Halbteilungsgrundsatz aufzustellen (auch wenn er damit gescheitert ist), sind wohl ein für alle Mal vorbei. Leider.

Ehrenamtsfreibetrag für nebenberuflichen Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH

Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz belegen ist, sind bis zur Höhe von insgesamt 840 Euro im Jahr steuerfrei. Das ist der so genannte Ehrenamtsfreibetrag.

Nach Auffassung des BFH ist die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG auch für eine nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeit als Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH zu gewähren (BFH-Urteil vom 8.5.2024, VIII R 9/21). Weiterlesen

Keine Inflationsausgleichsprämie während der Elternzeit – ist das zulässig?

Bei öffentlichen Arbeitgebern hatte eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Essen offenbar für Unruhe gesorgt. Dieses hatte entschieden, dass die Inflationsausgleichsprämie auch Eltern in Elternzeit zustehe. Zumindest gelte dies, wenn andere Arbeitnehmer im selben Betrieb die Prämie trotz Bezuges von Krankengeld erhalten. Dann liege eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung vor (ArbG Essen, Urteil vom 16.4.2024, 3 Ca 2231/23).

Zur Freude der Arbeitgeber und zum Leidwesen der betroffenen Arbeitnehmer hat das LAG Düsseldorf die Entscheidung nun aber revidiert. Ein Tarifvertrag darf den Inflationsausgleich während der Elternzeit ausschließen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 14.8.2024, 14 SLa 303/24). Weiterlesen

Kann die teilentgeltliche Grundstücksübertragung auf ein Kind ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft sein?

Bei der teilentgeltlichen Übertragung eines – vermieteten – Grundstücks auf ein Kind denkt man wohl zuerst an die Schenkungsteuer. Als zweites denkt man vielleicht an die neue AfA-Reihe für den entgeltlichen Teil der Übertragung. Aber denkt man auch daran, dass der Vorgang als steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG gewertet werden könnte?

Ein Finanzamt aus Niedersachsen hatte diesen Gedanken jedenfalls. Zwar wurde der Gedanke vom Niedersächsischen FG verworfen, doch zwischenzeitlich liegt die Revision beim BFH vor (Niedersächsisches FG, Urteil vom 29.5.2024, 3 K 36/24; Rev. unter IX R 17/24). Weiterlesen

Führt der nachträgliche Einbau eines Notentwässerungssystems zu Erhaltungsaufwand?

Da die Starkregenereignisse zunehmen, müssen gewisse Dächer nach den DIN-Vorgaben zusätzlich Notentwässerungen vorsehen. Ob die Kosten für ein zusätzliches bzw. für ein erst nach der Gebäudeerrichtung eingebautes Notentwässerungssystem sofort als Erhaltungsaufwand abziehbar sind oder ob nachträglicher Herstellungsaufwand vorliegt, muss wohl bald der BFH entscheiden.

Die Vorinstanz, das FG Düsseldorf, hat sich für die Annahme von Erhaltungsaufwand entschieden (Urteil vom 24.5.2024, 3 K 2044/18 F).

Der Sachverhalt:

Der Klägerin gehörte ein Gebäude mit einem Flachdach. Dieses wurde in den Jahren 1999 bis 2001 gebaut. Entsprechend den Vorgaben der DIN 19686-100 errichtete die Klägerin im Jahr 2010 neben dem bereits bestehenden Dachentwässerungssystem, bei dem das Regenwasser über Abflussrohre in die Kanalisation eingeleitet wird, ein Notentwässerungssystem mit eigenen Rohrleitungen, über die bei Starkregen etwaiges sich auf dem Dach stauendes Wasser auf Überflutungsflächen abgeführt wird. Die hierdurch entstandenen Aufwendungen behandelte sie als sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand. Das Finanzamt nahm hingegen Herstellungskosten. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich. Weiterlesen

Aufreger des Monats August: Kontenabrufe steigen und steigen

Der automatisierte Abruf von Kontoinformationen wurde infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 eingeführt, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung besser bekämpfen zu können. Seit April 2005 dürfen auch Finanzämter, Sozialämter sowie Arbeitsagenturen auf Grundlage des § 93 AO entsprechende Daten von den Kreditinstituten abrufen. Seit dem Jahr 2013 sind auch Gerichtsvollzieher berechtigt, entsprechende Daten abzufragen. Und seitdem kennt die Anzahl der Kontenabrufe nur eine Richtung: nach oben, und zwar sprunghaft. Wurden im Jahr 2005 rund 10.000 Kontoabfragen durchgeführt, waren es im Jahr 2020 bereits mehr als 1 Million.

Nunmehr liegen auch die Zahlen für das Jahr 2023 vor: Finanzämter und Sozialbehörden einschließlich Gerichtsvollzieher und Jugendämter haben im vergangenen Jahr haben 1.403.581 Abfragen gestartet. Zusätzlich zu den Kontenabfragen der Finanz- und Sozialbehörden haben Polizei, Staatsanwaltschaften, Zoll- und Steuerfahndung weitere 431.843 Kontenabrufe vorgenommen. Insgesamt sind dies 1.835.424 Kontenabfragen (Quelle: Bundestags-Drucksache 20/10841). Weiterlesen