Bereits in mehreren Beiträgen habe ich mich mit der Problematik der Neuregelung zur Abzinsung von Pensionsrückstellungen befasst. Nicht nur das Ob, sondern auch das Wie der Verlängerung des Zeitraums der Durchschnittsbildung waren umstritten. Besonders kontrovers wurde auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Ausschüttungssperre diskutiert. Nach Umsetzung im Gesetz folgte dann die Diskussion um die Reichweite der Ausschüttungssperre mit einem Fokus auf Personenhandelsgesellschaften, wozu wie bereits begründet das IDW eine recht eigenartige Argumentation vertritt. Eine Frage im Zusammenhang mit der Ausschüttungssperre beschäftigt die Praxis seit einigen Monaten, ohne dass es hierzu bisher eine für die Bilanzierer rechtssichere Klärung gibt. Fraglich ist, ob die Ausschüttungssperre auch für Gewinnabführungen greift. Die Frage ist gerade aus steuerlicher Sicht von hoher Relevanz, weil mit der ordnungsgemäßen Durchführung des Ergebnisabführungsvertrages die Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft verbunden ist.
Im Gegensatz zu den Fällen der Ausschüttungssperren nach § 268 Abs. 8 HGB, etwa für aktiviertes selbsterstelltes immaterielles Anlagevermögen oder einen bilanzierten Aktivenüberhang latenter Steuern, nimmt § 301 Satz 1 AktG den ausschüttungsgesperrten Betrag aus der Abzinsung von Pensionsrückstellungen nach § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB nicht explizit von der Abführungspflicht aus.
Bei gestrenger Auslegung von § 301 Satz 1 AktG sind also Gewinne abführungspflichtig, die aus der Verwendung eines höheren Diskontierungszinses für die Pensionsverpflichtungen entstanden sind. Wenig verwunderlich wird in der Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, der Wortlaut des Aktiengesetzes erzwinge die Abführung. Das IDW hatte Zweifel zu dieser Auslegung und bat das BMF schriftlich um Klärung. Bis heute ist jedoch keine Reaktion des BMF sichtbar geworden.
In der Sache ist die vom IDW ins Auge gefasste analoge Anwendung des § 301 Satz 1 AktG gut begründbar. Der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren deutlich gemacht, wie wichtig ihm die Sicherung der Finanzmittel der betroffenen Unternehmen sind, um Investitionen finanzieren zu können. Gerade deshalb wurde der Ausschüttungssperre große Bedeutung beigemessen. Beim der im Hauruckverfahren durchgeführten Gesetzgebung war wohl die Lücke bei der Gewinnabführung übersehen worden. Wäre diese im Gesetzgebungsverfahren erkannt worden, hätte die Umsetzung des gesetzgeberischen Willens eine Ergänzung des § 301 Satz 1 HGB um einen Verweis auch auf § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB erzwungen. Insoweit spricht doch alles für das Vorliegen einer ungeplanten gesetzlichen Lücke, die im Wege der analogen Anwendung zu schließen ist.
Sei´s drum: Was soll jetzt die Praxis machen? Entweder man argumentiert wie oben über die Analogie und führt die entsprechenden Beträge nicht ab. Dann folgt man dem Willen des handels- und gesellschaftsrechtlichen Gesetzgebers. Oder man führt die Beträge dennoch ab und legt sich nicht mit der Finanzverwaltung an. Wie man es macht, man macht es falsch.
Das IDW schlägt bis zur Klärung der Auffassung der Finanzverwaltung eine salomonische Lösung vor und sieht bei den Bilanzierern ein Wahlrecht. Dabei ist jedoch das Risiko zu beachten, dass ein Verzicht auf die Abführung die ertragsteuerliche Organschaft gefährdet. Die Wahl soll im Anhang anzugeben sein. Zudem sind steuerliche und gesellschaftsrechtliche Risiken im Risikobericht des Lageberichts darzustellen.
Vor diesem Hintergrund ist das Schweigen des BMF unerträglich. Im Rahmen der Rechtshygiene ist es dringend geboten, dass die Finanzverwaltung von einer Wortlautklauberei Abstand nimmt, den mit der Ausschüttungssperre verfolgten gesetzgeberischen Willen akzeptiert und die analoge Anwendung des § 301 Satz 1 AktG akzeptiert. Wir brauchen nicht immer Brüssel für unbefriedigende Lösungen, Berlin kann es auch selbst.
Weitere Informationen:
IDW, Berichterstattung über die 244. HFA-Sitzung, www.idw.de (Mitgliederbereich)
IDW, § 253 HGB – Abführungssperre
Mujkanovic, IDW zur Abzinsung von Pensionsrückstellungen
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