Ausbildungsunterbrechung während Corona-Pandemie: Richter haben kein Einsehen

Die Corona-Pandemie scheint für den einen oder anderen schon Ewigkeiten her zu sein – und anderem auch für manchen Richter. So wird zuweilen verkannt, unter welchem Druck insbesondere junge Menschen standen, die noch zur Schule gingen oder sich gerade in der Berufsausbildung befanden. Wer etwa eine Ausbildung im Hotel- und Gaststättengewerbe oder in der Touristikbranche aufgenommen hatte, sah für sich mitunter in diesem Bereich keinerlei Zukunftsperspektive mehr und hat sich noch während der Ausbildungsphase umorientiert.

Nun war es aber nicht gerade so, dass man mit dem Finger schnippen konnte und schon war am nächsten Tag ein neuer Ausbildungsbetrieb gefunden. Vielmehr vergingen vielleicht fünf oder sechs Monate, um eine neue Ausbildung beginnen zu können.

Gerade in solchen Fällen sollte man doch meinen, dass es in Sachen „Kindergeld“ eine Billigkeitsregelung gegeben haben müsste, das heißt, dass die Eltern den Kindergeldanspruch auch bei einer Ausbildungsunterbrechung von mehr als vier Monaten nicht verloren hätten. Doch weit gefehlt. Es gab und gibt keine Billigkeitsregelung. Dies haben zunächst das FG Münster und nun auch das Schleswig-Holsteinisches FG entschieden (FG Münster, Urteil vom 14.6.2022, 13 K 745/21 Kg, vgl. Aufreger des Monats Juli 2022: Teures freiwilliges soziales Jahr; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 27.3.2024, 5 K 71/23).

Der Sachverhalt (Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG):

Der Sohn des Klägers befand sich seit dem 1. August 2019 in einer Ausbildung zum Hotelfachmann. Dieses Ausbildungsverhältnis wurde mit Aufhebungsvertrag zum 30. April 2021 vorzeitig beendet. Der Kläger gab an, für seinen Sohn habe es keinen Sinn ergeben, im Anschluss in der gleichen Branche einen Ausbildungsbetrieb zu suchen. Daher meldete sich sein Sohn zunächst für eine kurze Zeit arbeitssuchend und nahm dann eine Aushilfstätigkeit in einem Hotelbetrieb in der Schweiz an. Erst im Juli 2022 unterschrieb er nach seiner Rückkehr nach Deutschland einen neuen Ausbildungsvertrag; die Ausbildung wurde zum 1. August 2022 aufgenommen. Die Familienkasse forderte für den Zeitraum ab Mai 2021 Kindergeld zurück. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos.

Die Begründung in aller Kürze:

Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG werde ein Kind berücksichtigt, wenn die Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten höchstens vier Monate beträgt. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig und eine analoge Anwendung auf Fälle, in denen der Zeitraum aufgrund der Corona-Pandemie 16 Monate beträgt, scheide aus. Ein Anspruch auf Kindergeld könne zwar auch bestehen, wenn eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann ( § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG). Im Streitfall habe der Sohn des Klägers den Aufhebungsvertrag aber aus eigenem Entschluss angenommen. Im Hinblick auf die Unkündbarkeit seines Ausbildungsvertrages habe grundsätzlich die Möglichkeit bestanden, die Ausbildung fortzusetzen.

Denkanstoß:

Ich erlaube mir, noch einmal auf das BFH-Urteil vom 27.10.2021 (X K 5/20) hinzuweisen. Für sich selbst nehmen Richter durchaus eine coronabedingte Billigkeitsregelung in Anspruch. Einem Auszubildenden zum Hotelfachmann wird aber angelastet, dass er – Corona hin oder her – seine Ausbildung abgebrochen bzw. unterbrochen hat.  Immerhin haben die Richter – anders als die Münsteraner Kollegen – die Revision zugelassen, die auch bereits eingelegt worden ist (Az. III R 20/24).

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