Krise ist derzeit kein Begriff, der sich oft in der Presse findet. Zumindest nicht in Bezug auf das Thema Wirtschaftskrise. Unternehmenskrisen wie beispielsweise bei Steinhoff durch die aufgedeckten Bilanzmanipulationen hingegen schon. Da lohnt sich der Blick über den Tellerrand zu unseren Nachbarn – den Schweizern.
Aufsichtsrat vs. Verwaltungsrat
In der Schweiz heißt das Gremium nicht nur anders („Verwaltungsrat“), sondern hat auch andere Aufgaben als der deutsche Aufsichtsrat.
Der Verwaltungsrat hat im Gegensatz zum deutschen Aufsichtsrat mehr Kompetenzen, die ihm übertragen werden. Zum einen hat der Verwaltungsrat die gleichen Aufgaben wie der Aufsichtsrat hierzulande: Er überwacht die Geschäftsleitung, beruft diese, genehmigt den Jahresabschluss und muss bestimmten Geschäften des Unternehmens zustimmen.
Der Verwaltungsrat hat darüber hinaus weitere Aufgaben, die in Deutschland lediglich vom Vorstand ausgeübt werden dürfen. So legt der Verwaltungsrat beispielsweise die Ziele des Unternehmens fest. Die Strategie wird vom Vorstand entwickelt, muss aber wiederum vom Verwaltungsrat genehmigt werden. Dadurch muss sich der Verwaltungsrat nicht nur mit vielen Themen wie beispielsweise Märkte, Konkurrenten, Investitionen und Finanzierung auseinandersetzen, sondern ist auch viel näher am Geschäft des Unternehmens beteiligt als das deutsche Gremium.
Die zwei Seiten der Medaille
Der Vorteil dieses breiten Aufgabenfeldes des Verwaltungsrates ist die Nähe zum Geschäft und damit eine geringere Betriebsblindheit. Der Verwaltungsrat ist somit nicht nur für die Überwachung der Unternehmensleitung zuständig, sondern bringt sich auch aktiv ein.
Allerdings hat ein Verwaltungsrat für sein Mandat einen deutlich höheren zeitlichen Aufwand, was unter anderem an der großen Aufgabenvielfalt liegt. Zudem hat heutzutage der Verwaltungsrat mindestens drei Ausschüsse: den Prüfungsausschuss, den Vergütungsausschuss sowie den Nominierungsausschuss. Es finden also nicht nur mehr Sitzungen statt – auch müssen diese von einem Mitglied des Verwaltungsrates sehr gut vorbereitet werden, da sie nicht nur überwachen, sondern auch an einigen Stellen aktiv mitarbeiten.
Trennung zwischen Kontrolle und Durchführung stark genug?
Kann denn die Überprüfung durch den Verwaltungsrat bei einer derart unscharfen Trennung zwischen der Durchführung und der Kontrolle denn überhaupt funktionieren? Anders gesagt: Das deutsche System mit Vorstand und Aufsichtsrat hat auch nicht immer funktioniert. Das zeigen nicht nur die Bilanzskandale, die sich in den letzten Jahren in Deutschland wieder gehäuft haben.
Die Erfahrung hat gezeigt: Im Fall einer Krise ist der Verwaltungsrat nicht nur schneller auf dem Laufenden, sondern kann auch schneller reagieren und kennt mehr Einzelheiten als der deutsche Aufsichtsrat. Allerdings ist der Verwaltungsrat nicht mit dem täglichen Geschäft vertraut wie der Vorstand, auch wenn zahlreiche Sitzungen während des Jahres stattfinden.
Im Hinblick auf die Zusammensetzung auch interessant: Im schweizerischen Verwaltungsrat sitzen keine Arbeitnehmer. Dies liegt sicherlich auch an dem erweiterten Aufgabenfeld im Vergleich zum deutschen Aufsichtsrat. Aus Schweizer Sicht spielt das Thema Qualifikation eine wichtige Rolle bei der Besetzung des Verwaltungsrates. Das „Manko“ der deutschen Regelung aus Sicht der Schweiz: Ein Arbeitnehmer wird nicht aufgrund seiner Kompetenz, sondern seiner Stellung im Unternehmen in den Aufsichtsrat gewählt.
Fazit
Auch wenn die Übertragbarkeit des Schweizer Verwaltungsrates auf Deutschland sicherlich nicht 1:1 erfolgen sollte, zeigt doch ein Blick über die Grenze, wie die Überwachung der Unternehmensleitung auch funktionieren kann. Im Falle einer Unternehmenskrise scheint das Modell von Erfolg gekrönt, wie die Erfahrungen zeigen. Der Fall der Schweizer Raiffeisen wird zeigen, ob dies auch für Banken in Zeiten der Niedrigzinsphase gilt.