Der Grundbesitzwert für steuerliche Zwecke, also für die Erbschaft- und Schenkungsteuer oder in bestimmten Fällen auch für die Grunderwerbsteuer, bestimmt sich nach dem Bewertungsgesetz. Der Wert unbebauter Grundstücke bestimmt sich gemäß § 179 Sätze 1 und 2 BewG regelmäßig nach ihrer Fläche und den Bodenrichtwerten (§ 196 BauGB). Die Bodenrichtwerte sind von den Gutachterausschüssen nach dem BauGB zu ermitteln und den Finanzämtern mitzuteilen.
Obwohl sich in § 179 BewG das Wort „regelmäßig“ befindet und dieses eigentlich suggeriert, dass es auch Ausnahmen geben müsse, werden solche Ausnahmen weder von der Finanzverwaltung noch von den Gerichten gesehen. Der Bodenrichtwert gilt – ohne Wenn und Aber und sei er auch noch so absurd.
Diese Erfahrung musste ein Steuerpflichtiger jüngst in einem BFH-Verfahren machen (BFH-Beschluss vom 12.01.2021, II B 61/19). Es ging – etwas vereinfacht und stark gekürzt – um folgenden Sachverhalt:
Das Finanzamt erließ einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Grunderwerbsteuer mit einem Grundbesitzwert von rund 10. Mio. Euro. Es legte bei der Berechnung den mitgeteilten Bodenrichtwert zugrunde, und zwar obwohl klar war, dass das Grundstück mit Altlasten kontaminiert war. Gegen den Feststellungsbescheid legte die Antragstellerin daher Einspruch ein und führte aus, sie lasse derzeit ein Gutachten für das Grundstück erstellen. Zugleich beantragte sie Aussetzung der Vollziehung (AdV).
Man glaubt es kaum: Das Finanzamt lehnte den AdV-Antrag ab. Es habe an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids keine ernstlichen Zweifel. Einspruch, Antrag beim FG und Beschwerde beim BFH gegen die Ablehnung der AdV blieben erfolglos.
Der BFH: Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Bescheids bestünden erst mit Vorlage des Gutachtens, nicht schon mit dessen Erstellung und erst recht nicht vor dessen Erstellung mit dem Vorbringen von – wenn auch schlüssigen – Erwägungen. Die Antragstellerin hätte es in der Hand gehabt, entsprechend der eindeutigen Verwaltungs- und Literaturmeinung schon vor Erlass des Feststellungsbescheids ein Sachverständigengutachten vorzulegen.
Fazit: Wer ein Gutachten zum Nachweis eines niedrigeren Grundbesitzwertes in Auftrag gibt, sollte darauf drängen, dass es am besten gestern erstellt wird. Denn sonst kann es sein, dass selbst für wertlose Grundstücke zunächst hohe Steuern bezahlt werden müssen, die das Finanzamt erst nach Monaten oder Jahren zurückerstattet. Ein äußerst merkwürdiges Ergebnis.
Ach ja: Die Bausachverständigen der Finanzverwaltung sind übrigens weniger schnell. Wartezeiten von über einem Jahr bis zur Prüfung eines Gutachtens sind eher die Regel als die Ausnahme. Und zwischen den Beschlüssen des FG und des BFH lagen auch rund 1 ½ Jahre.
Ich haben den o.g. BFH-Beschluss gelesen. Solche jeder Logik widersprechenden Entscheidungen der Finanzämter und Gerichte kommen nur zustande, weil niemand auf die Idee kommt eine entsprechend Gesetzesänderung in die Wege zu leiten. Gehen Sie doch auf die Abgeordneten zu, legen Sie gleich einen Gesetzentwurf vor. Sie haben doch sicher entsprechende Juristen, und die Geschäftsstellen der Fraktionen im Bundestag sind ja auch noch da. Natürlich müssen Sie sich die Regierungsparteien aussuchen, damit die entsprechenden Mehrheiten zustande kommen.
Ich haben den o.g. BFH-Beschluss gelesen. Solche jeder Logik widersprechenden Entscheidungen der Finanzämter und Gerichte kommen nur zustande, weil niemand auf die Idee kommt eine entsprechend Gesetzesänderung in die Wege zu leiten. Gehen Sie doch auf die Abgeordneten zu, legen Sie gleich einen Gesetzentwurf vor. Sie haben doch sicher entsprechende Juristen, und die Geschäftsstellen der Fraktionen im Bundestag sind ja auch noch da. Natürlich müssen Sie sich die Regierungsparteien aussuchen, damit die entsprechenden Mehrheiten zustande kommen.
Bemerkenswert ist auch, wie sich der Gutachterausschuss zusammensetzt. Der Vorsitzende muss Beamter der Behörde sein, welcher der Ausschuss zugeordnet ist (Landratsamt, Katasteramt, Vermessungsamt, Kreisverwaltungsreferat). Die anderen Teilnehmer rekrutieren sich aus dem Kreis der Mitarbeiter der Finanzämter oder Finanzbehörden. Außerdem sind ehrenamtliche Mitglieder vorgesehen, die als Immobiliensachverständige arbeiten.
Hier werden also u.a. Finanzbeamte, die abgesandt wurden, hoheitlich tätig. Warum deren Tätigwerden sich einer finanzgerichtlichen Kontrolle entziehen soll, ist für mich aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten schwer nachvollziehbar. Der eine dreht – der andere schraubt.