Die Finanzverwaltung hat die Finanzämter wiederholt angewiesen, Unfallkosten neben der Entfernungspauschale anzuerkennen, wenn diese mit einer Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder auf einer zu berücksichtigenden Familienheimfahrt entstehen.
Zuletzt ist dies im BMF-Schreiben vom 31.10.2013 (BStBl 2013 I S. 1376), dort unter Nummer 4, geschehen. Das BMF kann sich dabei guten Gewissens auf den Gesetzgeber verlassen, denn auch in der damaligen Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 9 Abs. 2 EStG heißt es, dass „Unfallkosten als außergewöhnliche Aufwendungen wieder neben der Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind“ (BT-Drucksache 16/12099 vom 3.3.2009, Seite 6 und 8). Aus mir unerfindlichen Gründen schaffen es dann doch wieder Fälle vor das Finanzgericht. Übereifrige Finanzbeamte setzen sich offenbar über das BMF-Schreiben hinweg und lassen es auf ein FG-Verfahren ankommen.
Leider erhalten sie von diesen Unterstützung – so jüngst vom FG Baden-Württemberg mit Urteil von 19.1.2018 (5 K 500/17, Revision unter VI R 8/18). Dieses hat entschieden, dass ärztliche Behandlungskosten aufgrund eines Autounfalls auf dem Weg zur Arbeit nicht als Werbungskosten absetzbar sind. Diese seien mit der Entfernungspauschale abgegolten.
So weit, so schlecht. Die Begründung hat es in sich: Da wird zur Untermauerung der FG-Auffassung die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Meister (BT-Drucksache 18/8523 vom 20. Mai 2016) herangezogen. Nur: Nach meinem Dafürhalten hat Dr. Meister seinerzeit eben nicht die Auffassung vertreten, die ihm vom FG nun unterstellt wird. Denn in der BT-Drucksache heißt es auf Seite 36: „Aus Billigkeitsgründen wird es von der Verwaltung ausnahmsweise jedoch nicht beanstandet, wenn Aufwendungen für die Beseitigung eines Unfallschadens bei einem Verkehrsunfall neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend gemacht werden. Voraussetzung für diese Billigkeitsregelung ist, dass der Verkehrsunfall sich auf einer Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, auf einer Umwegfahrt zum Betanken des Fahrzeugs oder zur Abholung der Mitfahrer einer Fahrgemeinschaft ereignet hat und nicht unter Alkoholeinfluss geschehen ist.“
Kann es sein, dass die Richter das Lesen auf Seite 35 eingestellt und die Folgeseite nicht beachtet haben?
Besonders krass ist übrigens folgender Satz: „Eine Anwendung der Weisungen der Finanzverwaltung – insbesondere auch ein Abzug aus Billigkeitsgründen – verbietet sich.“
Das wiederum ist unter Hinzuziehung des BFH-Urteils vom 14.3.2007 (XI R 59/04) noch unverständlicher, denn dort heißt es: „Der Steuerpflichtige hat einen auch vor den Steuergerichten zu beachtenden Rechtsanspruch darauf, nach Maßgabe der allgemeinen Verwaltungsanweisungen besteuert zu werden, es sei denn, die Billigkeitsregelung verlässt den gesetzlich vorgesehenen Rahmen.“
Nun gut, hat das BMF-Schreiben vom 31.10.2013 den gesetzlich vorgesehenen Rahmen verlassen? Laut Gesetzgeber nicht – laut FG offenbar schon. Das wird der BFH aber in der Revision zu entscheiden haben, die immerhin zugelassen – und auch eingelegt – worden ist.
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