Aufreger des Monats Juli: Wahrheitswidrige Angaben einer FG-Richterin

Das ist doch mal ein starkes Stück: Da beantragt der Kläger, eine Richterin wegen Befangenheit abzulehnen, weil diese bereits im vorgelagerten Verwaltungsverfahren mitgewirkt habe. Und was geschieht? Wahrheitswidrig behauptet die Richterin, die zudem noch Berichterstatterin war, sie hätte gar nicht mitgewirkt. Doch der Reihe nach:

Das Finanzamt erließ gegenüber dem Kläger einen Haftungs- und später einen Abrechnungsbescheid, mit dem es feststellte, dass auf die Haftungsschuld noch Säumniszuschläge zu entrichten seien. Der Einspruch des Klägers wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger erhob dagegen Klage und lehnte im Verlauf des Klageverfahrens die Berichterstatterin, Richterin am Finanzgericht (RiFG) X, wegen Befangenheit ab. Der Kläger begründete dies damit, dass RiFG X in unterschiedlichen Positionen mit den Vorgängen, die dem vorliegenden Verfahren zugrunde lägen, befasst gewesen sei. In ihrer dienstlichen Äußerung vom 4.2.2016 führte die RiFG X aus, dass sie an dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren, das zu dem Erlass der gerichtlich zu überprüfenden Entscheidung geführt habe, nicht beteiligt gewesen sei. Das FG wies daraufhin das Ablehnungsgesuch in anderer Besetzung, d.h. ohne Mitwirkung der RiFG X, mit Beschluss vom 22.2.2016 als unbegründet zurück. Die Klage gegen den Abrechnungsbescheid wurde mit Urteil vom 22.11.2018 unter Beteiligung der RiFG X abgewiesen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde vor dem BFH, mit der er die Zulassung der Revision begehrt. Er trägt vor, er habe inzwischen erfahren, dass die RiFG X, die in dem vorliegenden Verfahren Berichterstatterin gewesen sei und das Urteil mitunterschrieben habe, noch unter dem Namen Y die zu dem Haftungsbescheid ergangene Einspruchsentscheidung unterschrieben habe. Sie sei somit gemäß § 51 Abs. 2 FGO von dem Verfahren ausgeschlossen gewesen; ihre anderslautende dienstliche Äußerung sei wahrheitswidrig erfolgt. Den übrigen Richtern des FG, die sowohl an dem angefochtenen Urteil als auch an dem Beschluss vom 22.2.2016 mitgewirkt hätten, müssten diese Umstände bekannt gewesen sein. Jedenfalls in Bezug auf die übrigen Senatsmitglieder bestehe daher ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit.

Auf Anfrage des beschließenden Senats hat das Finanzamt tatsächlich bestätigt, dass RiFG X noch unter dem Namen Y die Einspruchsentscheidung vom unterschrieben hat.

Der BFH hat daraufhin der Beschwerde stattgegeben. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das Urteil des FG könne gemäß § 119 Nr. 2 FGO keinen Bestand haben, weil die daran mitwirkende RiFG X für den Streitfall nach § 51 Abs. 2 FGO von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen war (Beschluss vom 10.3.2020, VII B 208/18).

Allerdings, getreu dem Motto „ein Richter hackt dem anderen …“ (Sie wissen schon), wird die Sache an den gleichen (!) Senat zurückgewiesen. Der Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG bedürfe es hingegen nicht. Dies sei nur möglich, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit der übrigen Richter des erkennenden Senats des FG bestünden. Da eine solche Maßnahme das Recht beider Beteiligter auf ihren gesetzlichen Richter berührt, müssten hierfür besondere sachliche Gründe vorliegen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die übrigen Senatsmitglieder wussten, dass die RiFG X noch unter dem Namen Y die zu dem Haftungsbescheid ergangene Einspruchsentscheidung unterschrieben hat, seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe auch keine solchen Anhaltspunkte benannt, sondern lediglich einen „begründeten Verdacht“ behauptet, ohne allerdings auszuführen, worauf er diesen Verdacht stützt.

Fazit: Es reicht nicht aus, einem Mitglied des Senats nachzuweisen, dass er wahrheitswidrige Angaben gemacht hat. Nein, man muss dies jedem einzelnen Richter nachweisen, bevor eine Sache einem anderen Senat übergeben wird.

Weitere Informationen:

BFH, Beschluss v. 10.3.2020 – VII B 208/18

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