Ich hatte bereits vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass der bisherige Mantelbogen zur Einkommensteuererklärung 2019 “Kinder”, bekommen hat. Damals bin ich noch von drei „Kindern“ ausgegangen (Anlage Sonderausgaben, Anlage Außergewöhnliche Belastungen, Anlage Sonstiges). Tatsächlich sind es aber vier an der Zahl, denn ich vergaß die Anlage Haushaltsnahe Aufwendungen, wobei ich zugegeben muss, dass es wohl noch die eine oder andere weitere Anlage geben kann, die mir bislang nicht bekannt ist, weil sie nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommt.
Jedenfalls verbringe ich einen Teil des Dezembers und des Januars stets damit, Ausfüllhilfen zu den Steuererklärungsvordrucken zu erstellen. Meistens steht mir zu diesem Zeitpunkt kein Hilfsmittel zur Verfügung und die offiziellen Anleitungen helfen nur sehr bedingt weiter, denn immer dann, wenn es schwierig wird, schweigt des Sängers Höflichkeit und der „Vordruckgeber“ beschränkt sich auf Floskeln.
Wie fast jedes Jahr finde ich immer wieder Stellen in den Vordrucken, die mich – sagen wir einmal – ins Grübeln bringen. Ich könnte es auch drastisch formulieren: Auch nach fünfmaligem Lesen verstehe ich sie nicht – dabei bin ich seit über 37 Jahren im Steuerrecht tätig, war Finanzbeamter des mittleren Dienstes und des gehobenen Dienstes, bin Steuerberater und befasse mich als langjähriger Redakteur mit dem Verständnis von Fachtexten.
Jetzt bin ich aber niemand, der die Flinte nicht so schnell ins Korn wirft. Also frage ich Kolleginnen und Kollegen. Und siehe da: Meistens haben sie die gleichen Probleme.
Nun komme ich zu dem Zusammenspiel der Anlagen Außergewöhnliche Belastungen, Sonstiges und Haushaltsnahe Aufwendungen. Versuchen Sie einmal zu durchdringen, wie Pflegekosten geltend zu machen sind, wenn die Kosten im Rahmen einer Einzelveranlagung von Eheleuten, von Lebenspartnern oder von Ledigen getragen werden. Ich darf Ihnen verraten, dass – mit meinen Berufskolleginnen und -kollegen zusammengenommen – rund 150 Jahre Berufserfahrung erforderlich waren, um zu verstehen, was uns der Autor (= Vordruckgeber) mit seinen Worten sagen wollte.
Kleine Kostprobe: In der Anlage Sonstiges wird ein „übereinstimmender“ Antrag benötigt. In der Anlage Haushaltsnahe Aufwendungen ein „gemeinsamer Antrag“. Denken Sie ja nicht, dies sei das Gleiche. Die steuerlichen – vor allem die verfahrensrechtlichen – Folgen sind gänzlich anders.
Dann sind Pflegeleistungen in der Anlage Außergewöhnliche Belastungen gleich zweimal einzutragen, wobei man darüber stolpert, dass sie in der Anlage Haushaltsnahe Aufwendungen noch einmal abgefragt werden (aber dort ggf. gar nicht einzutragen sind). Und ein viertes Mal ist ggf. eine Eintragung in der Anlage Sonstiges erforderlich, denn wer hier nicht Obacht gibt, riskiert eine Kürzung der abziehbaren Aufwendungen.
Versuchen sie auch einmal zu verstehen, warum gezahltes Pflegegeld einmal als Erstattung und einmal als Aufwand – und zwar in zwei verschiedenen Anlagen – einzutragen ist.
Alles klar?
Übrigens, nur am Rande: Der BFH hat gegen die Finanzverwaltung entschieden, dass die Steuermäßigung gemäß § 35a EStG nur für Aufwendungen gewährt wird, die einem Steuerbürger für seine eigene Pflege entstehen. Hingegen ist der Steuervorteil ausgeschlossen für Aufwendungen, die er für eine andere Person übernimmt (BFH-Urteil vom 3.4.2019, VI R 19/17). Dies widersprich dem BMF-Schreiben vom 9.11.2016 (BStBl 2016 I S. 1213, Tz. 13). Nun ist das Urteil kürzlich im BStBl veröffentlicht, der Erlass meines Wissens aber nicht geändert worden. Zu interpretieren ist es wohl so, dass die Finanzverwaltung das Urteil anwendet. Aber auch dies ist ohne explizite Änderung des BMF-Schreibens alles andere als verständlich (und den Vordrucken im Übrigen auch beim besten Willen nicht zu entnehmen, denn woher soll der geneigte Leser wissen, dass in Zeilen 11-12 der Anlage Außergewöhnliche Belastungen Fragen zur Pflege einer anderen Person gestellt werden, die Zeilen 20-22 aber nur die eigenen Pflegekosten betreffen?
Freu mich, wenn ich so einen – eher mal fröhlichen Beitrag lese. Manchmal denke ich, dass es Programm ist um die Bürger (wir sind das Volk) zu verwirren. Oder, der Gesetzgeber will die Gerichtsbarkeit weiterhin mit Arbeit versorgen. Oder – der Formularersteller muss seine Steuererklärungen nicht selber anfertigen? Und hat darum von nichts eine Ahnung. Es gab mal ein Lied von Otto Walkes – wenn der Nippel…. Die dt. Bürger sind so obrigkeitshörig, dass sie alles mit sich geschehen lassen – jedes Jahr aufs Neue Änderungen in den Formularen ohne entsprechende Anleitung für „Doofe“. Naja, wir leben gut damit hier – und der Staat im Besonderen, weil der, der es selber macht eben dann nur unvollständig ausfüllt. Niemand ihn auf etwas zu Gunsten von ihm selber – nur zu Gunsten des Staates (immer noch wir – eigentlich) hinweist. Naja, so ist es – das Leben.