In meinem Beitrag „Überzogene Anforderungen an eine Stundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG“ habe ich über die Praxis der Erbschaftsteuer-Finanzämter berichtet, zinslose Stundungen nach „allen Möglichkeiten der Kunst“ zu verhindern. Auch habe ich das Urteil des FG Münster vom 20.11.2017 (3 K 396/16 AO) vorgestellt, welches entschieden hat, dass eine Stundung gemäß § 28 Abs. 3 ErbStG nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil die Erben zur Finanzierung der Erbschaftsteuerzahlung vorrangig einen Kredit hätte aufnehmen müssen. Mit ist nicht bekannt, dass das Urteil vor dem BFH angefochten worden ist, so dass es die Finanzämter – zumindest im Bereich des FG Münster – beachten müssten. Allerdings erkenne ich, dass das Urteil in der Verwaltung nach wie vor missachtet wird.
Nun ist es keine Seltenheit, dass negative FG-Urteile nicht umgesetzt werden. Und selbstverständlich ist es jedem Finanzbeamten überlassen, den nächsten Fall vor ein Finanzgericht bringen zu lassen. Aber: Der „Spaß“ hört auf, wenn die Finanzverwaltung Vordrucke oder Musterschreiben entworfen hat, die so konzipiert sind, dass sie
a) vollkommen überbordende Anforderungen an die Steuerpflichtigen stellen, die gar nicht erfüllt werden können,
b) die Steuerpflichtigen nicht einmal auf abweichende Urteile hinweist.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Steuerpflichtigen – anders als im klassischen Besteuerungsverfahren – in eine Zwangslage gebracht werden. Der typische Fall: Der Erbschaftsteuerbescheid ergeht. Bereits eine Woche später stellt der Berater einen Antrag auf zinslose Stundung nach § 28 ErbStG. Weitere zwei Wochen vergehen, bevor der Steuerpflichtige aufgefordert wird, er möge mittels Negativbescheinigung nachweisen, dass er keinen Kredit mehr erhält. Der Berater wendet sich gegen diese Aufforderung aufgrund des genannten Urteils des FG Münster. Es verbleiben nun nur noch wenige Tage, um zu handeln. Das heißt: Lehnt das Finanzamt die Stundung trotz des vorgebrachten Urteils ab, kann zwar der Klageweg beschritten werden. Es ist aber kaum Zeit vorhanden, um notfalls doch noch einen (Bau-)Kredit bei einer Bank zu erhalten.
Ich möchte damit Folgendes sagen: Die Finanzverwaltung weiß genau, dass sie das Urteil erst gar nicht beachten muss, da die Steuerpflichtigen ihr Anliegen auf zinslose Stundung mangels Zeit kaum weiterverfolgen können. Diesen Vorteil spielen die Finanzämter „gnadenlos“ aus – das ist für mich der Aufreger des Monats August.
Weitere Informationen:
FG Münster v. 20.11.2017 – 3 K 396/16 AO