Aufreger des Monats April: Sozialträger fordert kleine Schenkungen der Oma zurück

Enkelkinder, die sich über eine monatliche Schenkung ihrer Oma von 50 Euro freuen, sollten den jeweiligen Betrag nicht für Eis, Spielzeug, Handys oder dergleichen ausgeben, sondern zehn Jahre lang unangetastet auf einem Konto liegen lassen. Denn wird die Oma eines Tages pflegebedürftig, schwärmen die „bösen Detektive“ der Sozialträger aus und schauen, ob sie bei den Enkeln nicht den einen oder anderen Euro finden, denen sie ihnen wieder entreißen können.

Blöd, wenn das Geld dann bereits ausgegeben worden ist und man nicht weiß, wie man der Forderung der Sozialträger nachkommen soll. Sie halten das für „Herolds Märchenstunde“? Da kennen sie aber die Richter des Oberlandesgerichts Celle schlecht.

Soeben haben diese entschieden, dass regelmäßige Zahlungen der Oma an ihre Enkel zurückgefordert werden können, wenn die Schenkerin selbst bedürftig wird. Der Rückforderungsanspruch gehe auf den Sozialhilfeträger über, wenn dieser Leistungen erbringe. Das gilt auch dann, wenn eine Großmutter für ihre Enkelkinder Zahlungen auf ein Sparkonto geleistet hat (OLG Celle vom 13.2.2020, 6 U 76/19).

Der Sachverhalt:

Eine Großmutter hat für ihre beiden Enkel nach deren Geburt jeweils ein Sparkonto eröffnet und darauf über einen Zeitraum von elf bzw. neun Jahren jeweils monatlich 50 Euro eingezahlt, um für die Enkel Kapital anzusparen. Als die Großmutter vollstationär in einer Pflegeeinrichtung untergebracht werden musste, hatte sie die Zahlungen an ihre Enkel zwar bereits eingestellt, die für die Heimunterbringung von ihr anteilig zu tragenden Kosten konnte sie aber nicht aus eigenen Mitteln aufbringen. Deshalb kam der Sozialhilfeträger für diese Kosten auf und verlangte von den Enkeln die Rückzahlung der Beträge, die die Großmutter in den letzten zehn Jahren (!!!) auf die Sparkonten der Enkel eingezahlt hatte. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, weil es sich bei den geleisteten Zahlungen um sog. „Anstandsschenkungen“ handele, die nach dem Gesetz nicht zurückgefordert werden könnten. Aber das OLG Celle hat dieses Urteil geändert und die Enkel zur Zahlung der zurückgeforderten Beträge verurteilt.

Auffassung des OLG Celle:

Nach Auffassung des OLG stellen über mehrere Jahre monatlich geleistete Zahlungen an Familienangehörige zum Kapitalaufbau keine „privilegierten Schenkungen“ i.S.v. § 534 BGB dar. Deshalb kann der Sozialhilfeträger diese von den beschenkten Familienangehörigen zurückfordern, wenn der Schenker selbst bedürftig wird und deshalb Leistungen von einem Sozialhilfeträger bezieht. Schenkungen könnten nach dem Gesetz grundsätzlich dann zurückgefordert werden, wenn der Schenker seinen angemessenen Unterhalt nicht mehr selbst bestreiten könne und die zuvor geleisteten Schenkungen keiner sittlichen Pflicht (sog. „Pflichtschenkungen“) oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach (sog. „Anstandsschenkungen“). Dieser Anspruch gehe nach dem Gesetz auf den Sozialhilfeträger über, wenn der Schenker Sozialleistungen beziehe.

Die von der Großmutter regelmäßig zum Kapitalaufbau an die Enkel geleisteten Zahlungen stellten weder eine sittlich gebotene „Pflichtschenkung“ noch eine auf moralischer Verantwortung beruhende „Anstandsschenkung“ dar. Als solche könnten zwar anlassbezogene Geschenke z.B. zu Weihnachten und zum Geburtstag zu werten sein, die die Enkel ebenfalls von ihrer Großmutter bekommen hatten. Hier spreche aber nicht nur die Summe der jährlich geleisteten Beträge in Anbetracht der finanziellen Verhältnisse der Großmutter gegen ein dem Anstand entsprechendes Gelegenheitsgeschenk, auch der Zweck der Zuwendungen (Kapitalaufbau) spreche gegen eine solche Charakterisierung der Zahlungen, die gerade nicht als Taschengeld an die Enkel geleistet wurden. Die Richter betonen, dass es für den geltend gemachten Rückforderungsanspruch nicht darauf ankommt, ob es bei Beginn der Zahlungen für die Großmutter absehbar war, dass sie später einmal pflegebedürftig werden würde.

Meinung:

Ich weiß nicht, wie der Fall im Lichte des Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe vom 10.12.2019 entschieden worden wäre. Jedenfalls zeugt das Urteil nicht von Fingerspitzengefühl. Hier ein Satz aus der Urteilsbegründung: „Der jährliche Wert der Schenkung übersteigt jedenfalls in Anbetracht der finanziellen Verhältnisse der Großmutter den Wert eines Gelegenheitsgeschenkes.“ Übersetzt heißt das: Reiche Großeltern dürfen ihren Enkeln etwas schenken, arme Großeltern nicht. Danke, liebe Richter des OLG Celle, dass ihr das nun in aller Deutlichkeit jedem Rentner, der mit seiner Rente irgendwie klarkommen muss, mitgeteilt habt.

Ab sofort sollten Schenkungen an Enkelkinder im Bezirk des OLG Celle stets mit einem Widerrufsvorbehalt versehen sein. Vielleicht können die Hersteller von Geburtstagskarten darauf reagieren und einen entsprechenden Hinweis gleich vorformulieren: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Viel Spaß mit Deinem Geschenk. Bitte beachte aber, dass die Träger der Sozialversicherung dieses innerhalb der nächsten zehn Jahre zurückfordern können. Gehe daher bitte mit dem Geschenk sehr sorgsam um. Geldgeschenke solltest Du stets auf Dein Bankkonto einzahlen und unangetastet lassen.“

Weitere Informationen:
OLG Celle vom 13.2.2020, 6 U 76/19 (www.rechtsprechung.niedersachsen.de)


Lesen Sie in der NWB Datenbank hierzu auch folgenden infoCenter-Beitrag:

Kaya, Sozialhilferegress bei vorweggenommener Erbfolge
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Ein Kommentar zu “Aufreger des Monats April: Sozialträger fordert kleine Schenkungen der Oma zurück

  1. Den Hinweis auf der Geburtstagskarte würde ich genau umgekehrt formulieren: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Viel Spaß mit Deinem Geschenk. Gib das Geld bei nächster Gelegenheit aus. Lege es nicht aufs Sparbuch. Was Du ansparst, wirst Du eines Tages zurückzahlen müssen.“

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