Aufreger des Monats April: Rückgängigmachung des IAB für PV-Anlage oder keine Lust auf Karlsruhe

Für bestimmte Photovoltaikanlagen gilt seit 2022 eine gesetzliche Ertragsteuerbefreiung (§ 3 Nr. 72 EStG). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob ein Investitionsabzugsbetrag (IAB), der bis Ende 2021 für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage in 2022 ff. gebildet worden ist, rückgängig zu machen ist. Die Frage erhitzt die Gemüter und ist im Rahmen des NWB Experten-Blogs auch heftig diskutiert worden.

Das BMF hat sich jedenfalls – erwartungsgemäß – wie folgt positioniert (BMF-Schreiben vom 17.7.2023, BStBl 2023 I S. 1494):

Die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG setzt eine betriebliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht und damit mit prognostiziertem Totalgewinn voraus. Werden in diesen Fällen Einnahmen und Entnahmen ausschließlich aus der Stromerzeugung von Photovoltaikanlagen erzielt, die nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG begünstigt sind, gilt Folgendes:

  • In nach dem 31. Dezember 2021 endenden Wirtschaftsjahren scheidet die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen aus, da ein Gewinn nicht mehr zu ermitteln ist (§ 3 Nr. 72 Satz 2 i. V. m. § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe a EStG).
  • Investitionsabzugsbeträge, die in vor dem 1. Januar 2022 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31. Dezember 2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, sind nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen, wenn in nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlagen investiert wurde.

Soweit die Photovoltaikanlage Betriebsvermögen eines Betriebes ist, dessen Zweck nicht nur die Erzeugung von Strom aus Photovoltaikanlagen ist, sind die Regelungen zu den Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG (vgl. BMF-Schreiben vom 15.6.2022, BStBl 2022 I S. 945) weiterhin anzuwenden.

Nun hat sich auch das FG Köln geäußert, und zwar leider im Sinne des Fiskus: Die Rückgängigmachung von IAB für die Anschaffung von ab dem Jahr 2022 steuerbefreiten Photovoltaikanlagen ist nicht zu beanstanden. So lautet der Beschluss des FG Köln vom 14.3.2024 (7 V 10/24) in einem AdV-Verfahren.

Der Einfachheit halber erlaube ich mir, nachfolgend weitestgehend aus der Pressemittelung des FG vom 10.4.2024 zu zitieren.

Zunächst zum Sachverhalt:

Der Antragsteller bildete im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2021 für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage auf seinem Einfamilienhaus einen steuermindernden IAB. Im November 2022 schaffte er die Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 11,2 kWp an. Der Gesetzgeber stellte jedoch mit dem Jahressteuergesetz vom 17.12.2022 rückwirkend zum 1.1.2022 unter anderem Einnahmen aus Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern mit einer Leistung von bis zu 30 kWp steuerfrei. Hierauf machte das Finanzamt den bislang für 2021 gewährten IAB rückgängig, was zum Wegfall der zunächst eingetretenen Steuerminderung und für den Antragsteller zu einer Nachzahlung führte. Zur Begründung verwies das Finanzamt auf das oben genannte BMF-Schreiben. Der Steuerzahler legte dagegen Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Steuernachzahlung von der Vollziehung bis zur Entscheidung über seinen Einspruch. Den Aussetzungsantrag lehnte das Finanzamt ab. Daraufhin wandte sich der Steuerbürger an das FG. Seines Erachtens sei die nachträgliche Streichung des IAB unzulässig. Er habe sich vor der Gesetzesänderung zur Anschaffung der Photovoltaikanlage entschlossen und darauf vertraut, Einkommensteuern zu sparen. Doch der Aussetzungsantrag hatte auch beim FG keinen Erfolg.

Die Begründung:

Es bestehe kein besonderes Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da ihm durch die nachträgliche Streichung keine irreparablen Nachteile drohten. Die Rückgängigmachung sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keinen besonderen Schutz der Erwartung, dass die bisherige Rechtslage bestehen bleibe. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass durch die rückwirkende Steuerbefreiung allgemein eine günstigere Rechtslage eingetreten sei, von der zahlreiche Steuerzahlende profitierten. Der Umstand, dass hiermit als Rechtsreflex auch für Einzelne steuerlich nachteilige Folgen verbunden seien, führe nicht zu einem anderen Ergebnis.

Denkanstoß:

Es ging zunächst nur um ein AdV-Verfahren. Zudem hat der Antragsteller gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt, die unter dem Az. III B 24/24 beim BFH geführt wird. Es ist also noch nichts verloren. Betroffene sollten sich daher in ihren eigenen Fällen – weiterhin – gegen die Rückgängigmachung des IAB wehren.

Unabhängig davon: Wenn ich die Pressemitteilung, aber auch den Beschluss im Volltext lese, kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Richter einen eleganten Weg gesucht haben, um die Sache (das heißt das zu erwartende spätere Hauptsacheverfahren) nicht selbst nach Karlsruhe tragen zu müssen. Merkwürdigerweise – und für mich vollkommen unverständlich – haben sich die Richter zwar ausführlich mit der gesetzlichen Intention befasst, die mit § 3 Nr. 72 EStG verbunden ist. Die Intention des § 7g EStG, nämlich die Verschaffung von Liquidität für geplante Investitionen, wird jedoch außen vorgelassen bzw. mit dem Hinweis „abgestempelt“, es müsse hingenommen werden, dass für Einzelne durch die Neuregelung steuerlich nachteilige Folgen verbunden seien können.

Man mag dem FG Köln vielleicht im Ergebnis zustimmen, doch die Begründung des Beschlusses verdient für mich nur die Note „mangelhaft“. Daher habe ich dem Beschluss auch das zweifelhafte Prädikat „Aufreger des Monats“ verliehen.

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