Auflösung des Bundestages – Welche Rechtsfolgen hat das für die Gesetzgebungstätigkeit des Parlaments?

Am 27.12.2024 hat der Bundespräsident den Bundestag aufgelöst und Neuwahlen für den 23.2.2025 angesetzt. Was bedeutet das für die aktuelle Arbeit des Bundestags und laufende Gesetzgebungsverfahren?

Hintergrund

Der Bundeskanzler Scholz hatte am 16.12.2024 im Bundestag die Vertrauensfrage (Art. 68 GG) gestellt, nachdem am 6.11.2024 die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nach nur rund drei Jahren zerbrochen war. Der Bundeskanzler verfehlte für seinen Antrag – wie beabsichtigt – die erforderliche Mehrheit im Bundestag. Er bat daraufhin den Bundespräsidenten, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen.

Nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen, wenn dieser die Vertrauensfrage verliert. Die jetzt erfolgte Auflösung des Bundestages ist erst die vierte in der Geschichte der Bundesrepublik: Zuvor erfolgte die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode nur 1972 (Kanzlerschaft Willy Brandt), 1982 (Kanzlerschaft Helmut Schmidt) und 2005 (Kanzlerschaft Gerhard Schröder). Art. 39 Abs.1 S.4 GG regelt, dass die Neuwahl des Bundestages dann innerhalb von 60 Tagen stattfinden muss. Diese werden nun am 23.2.2025 stattfinden. Die voraussichtlich letzte Sitzung des Bundestages in der zu Ende gehenden Wahlperiode wird am 11.2.2025 stattfinden.

Folgen für Abgeordnetenrechte und laufende Gesetzgebungsverfahren

Der „aufgelöste“ Bundestag bleibt bis zum Zusammentritt eines neuen Bundestags nach den Wahlen am 23.2.2025 bestehen (Art. 39 Abs.1 S.2 GG). Es gibt also keine „parlamentlose“ Zeit. Damit bleiben auch die gewählten Abgeordneten unter Fortzahlung ihrer Bezüge im Amt. Genau wie die Abgeordneten bleiben auch alle Regierungsmitglieder in ihren Funktionen. Das Amt von Ministern und dem Kanzler endigt erst beim Zusammentritt des neuen Bundestages beziehungsweise sogar erst bei der Ernennung von Nachfolgern. Bis dahin werden die Regierungsgeschäfte vom bisherigen Kabinett weitergeführt, die bisherige Regierung bleibt also bis zum Abschluss von Koalitionsverhandlungen nach der Wahl geschäftsführend im Amt.

Für den Bundestag gilt allerdings das Diskontinuitätsprinzip. Das heißt, dass alle bisherigen Abgeordneten mit der Konstituierung eines neu gewählten Bundestages ihr Mandat verlieren (personelle Diskontinuität). Auch Untergliederungen und Organe des Bundestages wie etwa die Ausschüsse müssen neu gebildet werden (organisatorische Diskontinuität). Das hat für die aktuell 735 Abgeordneten weitreichende Folgen: Viele von ihnen werden nicht mehr in den Bundestag einziehen. Denn nach der nun greifenden Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition wird die Zahl der Mandate auf 630 begrenzt, vor allem durch den Wegfall von Überhang- und Ausgleichsmandaten. Zwar könnten Angeordnete zur Wahrung ihrer Abgeordnetenrechte (Art.38 GG) die Bundestagsauflösung verfassungsgerichtlich im Wege eines Organstreitverfahrens (Art. 93 Abs. 1 Nr.1 GG; §§ 13 Nr.5, 76 ff BVerfGG) überprüfen lassen (BVerfGE 62, S.1 ff). Ein solches Vorgehen scheint aber wenig wahrscheinlich, weil die materiellen Auflösungsvoraussetzungen vorliegen, die aktuellen politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag die Arbeit des Bundeskanzlers so lähmen oder gar unmöglich machen, dass eine vom stetigen Vertrauen der Parlamentsarbeit getragene Politik praktisch unmöglich ist.

Was wird jetzt aus laufenden Gesetzgebungsverfahren, die in der noch laufenden Legislaturperiode im Bundestag eingebracht, jedoch noch nicht verabschiedet worden sind? Zwar bleibt das Parlament unverändert handlungsfähig, könnte also so wichtige Vorhaben wie den Gesetzentwurf für den Bundeshaushalt 2025 (BT-Drs. 20/1240), das für Bürger so wichtige Gesetz für eine Verlängerung der Mietpreisbremse (BT-Drs. 20/14238) oder das für die Wirtschaft so wichtige Gesetz zur Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (BT-Drs. 20/14015 und 20/14021) beschließen, allerdings nur mit Mehrheit, über die Minderheitsregierung bekanntlich jetzt nicht mehr verfügt.

Alle Gesetzentwürfe und andere Vorlagen, die vom alten Bundestag noch nicht abschließend in zweiter und dritter Lesung beschlossen wurden, müssen neu eingebracht und verhandelt werden (sachliche Diskontinuität). Vom Diskontinuitätsprinzip unberührt bleiben nur Petitionen und Angelegenheiten der Europäischen Union.

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