Anzeigepflicht für Steuergestaltungen – Steuergefährdung auch ohne Steuergefährdung

Die Anzeigepflicht für Steuergestaltungen soll den Fiskus vor „aggressiven“ Modellen schützen. Daher geht es insbesondere darum, „künstliche“ Gestaltungen anzuzeigen, bevor sie verwirklicht werden. Das heißt:  Wird eine Gestaltung gewählt, um einen nicht vorgesehenen Steuervorteil zu erlangen, muss vorweg angezeigt werden.

Dazu ein Beispiel: Ein GmbH-Gesellschafter hat eine Bürgschaft für Bankverbindlichkeiten der Gesellschaft übernommen. Mit Blick auf die drohende Inanspruchnahme aus der Bürgschaft und die bevorstehende Vollstreckung in ein als Sicherheit dienendes privates Grundstück sowie die drohende Liquidation der Gesellschaft leistet er eine Zuführung in die Kapitalrücklage der GmbH. Die GmbH verwendet das Geld planmäßig dazu, ihre Bankverbindlichkeiten zu tilgen. Durch Erfüllung der Hauptschuld werden auch die Bürgen von der Haftung frei. Die Haltung der Finanzverwaltung: Die Gestaltung ist „künstlich“, denn der Gesellschafter hätte das Geld ja auch direkt an die Bank zahlen können. Daher seien keine nachträglichen Anschaffungskosten i.S. des § 17 EStG gegeben.

Frage: Hätte die Gestaltung vor ihrer Verwirklichung angezeigt werden müssen? Laut Finanzverwaltung (bzw. geplantem Gesetz) ja!

Doch nun kommt es: Der BFH kann in der vom Gesellschafter gewählten Vorgehensweise gar keinen Gestaltungsmissbrauch erkennen, da die Ausstattung einer Gesellschaft mit Eigenkapital nicht den Wertungen des Gesellschaftsrechts widerspricht (vgl. Urteil vom 20.7.2018,  IX R 5/15).

Nun frage ich noch einmal: Hätte die „Gestaltung“, die laut BFH ja gar keine „Gestaltung“ ist (zumindest keine missbräuchliche Gestaltung), vorher angezeigt werden müssen?

Laut Finanzverwaltung wahrscheinlich ja. Das heißt: Es handelt sich zwar nicht um eine missbräuchliche Gestaltung und es wird auch kein Steueranspruch gefährdet, denn der steuerliche „Vorteil“ wird laut BFH zurecht gewährt. Dennoch könnte der Berater in dem genannten Fall mit einem Bußgeld von 25.000 Euro belegt werden, und zwar wegen einer „Steuergefährdung“, die es gar nicht gegeben hat. Schließlich hätte der Gesetzgeber die Gestaltung ja – zumindest theoretisch – unterbinden können, wenn er frühzeitig darüber informiert worden wäre. Also ist der Steueranspruch irgendwie doch gefährdet gewesen.

Ich verspreche Ihnen: Die Absurditäten der Anzeigepflicht für Steuergestaltungen werden uns in den kommenden Jahren verfolgen.

Weitere Informationen:

BFH v. 20.07.2018 – IX R 5/15

 

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