Im Jahre 2021 hat der BFH entschieden, dass der auf das häusliche Arbeitszimmer entfallende Gewinn aus dem Verkauf des Eigenheims nicht der so genannten Spekulationsbesteuerung unterliegt. Der Veräußerungsgewinn ist auch dann in vollem Umfang steuerfrei, wenn zuvor Werbungskosten für das Arbeitszimmer abgesetzt wurden (BFH-Urteil vom 1.3.2021, IX R 27/19).
So weit, so gut. Doch die Begründung wirkte irgendwie gekünstelt: Nach Auffassung des BFH liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch hinsichtlich eines häuslichen Arbeitszimmers vor, das sich in der im Übrigen selbst bewohnten Eigentumswohnung befindet. Auch bei einer nahezu ausschließlichen Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers für berufliche Tätigkeiten könne unterstellt werden, dass es in ganz geringem Umfang zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird – und darauf komme es an.
Jedenfalls ging im Anschluss ein Urteil des Niedersächsischen FG in eine ähnliche Richtung: Der Gewinn aus der Veräußerung von selbstgenutztem Wohneigentum ist auch dann in vollem Umfang von der Besteuerung ausgenommen, wenn in den Jahren vor der Veräußerung wiederkehrend einzelne Räume des Gebäudes lediglich an einzelnen Tagen an Messegäste vermietet wurden (Urteil vom 27.5.2021, 10 K 198/20).
Mir erschien das Urteil etwas überraschend, aber in Anbetracht des BFH-Urteils war es vielleicht vertretbar. Allerdings hat es der BFH offenbar nicht so sehr mit Überraschungen und hat die Entscheidung aus Niedersachsen nun kassiert (BFH-Urteil vom 19.7.2022, IX R 20/21): Wird ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Reihenhaus innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn insoweit nicht gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, als er auf tageweise an Dritte vermietete Räume entfällt. Eine räumliche oder zeitliche Bagatellgrenze für eine unschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte besteht nicht. Aufteilungsmaßstab für die Ermittlung des steuerbaren Anteils am Veräußerungsgewinn ist das Verhältnis der Wohnflächen zueinander.
Der Sachverhalt:
Ein Ehepaar erwarb im Jahre 2011 ein Reihenhaus, das sie selbst bewohnten und im Jahre 2017 wieder verkauften. Sie vermieteten bis dahin einzelne Zimmer im Dachgeschoss des Hauses tageweise an Messegäste und erzielten daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Konkret waren es zwischen 12 und 25 Tagen pro Jahr. Das Finanzamt ging wegen der zeitweise erfolgten Vermietung einzelner Zimmer des Hauses davon aus, dass durch die Veräußerung ein privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 EStG zu berücksichtigen sei. Es ermittelte Einkünfte nach § 23 EStG in Höhe von rund 34.000 Euro, indem es die Fläche des Dachgeschosses ins Verhältnis zur gesamten Wohnfläche setzte. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich, doch der BFH hat der Revision des Finanzamts stattgegeben
Der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts ist nicht erfüllt, soweit die Wohnung im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich, das heißt zeitlich durchgängig, zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden ist. Die vorübergehende Vermietung einzelner Zimmer einer Wohnung schließe die „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ aber aus, soweit der Mieter die vermieteten Räume unter Ausschluss des Vermieters nutzt.
Denkanstoß:
Das Wort „soweit“ ist in der oben genannten Aussage von besonderer Bedeutung. Maßstab für die Ermittlung des anteilig steuerbaren Veräußerungsgewinns sei das Verhältnis der Wohnflächen zueinander (durchgängig zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnfläche zu vorübergehend zu fremden Wohnzwecken überlassener Wohnfläche). In diesem Zusammenhang sei auf die Wohn- und nicht auf die Nutzflächen abzustellen.
Wichtig: Unschädlich sei die Überlassung von Bad und Flur zur Mitbenutzung durch die Mieter; denn dies schließe die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und die Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht aus. Für ein in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenes Badezimmer und den Flur verbleibe auch bei deren Vermietung zur Mitnutzung eine jedenfalls geringfügige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken.
Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen, damit dieses den steuerpflichtigen Teil des Veräußerungsgewinns ermittelt.