Aktiengesellschaften nehmen oftmals Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln vor und geben in diesem Zuge junge Aktien aus, zuweilen auch als Gratisaktien bezeichnet. Während die steuerliche Behandlung von Kapitalerhöhungen deutscher Gesellschaften schon recht schwierig sein kann, gilt dies umso mehr bei ausländischen Gesellschaften. Die Ausgabe von „Freiaktien“ wird hier häufig wie Bardividenden betrachtet; die Hingabe kann also sofortiger steuerpflichtiger Kapitalertrag sein.
Doch dies muss nicht so sein, wie aktuell der Fall der Air Liquide S.A. zeigt. Anleger dieser Gesellschaft sollten die Besteuerung überprüfen und sich eventuell zu viel gezahlte Steuern bei ihrem Finanzamt zurückholen.
Zum Hintergrund: Die französische Air Liquide S.A. hat im Jahre 2019 eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt. Bei dieser Kapitalmaßnahme buchten depotführende Kreditinstitute teilweise für die jungen Aktien die Anschaffungskosten in Höhe des Börsenkurses am ersten Handelstag ein. Außerdem wurde in gleicher Höhe ein steuerpflichtiger Kapitalertrag abgerechnet. Doch das war falsch und führte letztlich zu einer steuerlichen Benachteiligung der Anleger.
Das BMF weist nun darauf hin, dass für die von der Kapitalmaßnahme betroffenen Aktien eine Korrektur der Anschaffungskosten erforderlich ist und sich Anleger zu viel gezahlte Kapitalertragsteuer vom Finanzamt zurückholen können. Anleger sollten hiervon unbedingt Gebrauch machen, denn sonst zahlen sie unnötig Steuern. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden (BMF-Schreiben vom 11.6.2020, IV C 1 – S 2252/19/10028 :002).
Korrektur der Anschaffungskosten erfolgt durch depotführendes Kreditinstitut
Zur Korrektur der Kapitalmaßnahme bei den unveränderten Aktienbeständen sind von den depotführenden Kreditinstituten die Anschaffungskosten der Altaktien auf die mit der Kapitalmaßnahme eingebuchten jungen Aktien nach dem rechnerischen Bezugsverhältnis zu übertragen. In gleicher Höhe sind die Anschaffungskosten der Altaktien zu mindern. Als Zeitpunkt der Anschaffung der jungen Aktien gilt der Zeitpunkt der Anschaffung der Altaktien. Zur Vorlage beim zuständigen Wohnsitz-Finanzamt bestätigt das Kreditinstitut, dass es lediglich eine Anschaffungskostenkorrektur vorgenommen hat. Die Prüfung und ggf. Erstattung der anlässlich der Kapitalmaßnahme einbehaltenen Kapitalertragsteuer erfolgt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung durch das Wohnsitz-Finanzamt.
Keine Korrektur der Anschaffungskosten durch depotführendes Kreditinstitut
Haben sich die Aktienbestände zwischenzeitlich teilweise oder vollständig verändert, nimmt das depotführende Kreditinstitut keine Korrektur der Anschaffungskosten vor. Auch in diesem Fall erfolgt die Prüfung und ggf. Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung.
Hinweis
Eine Berichtigung der Anschaffungskosten bzw. eine Erstattung von Kapitalertragsteuer kann ausnahmsweise auch erfolgen, wenn der Steuerbescheid für das Jahr 2019 bereits bestandskräftig ist. Unter Vorlage von diversen Bescheinigungen, die in BMF-Schreiben näher erläutert sind, ist ein Antrag nach § 163 AO zu stellen.
Weitere Informationen: