Krankheitskosten sind bekanntlich als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art gemäß § 33 EStG absetzbar. Voraussetzung dafür aber ist, dass die medizinische Notwendigkeit, d.h. die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachgewiesen wird (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV). Handelt es sich um wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, ist ein Attest des Amtsarztes oder eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2f EStDV). Mit nun rechtskräftigem Urteil vom 4.7.2018 (1 K 1480/16) hat das FG Rheinland-Pfalz aber eine erfreuliche Entscheidung getroffen. Danach kann ein Steuerpflichtiger Kosten für eine wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethode auch dann als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen kann, wenn er dem Finanzamt zum Nachweis der Erforderlichkeit der Behandlung nur eine kurze Stellungnahme des Amtsarztes und kein ausführliches Gutachten vorlegt.
Der Sachverhalt: Ab Februar 2011 ließen die Kläger ihre 2 ½-jährige und wegen Komplikationen bei der Geburt schwerbehinderte Tochter in einem von zwei Heilpraktikern betriebenen „Naturheilzentrum“ behandeln. Nachdem die Krankenkasse die Erstattung der Kosten von 16.800 EUR abgelehnt hatte, machten die Kläger die Aufwendungen im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend und legten ein privatärztliches Attest einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde (Homöopathie) vor. Diese kam zu dem Ergebnis, dass bei dem schweren Krankheitsbild jeder Versuch, das Ergebnis zu verbessern, für die Familie wichtig und auch medizinisch jeder positive Impuls für das Kind zu begrüßen sei, weshalb sie auch ärztlich die Teilnahme am Förderprogramm des Naturheilzentrums empfehle. Auf diesem Attest hatte der zuständige Amtsarzt vermerkt: „Die Angaben werden amtsärztlich bestätigt“.
Das beklagte Finanzamt erkannte die Behandlungskosten nicht als außergewöhnliche Belastung an mit der Begründung, dass die knappe Äußerung des Amtsarztes kein „Gutachten“ darstelle. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Wie das Finanzamt war auch das Finanzgericht der Auffassung, dass die Tochter der Kläger mit wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden behandelt worden sei, so dass der Nachweis der Erforderlich- bzw. Zwangsläufigkeit nach § 64 EStDV in qualifizierter Form geführt werden müsse. Diese Anforderungen seien laut Ansicht des FG aber erfüllt. Zwar enthalte der Wortlaut des § 64 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStDV tatsächlich den Begriff „amtsärztliches Gutachten“. Die Vorschrift ermächtige jedoch nicht nur den Amtsarzt, sondern in gleicher Weise auch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse, die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen bei unkonventionellen Behandlungsmethoden zu bestätigen. Hierfür müsse der medizinische Dienst nur eine „Bescheinigung“ ausstellen. Vor diesem Hintergrund und mit Rücksicht auf Sinn, Zweck und historische Entwicklung der Vorschrift seien daher an das „Gutachten“ des Amtsarztes in Bezug auf Form und Inhalt keine höheren Anforderungen als an eine „Bescheinigung“ zu stellen.
Hinweis: Es ist erfreulich, dass die Entscheidung rechtskräftig geworden ist, denn ich bin mir nicht sicher, ob der BFH die Sache gleichermaßen beurteilt hätte. Erst kürzlich hat der BFH nämlich entschieden, dass auch in Fällen einer voraussichtlich tödlich verlaufenden Krankheit die Nachweise vom Arzt bzw. Amtsarzt eingeholt und dem Finanzamt vorgelegt werden müssen (BFH-Beschluss vom 24.10.2018, VI B 120/17). Er hat also eine streng formale Betrachtungsweise.
Weitere Informationen:
FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung v. 04.01.2019