K(l)eine Überraschung aus München: Nach einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil des BFH bleibt es dabei, dass Adoptionskosten keine außergewöhnliche Belastung darstellen. Die Entscheidung macht deutlich, wie verzwickt die Rechtslage bei den agB mittlerweile ist.
Noch vor zwei Jahren erklärte der VI. Senat des BFH seine Absicht zur Rechtsprechungsänderung in aller Deutlichkeit. Entgegen der bisherigen Haltung des III. Senats sollten Adoptionskosten künftig als außergewöhnliche Belastung abziehbar werden. Eine Anrufung des Großen Senats zur Rechtsfrage blieb dann jedoch aus. Nun schloss sich der VI. Senat kommentarlos der bisherigen Rechtsprechung an. Wie es zu diesem kompletten Sinneswandel kam, bleibt unklar. Mit großer Verwunderung muss man – wie ich finde – den Kommentar des mit dem Fall befassten BFH-Richters Dr. Geserich in der aktuellen NWB-Ausgabe aufnehmen. Dort schreibt er, dass es dem Beratungsgeheimnis unterliege, ob man die Vorlage an den Großen Senat aus Überzeugung unterließ, oder weil man sich „gegängelt“ fühlte. Letzteres wäre in meinen Augen ein ausgemachter Justizskandal. Wahrscheinlicher ist allerdings ohnehin die erste Variante. War die Thematik im Senat von Anfang an umstritten, hätte der Meinungsumschwung schon durch die zwischenzeitlichen Richterwechsel im VI. Senat erfolgen können. Ironischerweise fiel in den Betrachtungszeitraum auch noch die Doppelmitgliedschaft einer Richterin in den sich gegenüberstehenden Senaten III und VI. Vor Gericht und auf hoher See…
Von der Rechtsfolgenseite her wirkt die Entscheidung absurd. Denn während eine künstliche Befruchtung grundsätzlich abzugsfähig ist, bleiben Adoptionsaufwendungen als reine Kosten der privaten Lebensführung unberücksichtigt. Das erscheint insofern paradox, als dass beide Methoden einzig und allein auf die Erfüllung des Kinderwunsches abzielen.
In diese Bredouille gerät die Rechtsprechung, weil sie Krankheitskosten allgemein ohne Einzelfallprüfung als außergewöhnliche Belastung anerkennt. Über einen solchen ‚Umweg‘ wird die künstliche Befruchtung absetzbar, während selbiges bei der Adoption – zu Recht – verneint wird. Dabei konnte der BFH im konkreten Fall unbeantwortet lassen, ob er bei Unmöglichkeit der künstlichen Befruchtung ebenso entschieden hätte.
Mit der äußerst knappen Entscheidung unterlässt der BFH leider auch jeglichen Hinweis in Sachen ‚Prozesskosten‘. Und dann wäre da ja noch das Thema ‚Ehescheidung‘ offen.
Weitere Infos:
- Geserich, Kommentar zu BFH, VI R 60/11, NWB 29/2015 S. 2120-2121