Im Sommer 2016 überraschte die Bundesregierung mit dem Vorschlag, den umsatzsteuerlichen Schwellenwert für Kleinbetragsrechnungen von 150 € auf 200 € anzuheben. Seit dem zieht sich der Gesetzgebungsprozess etwas. Es überrascht, dass kaum ablehnende Stimmen zu hören sind.
Vielmehr hatten sich in der öffentlichen Anhörung die Lobbyisten Sachverständigen dafür ausgesprochen, eine noch weitergehende Anhebung auf 300 € oder sogar 400 € vorzunehmen. Besonders plump ist dabei das Argument, dass schließlich auch andere Mitgliedstaaten so verfahren würden. Das ist zwar nicht völlig unzutreffend. Nur wird gern unterschlagen, dass ausschließlich Österreich den Handlungsspielraum der EU-Richtlinie vorbehaltlos ausreizt. Österreich! Ich habe hier im Blog ja schon öfter dargestellt, dass unsere Alpennachbarn schlicht schlauere Umsatzsteuergesetze machen als wir. Aber dieser Regelung ist keine Vorbildfunktion zuzumessen.
Nicht umsonst setzen die meisten EU-Mitgliedstaaten selbst die halb-obligatorische Vereinfachung für Kleinstrechnungen bis 100 € auch nur halbherzig um. Denn die Vereinfachung für Kleinbetragsrechnungen ist ein Einfallstor für Steuerhinterziehung. Zu berücksichtigen ist dabei der Regelungszweck: Die Vereinfachung soll den Rechnungsaussteller entlasten, nicht den Empfänger. Letzterer kann sich zunehmend ohnehin darauf zurückziehen, überhaupt keine Rechnung mehr für den Vorsteuerabzug zu benötigen. Demgegenüber spart sich der Aussteller einigen Aufwand. Und für die Finanzverwaltung sind Umsätze aus Kleinbetragsrechnungen kaum überprüfbar: die Regelung verleitet also beinahe schon zu Steuerhinterziehung.
So geht auch die Bundesregierung schon davon aus, dass allein durch Betrugsfälle auf der Empfängerseite ein (geringer) Steuerausfall entstehen könnte. Zu den Folgen auf Ausstellerseite schweigt man. Will man den Grenzwert unbedingt erhöhen, sollte man diesen wenigstens an eine unbare Zahlung koppeln. Dann wäre man auch den Österreichern wieder einen Schritt voraus.
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