Steuerliche Risiken für Krypto-Anleger

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 6. März 2025 ein neues Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowerten veröffentlicht, das das Vorgängerschreiben vom 10. Mai 2022 ersetzt (IV C 1 – S 2256/00042/064/043). Für Anleger bedeutet dies eine deutliche Erhöhung der Compliance-Anforderungen und potenzielle steuerstrafrechtliche Risiken. Dieser Beitrag beleuchtet die praktischen Auswirkungen, typische Fallstricke und Strategien zur Risikominimierung.

Erweiterte Dokumentations- und Mitwirkungspflichten

Das neue BMF-Schreiben konkretisiert die Dokumentations- und Mitwirkungspflichten für Krypto-Anleger erheblich:

  • Lückenlose Transaktionsübersichten aller genutzten zentralen Exchanges (CEXs)
  • Wallet-Adressen und Zeitstempel sämtlicher Transaktionen
  • Screenshots von Krypto-Börsen als ergänzende Nachweise
  • Detaillierte Kursinformationen zu Anschaffungs- und Veräußerungszeitpunkten

Besonders herausfordernd ist die Dokumentation bei dezentralen Exchanges (DEXs), wo standardisierte Transaktionsübersichten oft nicht verfügbar sind. Hier liegt die Beweislast vollständig beim Steuerpflichtigen.

Schätzungsbefugnis der Finanzbehörden

Bei unzureichender Dokumentation erhält die Finanzverwaltung erweiterte Befugnisse zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. Dies führt in der Praxis häufig zu ungünstigeren steuerlichen Ergebnissen als bei korrekter Deklaration. Die Finanzbehörden können:

  • Rohdatensätze von Steuersoftware anfordern
  • Blockchaintransaktionen selbständig nachverfolgen
  • Pauschalschätzungen vornehmen, die regelmäßig zu höheren Steuerbelastungen führen

Verschärfte Überwachung und Datenabgleich

Die Finanzverwaltung rüstet technologisch auf. Es zeichnet sich ab, dass Finanzämter künftig eigene Tools zur Überprüfung von Krypto-Transaktionen einsetzen und Softwareanbieter beauftragen werden, um Steuerreports auf Basis gesammelter Daten zu erstellen. Parallel dazu besteht die Pflicht europäischer Kryptobörsen, Kundendaten gemäß der DAC-8 Richtlinie der EU zu liefern, was einen automatisierten Datenabgleich ermöglicht.

Kritische Würdigung fragwürdiger BMF-Positionen

Die Problematik der Durchschnittskurse

Das BMF schreibt zur Ermittlung der Anschaffungskosten und Veräußerungspreise die Verwendung von Durchschnittskursen vor. Dies ist dogmatisch fragwürdig, da §23 EStG für die Gewinnermittlung bei privaten Veräußerungsgeschäften grundsätzlich auf die tatsächlichen Anschaffungs- und Veräußerungspreise abstellt. Der tatsächliche Transaktionspreis kann erheblich von einem Durchschnittskurs abweichen – insbesondere bei volatilen Kryptowährungen und an Tagen mit extremen Kursschwankungen.

Die Vorgabe der Durchschnittskursermittlung widerspricht dem im Steuerrecht geltenden Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Steuerpflichtige sollten argumentieren, dass der tatsächliche Transaktionskurs – sofern nachweisbar – maßgeblich sein muss.

Umgang mit Kursgewinnen und -verlusten

Das BMF-Schreiben lässt eine differenzierte Betrachtung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten vermissen. Zwar können Verluste aus Krypto-Transaktionen grundsätzlich mit Gewinnen aus Krypto-Transaktionen verrechnet werden, jedoch bestehen erhebliche Einschränkungen:

  • Verrechnungsbeschränkung auf Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 3 S. 7 EStG)
  • Keine Verrechnung mit anderen Einkunftsarten
  • Problematische Abgrenzung zwischen verschiedenen Mining-Arten, DeFi-Aktivitäten etc.

Die strenge Trennung verschiedener Einkunftsarten bei Kryptoaktivitäten ist wirtschaftlich kaum zu rechtfertigen, da es sich um eng verbundene Tätigkeiten im selben Ökosystem handelt. Hier sollte eine liberalere Auslegung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten erwogen werden.

Die Blockreward: Belohnung ohne Belohnenden?

Das BMF-Schreiben charakterisiert die Blockreward als „Belohnung“ für erbrachte Validierungsleistungen. Diese Charakterisierung ist bei näherer Betrachtung problematisch:

  • Bei Bitcoin existiert kein identifizierbarer „Belohnender“ – die Coins werden algorithmisch neu geschaffen
  • Es handelt sich vielmehr um einen systemimmanenten Inflationsmechanismus zur Tokenverteilung
  • Der Begriff „Belohnung“ impliziert einen zugrundeliegenden Leistungsaustausch, der so nicht besteht

 

Die fehlende Differenzierung zwischen verschiedenen Blockchain-Mechanismen führt zu Fehlschlüssen. Die steuerliche Einordnung sollte sich stärker an der technischen Realität orientieren: Bei Bitcoin handelt es sich um eine algorithmische Tokengenerierung ohne identifizierbaren Leistungsempfänger.

Blockreward als Anschaffungsvorgang?

Noch problematischer ist die Behandlung der Blockreward als „Anschaffungsvorgang“. Ein Anschaffungsvorgang setzt zivilrechtlich einen Übertragungsakt von einem Veräußerer auf einen Erwerber voraus. Bei der Blockreward fehlt es jedoch an einem Veräußerer – die Coins entstehen neu im System.

Dogmatisch überzeugender wäre die Anerkennung, dass Mining einen originären Erwerbsvorgang sui generis darstellt, der nicht in das klassische Schema der „Anschaffung“ passt. Diese begriffliche Ungenauigkeit kann erhebliche Auswirkungen auf die Bestimmung der steuerrelevanten Haltefristen und damit die potenzielle Steuerfreiheit nach §23 EStG haben.

Stromverbrauch und AfA bei Mining-Aktivitäten

Das BMF-Schreiben bleibt erstaunlich vage bezüglich der abzugsfähigen Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei Mining-Aktivitäten. Während grundsätzlich sowohl bei privatem als auch gewerblichem Mining Kosten geltend gemacht werden können, fehlen konkrete Vorgaben:

  • Keine klaren Regelungen zur Abgrenzung privat/geschäftlich genutzter Strommengen
  • Keine Erläuterungen zu zulässigen Abschreibungsmodellen für Spezial-Hardware
  • Unzureichende Berücksichtigung von Mischnutzungsszenarien (z.B. Mining und Gaming)

 

Steuerpflichtige sollten detaillierte Aufzeichnungen über Stromverbrauch (idealerweise mit separatem Stromzähler), Nutzungszeiten und tatsächliche Auslastung der Hardware führen. Bei der AfA ist auf die tatsächliche technische Nutzungsdauer abzustellen, die bei Mining-Hardware deutlich unter den üblichen Abschreibungszeiträumen für IT-Equipment liegen kann.

Typische Fallstricke bei der Besteuerung von Kryptowerten

Unzureichende Dokumentation bei Wallet-Transfers

Ein häufiger Fehler ist die mangelhafte Dokumentation von Transfers zwischen verschiedenen Wallets. Das BMF-Schreiben stellt klar, dass jedes private Veräußerungsgeschäft einzeln nachvollziehbar sein muss. Datenverluste – selbst unverschuldete durch Hacker-Angriffe oder technische Defekte – gehen zulasten des Steuerpflichtigen.

Fehleinschätzung bei DeFi-Transaktionen

Das aktualisierte BMF-Schreiben adressiert erstmals detaillierter DeFi-Transaktionen. Viele Anleger übersehen, dass Aktivitäten wie Liquidity Mining oder der Tausch von Token in Liquidity Pools als steuerlich relevante Tauschgeschäfte gelten können. Die Dokumentation solcher Transaktionen ist besonders anspruchsvoll, da zentrale Übersichten fehlen.

Falsche Einordnung von Staking-Erträgen

Das BMF differenziert nun klarer zwischen verschiedenen Formen des Stakings und deren steuerlicher Behandlung. Die Einordnung als gewerbliche oder private Einkünfte hat erhebliche Auswirkungen auf die Steuerbelastung und Verlustverrechnungsmöglichkeiten. Fehler bei dieser Klassifizierung können zu erheblichen Steuernachzahlungen führen.

Nichtbeachtung der FiFo-Methode

Die First-in-First-out-Methode (FiFo) bleibt der verbindliche Standard zur Gewinnermittlung. Anleger, die andere Berechnungsmethoden anwenden oder die chronologische Reihenfolge ihrer Transaktionen nicht nachweisen können, riskieren Steuernachzahlungen und potenzielle strafrechtliche Konsequenzen.

Strategien zur nachträglichen Korrektur und Selbstanzeige

Eine Selbstanzeige kann der beste Ausweg sein, wenn in der Vergangenheit Kryptogewinne nicht ordnungsgemäß versteuert wurden. Sie bietet die Möglichkeit, straffrei zu bleiben, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die Steuerhinterziehung wurde von den Finanzbehörden noch nicht entdeckt
  • Es liegt kein Ausschlussgrund (z.B. eine laufende Prüfung) vor
  • Sämtliche steuerlich relevanten Transaktionen der letzten zehn Jahre werden vollständig offengelegt

 

Ablauf einer erfolgreichen Selbstanzeige

Der Prozess einer Selbstanzeige umfasst mehrere Schritte:

  1. Rekonstruktion aller Transaktionen: Sammlung und Aufbereitung sämtlicher Krypto-Transaktionsdaten
  2. Erstellung einer vollständigen Dokumentation: Lückenlose Darstellung aller steuerpflichtigen Vorgänge
  3. Einreichung beim Finanzamt: Formgerechte schriftliche Einreichung aller relevanten Unterlagen
  4. Prüfung durch das Finanzamt: Bearbeitung und mögliche Rückfragen
  5. Berechnung der Steuerschuld: Festsetzung der nachzuzahlenden Steuern plus Zinsen
  6. Fristgerechte Zahlung: Entrichtung aller Steuern und Zinsen innerhalb der gesetzten Frist

 

Die Erstellung einer wirksamen Selbstanzeige ist komplex und erfordert umfassende steuerliche und rechtliche Expertise. Um Fehler zu vermeiden und die Strafbefreiung nicht zu gefährden, empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Steuerberater bzw. Rechtsanwalt.

Fazit

Das BMF-Schreiben vom März 2025 markiert eine deutliche Verschärfung der steuerlichen Anforderungen für Krypto-Anleger. Kritisch zu hinterfragen sind die dogmatisch teils fragwürdigen Positionen der Finanzverwaltung – insbesondere hinsichtlich der Behandlung von Mining-Erträgen und der Gewinnermittlung. Diese Unklarheiten bieten einerseits Raum für Rechtsunsicherheit, andererseits aber auch Gestaltungsspielräume für steuerliche Argumentationen. Wer in der Vergangenheit Fehler gemacht hat, sollte zeitnah handeln – sei es durch Korrektur der Steuererklärungen oder durch eine sorgfältig vorbereitete Selbstanzeige mit fachkundiger Unterstützung.

Ein Beitrag von:

  • Dr. Remmert A. Stock

    • Rechtsanwalt
    • Fachanwalt für Steuerrecht

    Warum blogge ich hier?
    Ich bin Steuerstrafverteidiger und vertrete in Steuerberaterhaftungsfällen. Zur Zeit unterstütze ich zahlreiche Steuerberater und ihre Mandanten bei der Abwehr von Rückforderungen der Corona-Beihilfen. Hierzu veröffentliche ich regelmäßig auf rückforderungsschutz.de

Kommentare zu diesem Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 7 = 1

ARCHIV

Archive