Es kommt gelegentlich vor, dass ein Arbeitnehmer sein Privatfahrzeug für eine Dienstreise nutzt, obwohl ihm ein Dienstwagen zur Verfügung steht. Meiner Erfahrung nach führt das üblicherweise nicht zu größeren steuerlichen Problemen, das heißt, der Arbeitnehmer darf die Fahrtkosten der Dienstreise als Werbungskosten geltend machen. Zumindest wird das zumeist nicht weiter hinterfragt. Das Niedersächsische FG musste sich nun aber mit einem Fall befassen, in dem der Firmenwagen, der dem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wurde, ausschließlich (!) privat genutzt und für Dienstreisen – ebenfalls ausschließlich – das Privatfahrzeug verwendet wurde. Um es vorwegzunehmen: Das Gericht hat dem Antrag des Klägers entsprochen, aber die Revision zugelassen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23).
Der Sachverhalt:
Dem Kläger, einem Ingenieur, wurde von seinem Arbeitgeber ein Multivan sowohl zur dienstlichen als auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Fahrberechtigt war auch die Ehefrau. Privat nutzte der Kläger einen Audi TT RS. Er machte in seiner Steuererklärung geltend, dass er Dienstreisen jeweils mit dem Audi durchgeführt hat und beantragte den entsprechenden Kostenabzug. Dabei ermittelte er für den Audi Fahrzeugkosten in Höhe von 2,28 Euro pro Kilometer, die dem Werbungskostenabzug zugrunde gelegt werden sollten. Der Multivan hingegen sei als Familienwagen vollständig privat genutzt worden.
Das Finanzamt wollte dies nicht akzeptieren. Der Kläger nutze aus Gründen, die ausschließlich der privaten Lebensführung zuzurechnen seien, das von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Geschäftsfahrzeug in vollem Umfang für private Zwecke. Für seine dienstlichen Fahrten nutze er ebenfalls aus Gründen, die der privaten Lebensführung zuzurechnen seien, sein privates Kfz. Daher seien die Aufwendungen, die durch diese Nutzung entstehen, nicht zusätzlich zu den Aufwendungen, die durch die Überlassung eines Geschäftsfahrzeugs für dienstliche Zwecke durch den Arbeitgeber angefallen sind, als Werbungskosten zu berücksichtigen. Die hiergegen gerichtete Klage war aber erfolgreich und der Abzug der Kosten wurde zugelassen.
Die Begründung:
Die Kosten für Dienstreisen mit dem privaten Pkw sind auch dann abzugsfähig, wenn dem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde. Der Nachweis der tatsächlichen beruflichen Nutzung des privaten Fahrzeugs muss aber erbracht werden. Auch die Höhe der Aufwendungen ist nicht zu beanstanden. Zwar handelt es sich bei dem streitbefangenen Fahrzeug, einem Audi TT RS, um ein Sportfahrzeug der gehobenen Klasse. Gleichwohl übersteigt dieses unter Berücksichtigung des Bruttoarbeitslohns des Klägers nicht den Rahmen des für Arbeitnehmer dieser Gehaltsklasse Üblichen.
Soweit das Finanzamt ein „Störgefühl“ darüber zum Ausdruck bringt, dass das dem Kläger überlassene Geschäftsfahrzeug beim Arbeitgeber steuerwirksam Betriebsausgaben generiere, gleichwohl aber nicht betrieblich eingesetzt werde und zugleich durch die berufliche Nutzung des Privatfahrzeugs Werbungskosten generiert würden, wurzelt dieses „Störgefühl“ indes nicht in dem Werbungskostenabzug der Aufwendungen für das Privatfahrzeug, sondern vielmehr in der Ausgestaltung der so genannten Ein-Prozent-Regelung für Überschusseinkünfte (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG).
Denkanstoß:
Es wurde die Revision zum BFH zugelassen, die auch bereits unter dem Az. VI R 30/24 anhängig ist. Dieser muss, wenn der Kostenabzug der Fahrten mit dem privaten Pkw dem Grunde nach zugelassen wird, entscheiden, ob der Km-Kostensatz von 2,28 Euro noch angemessen ist. Und zwar vor allem unter dem Aspekt, dass das Dienstfahrzeug zu 100 Prozent als Familienfahrzeug von der Ehefrau des Klägers genutzt wurde und nicht für die Dienstreisen. Der Ausgang des Verfahrens darf mit Spannung erwartet werden. Der zugrunde liegende Fall mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, doch ich könnte mir vorstellen, dass er gar nicht so selten ist.
Ein Beitrag von:
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- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
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- Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe
Warum blogge ich hier?
Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.