Die Witwen-/Witwerrente ist mit dem Besteuerungsanteil steuerpflichtig bzw. in Höhe des persönlichen Rentenfreibetrages steuerfrei. Dieser Rentenfreibetrag wird im zweiten Rentenbezugsjahr ermittelt und dann zeitlebens festgeschrieben. Regelmäßige Rentenanpassungen führen nicht zu einer Neuberechnung des Rentenfreibetrages. Bei einer „besonderen“ Rentenanpassung gilt jedoch etwas anderes. Dann ist der steuerfreie Teil der Rente in dem Verhältnis anzupassen, in dem der veränderte Jahresbetrag der Rente zum Jahresbetrag der Rente steht, der der Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente zugrunde liegt (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 6 u. 7 EStG). Zu deutsch: Der Rentenfreibetrag ist neu zu ermitteln.
Bereits vor einiger Zeit hat der BFH entschieden, dass bei einer Änderung der Rente, die nicht auf regelmäßige Anpassungen zurückgeht, der steuerliche Rentenfreibetrag neu zu berechnen ist. Dies gilt insbesondere bei Witwen- oder Witwerrenten, die sich aufgrund der Einkommensanrechnung vermindern oder erhöhen (BFH-Urteil vom 17.11.2015, X R 53/13). Nun wird dem BFH Gelegenheit gegeben, seine damalige Auffassung zu überprüfen. Das Az. des Revisionsverfahrens lautet X R 4/25. Die Vorinstanz, das FG Berlin-Brandenburg, hat im Sinne der bisherigen Rechtsprechungslinie geurteilt und eine Neuberechnung des Rentenfreibetrag für erforderlich erachtet, jedoch die Revision zugelassen (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 K 9179/21).
Der Sachverhalt:
Der Kläger bezog eine Witwerrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV), nachdem seine Ehefrau im Jahr 1999 verstorben war. Der Rentenfreibetrag wurde mit 50 Prozent von 7.811 Euro = 3.906 Euro festgeschrieben. Die DRV stellte viele Jahre später fest, dass sie aufgrund unterbliebener Anrechnung von Einkommen des Klägers eine zu hohe Witwerrente an ihn gezahlt hatte. Sie forderte vom Kläger überzahlte Beträge zurück und berechnete überdies die künftig auszuzahlende Witwerrente neu. Die DRV übermittelte dem Finanzamt für das Jahr 2018 einen Jahresbetrag der Witwerrente von nur noch 5.642 Euro. Darin sei ein so genannter Anpassungsbetrag von 966 Euro enthalten. Das Finanzamt besteuerte die Witwerrente nun wie folgt: 5.642 Euro abzgl. 966 Euro = 4.676; steuerfrei davon sind 50 % = 2.338 Euro. Steuerpflichtig sind nun 3.304 Euro. Hiergegen wandte sich der Kläger. Seines Erachtens sei der steuerfreie Teil der Witwerrente weiterhin mit 3.906 Euro anzusetzen. Klage und Einspruch blieben aber ohne Erfolg.
Die Begründung in aller Kürze:
Im Falle der Veränderung des Jahresbetrags einer Witwer- oder Witwenrente aufgrund von Einkommensanrechnungen hat eine Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente zu erfolgen. Hierfür spricht insbesondere, dass der Gesetzgeber die Einkommensanrechnung ausdrücklich als Grund für eine Neuberechnung des steuerfreien Teils einer Rente angeführt hat (BT-Drucks. 15/3004 vom 29.4.2004). Dies ist sachgerecht, weil andernfalls etwa ein vorübergehend fehlendes anzurechnendes Einkommen des Rentenempfängers zu Beginn der Rentenzahlung zu einem dauerhaft (zu) hohen Steuerfreibetrag führen würde, während ein sehr hohes anzurechnendes Einkommen des Rentenempfängers zu Beginn der Rentenzahlung gegebenenfalls zu gar keinem steuerfreien Rentenbezug führen würde.
Denkanstoß:
Das Besprechungsurteil liegt auf einer Linie mit zahlreichen weiteren Urteilen der Finanzgerichte (FG Köln, Urteil vom 23.10.2013, 4 K 2322; FG Köln, Urteil vom 7.4.2017, 8 K 1489/15; FG Düsseldorf, Urteil vom 22.6.2016, 15 K 1989/13 E; 10; FG München, Urteil vom 2.10.2018, 2 K 494/17; FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.12.2017, 5 K 126/16). Auch die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass Veränderungen des Jahresbetrags einer Witwen-/Witwerrente aufgrund von Einkommensanrechnungen stets zu einer Neuberechnung des Steuerfreibetrages führen (BMF-Schreiben vom 19.8.2013, BStBl 2013 I S. 1087, Tz. 232). Wie dargestellt wurde im Besprechungsfall aber die Revision zugelassen, die auch eingelegt worden ist. Betroffene sollten ihre Verfahren in ähnlich gelagerten Fällen daher offen halten.
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- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
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- Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe
Warum blogge ich hier?
Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.