Formycon unter der Bilanzlupe: Ostereiersuche im Geschäftsbericht

Formycon, ein SDAX-Unternehmen, das auf die Entwicklung von Biosimilars spezialisiert ist, steht vor finanziellen Herausforderungen. Der vorzeitige Abbruch der Phase-III-Studie für FYB206 bringt zwar erhebliche Kosteneinsparungen, doch gleichzeitig erwartet das Unternehmen massive Wertminderungen bei den Projekten FYB202 und FYB201. Besonders problematisch: In den USA steigen die Preisnachlässe, was das Finanzergebnis 2024 belasten könnte. Der frisch veröffentlichte Geschäftsbericht zeigt, mit welchen Risiken das Geschäftsmodell umgehen muss.

Ein Blick in die Zahlen – hohe Kosten, hohe Abschreibungen

Die Branche ist riskant – das machen die aktuellen Zahlen von Formycon deutlich. Die Verluste sind hoch, was sich auch am derzeit schwachen Aktienkurs zeigt. Zwar sind die meisten Schulden langfristig, doch Formycon verbrennt derzeit viel Geld. Noch reicht das Eigenkapital aus, um die Verluste abzufangen. Doch die Frage bleibt: Wie wirken sich die Preisnachlässe auf andere Produkte aus? Forschung allein garantiert noch keinen Erfolg.

Ein Blick in die GuV zeigt das Problem: Hohe Forschungs- und Entwicklungskosten, hohe Abschreibungen und hohe Verwaltungskosten belasten das Ergebnis. Während Abschreibungen „nur“ die Bilanz treffen, belasten die anderen Posten direkt die Liquidität. Der Aufstieg in den SDAX war ein großer Schritt – doch Formycon muss nun beweisen, dass die Forschung auch langfristig Rendite bringt.

Abschreibungen auf Goodwill – ein Suchspiel im Geschäftsbericht

Ein besonders brisantes Thema sind die Abschreibungen auf den Goodwill. Im Lagebericht auf Seite 84 heißt es:

„Gleichzeitig wurden im Rahmen der Neubewertung von FYB202 der aus der Akquisition hervorgegangene Goodwill in Höhe von 44.534 T€ vollständig und der angesetzte immaterielle Vermögenswert um 84.719 T€ außerplanmäßig abgeschrieben…“

Wer hier mehr wissen will, wird im Bericht auf Anhang Nr. 18 verwiesen. Doch dort? Keine Spur der gewünschten Informationen. Erst auf Seite 182 finden sich unter Ziffer 27 detaillierte Angaben zu den Wertminderungen. Die Suche nach den relevanten Informationen gleicht damit einer Ostereiersuche im hohen Gras.

Ein weiteres Beispiel? Laut Geschäftsbericht sollten in Anhang Nr. 19 Informationen zur Bioeq AG stehen – tatsächlich finden sich dort jedoch Angaben zu den Forschungs- und Entwicklungskosten. Solche Unstimmigkeiten lassen vermuten, dass bei der Erstellung des Berichts Zeitdruck herrschte.

Und mein Senf dazu

Wenn ein Unternehmen Verluste macht und einen negativen operativen Cashflow aufweist, schauen Anleger besonders genau hin. Eine fehlerhafte oder unübersichtliche Berichterstattung trägt nicht gerade zum Vertrauen bei. Vielleicht gibt es bei der Hauptversammlung ein Versprechen auf Besserung – das wäre ratsam.

Übrigens: Auch in Geschäftsberichten von DAX-Konzernen lassen sich solche Ungereimtheiten finden. Ein kritischer Blick in die Bilanz kann also nie schaden. Kürzlich hatte ich in einem Interview auch über VARTA gesprochen. Auch dort müssen Anleger die Informationen wie Ostereier suchen.

Dass eine hohe F&E-Intensität – gemessen an den F&E-Kosten im Verhältnis zu den Umsatzerlösen – sich langfristig nicht unbedingt in den Gewinnen zeigt, ist eine Erkenntnis aus meiner Dissertation. So wurde ich vor knapp zehn Jahren auf Morphosys aufmerksam.

Sie haben Recht. Ich bin keine Expertin für Biotechnologie-Unternehmen, sondern kenne mich mit dem Lesen von Bilanzen aus. Inwieweit die beiden Unternehmen verglichen werden können, kann ich nicht beurteilen. Aber aus Sicht meiner Bilanzbrille kann ich sagen: Ein genauer Blick in die Bilanzen und kritisches Hinterfragen kann nicht schaden.

Sie möchten noch tiefer einsteigen in den Geschäftsbericht von Formycon? Die Beteiligung an der Bioeq AG ist sicherlich auch spannend. Viel Spaß bei der Ostereiersuche. Denn in Anhang Nr. 19 finden sich ein paar Informationen zuden Forschungs- und Entwicklungskosten und nicht – wie in der Bilanz angegeben – nicht die gewünschten Informationen zur Bioeq AG.

Weitere Informationen:

 

Ein Beitrag von:

  • Dr. Carola Rinker

    • Diplom-Volkswirtin und Unternehmensberaterin
    • Erstellung von (Gerichts-)Gutachten, Stellungnahmen und Analysen zu Bilanzierungssachverhalten
    • Fachbuchautorin
    • Anhörung als Sachverständige im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wirecard Skandal des Deutschen Bundestages und im Finanzausschuss zum FISG
    • Mehr unter carolarinker.de

    Warum blogge ich hier?
    Aus Interesse an den Themen. Aus Spaß. Aus Netzwerk-Gründen. Als Ergänzung zu meiner Arbeit als Unternehmensberaterin und meinen Lehrveranstaltungen ist das Bloggen wunderbar geeignet. Ein Blog bietet die Möglichkeit, sich in einzelne Themen zu vertiefen – und sich anschließend mit Lesern darüber auszutauschen. Da jedes Jahr neue Jahresabschlüsse von Unternehmen vorgelegt werden und sich die Regeln der Bilanzierung ständig ändern, wird mir der Stoff nie ausgehen.

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