HelloFresh: Wachstum ohne Gewinn – ein tragfähiges Geschäftsmodell?

Trotz eines leichten Umsatzanstiegs rutscht HelloFresh operativ in die Verlustzone. Steigende Kosten für Beschaffung, Fulfillment und Wertminderungen belasten das Ergebnis spürbar. Doch ein Blick in die Kapitalflussrechnung zeigt: Das Unternehmen hat trotzdem kein Geld verbrannt.

Ein Blick in den aktuellen Geschäftsbericht

Der Umsatz stieg im vergangenen Geschäftsjahr leicht um knapp ein Prozent auf 7,7 Milliarden Euro. Dennoch ist das Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit – anders als im Vorjahr – negativ. Ein Blick auf die prozentuale Veränderung der Kosten zeigt: Sie sind überproportional gestiegen. Die „Beschaffungs- und Kochkosten“ stiegen um knapp 8 %, die Fulfillment-Kosten um knapp 4 %. Was es mit diesen Kosten auf sich hat? Hier die Erklärung des Konzerns:

„Die Beschaffungs- und Kochkosten umfassen den Kaufpreis von Waren, eingehende Versandkosten, Leistungen an Arbeitnehmer, die Kochkosten für Fertiggerichte und andere zurechenbare Gemeinkosten. Versandkosten für den Erhalt von Produkten von Lieferanten sind in den Vorräten enthalten und werden Umsatzkosten beim Verkauf von Produkten an Kunden erfasst.“

„Fulfillment-Kosten umfassen für das Einpacken der Zutaten in Boxen, Verpackungsmaterialien, Versandkosten für die Bestellungen, Gebühren an Zahlungsdienstleister sowie Produktkosten für unsere Küchenteams und Rezeptkarten. Fulfillment-Kosten beinhalten auch Zahlungen an Dritte, die Vertriebsdienstleistungen für uns erbringen.“

Berücksichtigt man neben den Kosten für Beschaffung, Kochen und Fulfillment auch die Kosten für Marketing und Verwaltung, ergibt sich für 2024 ein negatives operatives Ergebnis von 177 Mio. €.

Auch Kunden, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, belasten das Ergebnis von HelloFresh. Kein Wunder, dass sich HelloFresh auf profitablere Kunden konzentrieren will. In den letzten beiden Geschäftsjahren wurden dafür jeweils knapp 50 Mio. € als Aufwand verbucht.

Ein Blick in die Kapitalflussrechnung zeigt: HelloFresh hat im vergangenen Geschäftsjahr trotz Verlust kein Geld verbrannt. Belastet wurde das Ergebnis vor allem durch Abschreibungen und Wertminderungen in Höhe von 448 Mio. €: Diese haben sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Warum sind die Abschreibungen so stark gestiegen? Dazu finden Sie im Anhang auf Seite 87 folgende Informationen:

„Die im Geschäftsjahr zum 31. Dezember 2024 erfasste Wertminderung belief sich auf EUR 180,9 Mio. [2023: EUR 8,8 Mio.) und bezieht sich auf die Wertminderung von Produktionsanlagen aufgrund von Umstrukturierungsinitiativen in den USA (im Segment Nordamerika mit EUR 169,3 Mio., 2023: EUR 4,5 Mio.), Australien und dem Vereinigten Königreich (im Segment International mit EUR 11,6 Mio., 2023: EUR 4,3 Mio).“

Und mein Senf dazu

Ich muss zugeben: HelloFresh hat ein Geschäftsmodell, dem ich selbst sehr kritisch gegenüberstehe. Ich habe vor vielen Jahren mal eine Kochbox bestellt. Ich wollte einfach mal wissen, wie das funktioniert. Ich musste mich damals aktiv gegen ein Abo wehren, denn ehrlich gesagt war mir das zu viel Müll. Außerdem kaufe ich, wenn möglich, lieber regionale Produkte.

Apropos Müll: Wie sieht es eigentlich mit der Nachhaltigkeit von HelloFresh aus? Leider sind die Aktivitäten nicht taxonomiefähig. Was bedeutet das? Die EU hat für die Geschäftstätigkeit von HelloFresh keine Kriterien definiert, um eine Aussage darüber treffen zu können. Und wieder kommen mir Zweifel. Diesmal an der EU-Taxonomie. Lokale Produkte, recycelte Verpackungen – da müsste es doch möglich sein, Kriterien festzulegen. Vielleicht ist es nicht so einfach, wie ich mir das vorstelle. Aber es zeigt mir: Ich muss mich noch intensiver mit der EU-Taxonomie beschäftigen. Aber das ist eine andere Baustelle. Zurück zu HelloFresh.

HelloFresh ist sicher nicht das einzige Unternehmen, das mit steigenden Kosten kämpft. Aber bei diesem Geschäftsmodell stellt sich die Frage: Kann man damit nachhaltig Gewinne erwirtschaften? Fertiggerichte und Kochboxen können sicherlich den Alltag gerade von Familien mit Kindern erleichtern. Doch wenn die Preise zu stark steigen, wird sich auch diese Zielgruppe nach Alternativen umsehen. Und für alle, denen das Thema Verpackungsmüll mehr am Herzen liegt, wird es eher bedeuten: Lebensmittel vor Ort selbst einkaufen und kochen oder gleich Essen bestellen Mein Fazit? An der einen oder anderen Stelle merkt man, dass HelloFresh versucht die Situation positiv darzustellen und den Gewinn zu pushen. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen und die Zahlen kritisch zu hinterfragen.

Weitere Informationen:
Hello Fresh erwartet sinkende Umsätze und ändert Strategie (lebensmittelpraxis.de)

 

Ein Beitrag von:

  • Dr. Carola Rinker

    • Diplom-Volkswirtin und Unternehmensberaterin
    • Erstellung von (Gerichts-)Gutachten, Stellungnahmen und Analysen zu Bilanzierungssachverhalten
    • Fachbuchautorin
    • Anhörung als Sachverständige im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wirecard Skandal des Deutschen Bundestages und im Finanzausschuss zum FISG
    • Mehr unter carolarinker.de

    Warum blogge ich hier?
    Aus Interesse an den Themen. Aus Spaß. Aus Netzwerk-Gründen. Als Ergänzung zu meiner Arbeit als Unternehmensberaterin und meinen Lehrveranstaltungen ist das Bloggen wunderbar geeignet. Ein Blog bietet die Möglichkeit, sich in einzelne Themen zu vertiefen – und sich anschließend mit Lesern darüber auszutauschen. Da jedes Jahr neue Jahresabschlüsse von Unternehmen vorgelegt werden und sich die Regeln der Bilanzierung ständig ändern, wird mir der Stoff nie ausgehen.

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