Leider kann manch Arbeitnehmer der Versuchung nicht widerstehen, bei der Auftragsvergabe für „seinen“ Arbeitgeber Schmiergelder zu kassieren. Gut so, wenn derartige Betrügereien aufgedeckt und strafrechtlich geahndet werden. Und gut auch, wenn nicht nur eine Strafe verhängt, sondern auch der Vermögensvorteil „abgeschöpft“ wird. Doch was geschieht diesbezüglich eigentlich in steuerlicher Hinsicht? Der BFH hat nun entschieden: Schmiergeldzahlungen sind grundsätzlich umsatzsteuerbar und -steuerpflichtig. Strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder führen aber umsatzsteuerrechtlich dazu, dass die Bemessungsgrundlage der in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätze auf den um die eingezogenen Bestechungsgelder geminderten Betrag zu reduzieren ist (BFH-Urteil vom 25.9.2024, XI R 6/23).
Der Sachverhalt:
Der Kläger, ein angestellter Projektleiter, war bei einem Unternehmen der Immobilienwirtschaft tätig und betreute größere Instandsetzungsmaßnahmen. Er hatte Einfluss auf die Vergabe von Bauaufträgen. Wie die Staatsanwaltschaft herausfand, erhielt er regelmäßig von den beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau. Dies geschah nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers. Dafür wurde er vom Landgericht wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich wurden die Bestechungsgelder auf gerichtliche Anordnung nach §§ 73 ff. StGB eingezogen. Das Finanzamt behandelte die Schmiergeldzahlungen bzw. die Zuwendungen durch die beauftragten Unternehmen als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Die vom Kläger geleisteten Zahlungen an die Landesjustizkasse hinsichtlich der eingezogenen Bestechungsgelder minderten aber nach Ansicht des Finanzamt nicht die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Dem ist der BFH entgegengetreten. Zwar sind die Bestechungsgelder umsatzsteuerrelevant. Jedoch mindern die eingezogenen Beträge die steuerliche Bemessungsgrundlage.
Die Begründung in aller Kürze:
Illegale Tätigkeiten sind unter bestimmten Umständen nicht steuerbar (vgl. EuGH-Urteil vom 05.07.1988, C-289/86). Dies gilt zum Beispiel für die verbotene Lieferung von Erzeugnissen wie Betäubungsmitteln, die insoweit besondere Merkmale aufweisen, als sie grundsätzlich schon nach ihrem Wesen in allen Mitgliedstaaten einem vollständigen Verkehrsverbot unterliegen. Die Einstufung eines Verhaltens als strafbar führt aber nicht ohne Weiteres dazu, dass der fragliche Vorgang nicht steuerbar ist; vielmehr ist dies nur in spezifischen Situationen der Fall, in denen wegen der besonderen Eigenschaften bestimmter Waren oder bestimmter Dienstleistungen jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen ist.
Die Gewährung von Vorteilen gegen Bestechungsgelder unterliegt danach der Umsatzsteuer, sofern nicht ausnahmsweise ein vollständiges Verkehrsverbot der zugrundeliegenden „Geschäfte“ im Sinne der EuGH-Rechtsprechung vorliegt. Bestechungsgelder stellen mithin grundsätzlich Entgelte für steuerpflichtige Leistungen dar.
Der Umsatz wird nach dem Entgelt bemessen. In die Steuerbemessungsgrundlage gehören zwar auch Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst einzubeziehen sind (Art. 78 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL). Eine Verminderung der Bemessungsgrundlage ist gleichwohl unionsrechtlich und verfassungsrechtlich geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) verletzt wäre.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf der Täter durch eine Vermögensabschöpfung und Besteuerung nicht doppelt belastet werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 23.01.1990, 1 BvL 4-7/87; vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 14.05.2014, X R 23/12, BStBl II 2014, 684, Rz. 73).
Eine Doppelbesteuerung verstieße ebenso gegen Unionsrecht. Das heißt, der Grundsatz der Steuerneutralität, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt, steht einer Doppelbesteuerung der unternehmerischen Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen entgegen.
Soweit Abschöpfungsbeträge an die Staatskasse gezahlt wurden, mindern die eingezogenen Beträge folglich die Steuerbemessungsgrundlage für die Dienstleistungen (§ 10 Abs. 1 UStG). Der geschuldete Steuerbetrag ist in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen. Dabei spielt es keine Rolle, dass der strafrechtlich eingezogene Betrag in der Staatskasse verbleibt und nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird. Auch eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit im Umsatzsteuerrecht ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist, bedarf es nicht.
Praxishinweise:
Eine Ausnahme von der Steuerbarkeit ist dann gegeben, wenn es sozusagen gar keinen Markt für entsprechende Handlungen/Leistungen gibt. So hat der BGH in Bezug auf so genannte Abdeckrechnungen entschieden: Der Handel mit Abdeckrechnungen ist nicht steuerbar, weil jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen ist. Dies gilt auch für etwa damit zusammenhängende Nebenleistungen. Ein legaler Verwendungszweck für Abdeckrechnungen erscheint nicht vorstellbar (BGH-Beschluss vom 12.01.2022, 1 StR 436/21; das Hessische FG vertritt dazu mit Urteil vom 07.10.2024, 6 K 443/22, aber eine offenbar andere Auffassung).
Bislang war höchstrichterlich nicht abschließend geklärt, ob die strafrechtliche Vermögensabschöpfung bei der Festsetzung der Umsatzsteuer zu berücksichtigen ist. Auch war höchstrichterlich nicht abschließend geklärt, ob bei einer strafrechtlichen Vermögensabschöpfung eine (analoge) Anwendung des Korrekturmechanismus nach § 17 Abs. 1 UStG für den Fall einer nachträglichen Entgeltminderung in Betracht kommt. Der BFH hat diese Fragen nun zugunsten der betroffenen Steuerpflichtigen entschieden.
Die Sache wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen. Diese muss nun klären, ob die vom Kläger für das Streitjahr (2015) geltend gemachte Zahlung tatsächlich, wie von ihm behauptet, auf Beträge im Sinne des § 73 StGB erfolgt ist, die die Bemessungsgrundlage bereits im Streitjahr mindern könnten
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- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
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- Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe
Warum blogge ich hier?
Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.