Der Eigentumsverlust aufgrund einer Zwangsversteigerung ist als Veräußerungsvorgang i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu werten – so lautet ein aktuelles Urteil des BFH (BFH-Urteil vom 12.11.2024, IX R 6/24). Sofern also im Rahmen der Zwangsversteigerung einer Immobilie ein „Gewinn erzielt“ wird, unterliegt dieser der Einkommensteuer – vorausgesetzt natürlich, die Zehn-Jahres-Frist ist noch nicht überschritten und es handelt sich nicht um die Versteigerung des Eigenheims.
Der Sachverhalt:
Über das Vermögen des Eigentümers einer vermieteten Eigentumswohnung wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Aufgrund von Steuerrückständen beantragte das Finanzamt die Zwangsversteigerung der Immobilie. Zwischen Erwerb und Versteigerung der Wohnung lagen lediglich acht Jahre. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der „Veräußerungsgewinn“ trotz Versteigerung der Einkommensteuer unterliegt (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Der BFH hat dies bestätigt.
Die Begründung in aller Kürze:
Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken sind grundsätzlich steuerpflichtig, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Unter Anschaffung bzw. Veräußerung im Sinne des § 23 EStG sind der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person zu verstehen. Darunter fallen nicht nur Kaufverträge, sondern auch wirtschaftlich gleichzustellende Vorgänge, da nach Sinn und Zweck des § 23 EStG realisierte Wertveränderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden sollen. Der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung müssen zwar wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen und mithin Ausdruck einer wirtschaftlichen Betätigung sein. Daran fehlt es, wenn – wie im Fall einer Enteignung oder Umlegung – die Begründung oder der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet. Von der Enteignung oder Umlegung sind jedoch die Fälle einer Veräußerung unter Zwang zu unterscheiden, weil es für die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäfts nicht darauf ankommt, aus welchem Beweggrund die Veräußerung erfolgt.
Die Abgabe des Meistgebots entspricht in ihrer Wirkung wirtschaftlich dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrags über ein Grundstück. Die Übertragung eines Grundstücks in der Folge einer Zwangsversteigerung lässt eine willentliche wirtschaftliche Betätigung des Steuerpflichtigen nicht entfallen und ist nicht mit dem Eigentumsverlust in der Folge einer Enteignung vergleichbar. Dafür spricht, dass der Grundstückseigentümer und Vollstreckungsschuldner – anders als im Fall der Enteignung – den Eigentumsverlust durch Befriedigung des die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers abwenden kann. Ob er dazu wirtschaftlich in der Lage ist, spielt keine Rolle. Für die Berechnung der Veräußerungsfrist und für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns oder -verlusts ist auf das obligatorische Anschaffungsgeschäft und auf die Abgabe des Meistgebots abzustellen. Maßgebend ist nicht der dingliche Vollzug.
Denkanstoß:
Im Jahre 2019 hat der BFH entschieden, dass der Eigentumsverlust durch Enteignung eines Grundstücks gegen den Willen des Eigentümers keine Veräußerung und somit kein privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG darstellt. Folglich ist eine Entschädigung für die Enteignung auch innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums nicht steuerpflichtig (BFH-Urteil vom 23.7.2019, IX R 28/18). Die Fälle „Enteignung und „Zwangsversteigerung“ sind also voreinander zu unterscheiden.
Übrigens ist das Urteil für den einen oder anderen vielleicht auch von Interesse, weil es neben der Problematik des § 23 EStG auch um die Frage ging, ob die aus der Zwangsversteigerung eines Grundstücks resultierende Steuer eine Masse- oder eine Insolvenzverbindlichkeit ist. Der BFH hat sich – anders als die Vorinstanz – für die Einordnung als Masseverbindlichkeit entschieden.
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- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
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Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.
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