Jamaika-Koalition setzt Steuerentlastungen auf die Tagesordnung
Schon am ersten Abend ihrer Sondierungsgespräche haben CDU, CSU, FDP und Grüne ein vielversprechendes Ergebnis zum Themenblock Finanzen, Haushalt, Steuern vorgelegt.
An der schwarzen Null, dem Vermächtnis von Wolfgang Schäuble, soll demnach nicht gerüttelt werden. Jamaika plant weiter mit einem Haushalt ohne Schulden. Weiteres Highlight ist die klare Absage an die Einführung von Substanzsteuern. Damit ist offensichtlich die im Wahlprogramm der Grünen geforderte Vermögensteuer als Seifenblase zerplatzt.
Erfreulich ist vor allem, dass sich das Papier auf die Auflistung von steuerlichen Entlastungsmaßnahmen konzentriert. Jamaika hat somit offenbar die Grundsatzentscheidung getroffen, die Bürger steuerlich zu entlasten. Damit würde man sich deutlich von der großen Koalition abgrenzen, die Haushaltsspielräume zumeist für Mehrausgaben genutzt hat.
Einkommensteuer im Fokus
An erster Stelle führt das Sondierungspapier Entlastungen für Familien mit Kindern sowie für untere und mittlere Einkommensschichten auf. Nimmt man die Parteiprogramme zum Maßstab, dürfte sich eine Tarifentlastung in der Einkommensteuer im Bereich bis zu 60.000 zu versteuerndem Einkommen abspielen. Spannend wird es bei der Familienförderung. Denkbar wäre, dass die Grünen in den Detailverhandlungen auf Abstriche beim Ehegattensplitting drängen, um andere Familienmodelle stärker fördern zu können.
Ernst ist es den angehenden Koalitionären offenbar mit dem Abbau des Solidaritätszuschlags. Ab wann und in welchem Umfang dies geschieht, muss aber noch ausverhandelt werden.
Darüber hinaus sind wohnungs- und klimapolitisch motivierte steuerliche Fördermaßnahmen vorgesehen. Dabei geht es um die energetische Gebäudesanierung sowie für den Mietwohnungsneubau einschließlich der Umwandlung landwirtschaftlicher Flächen an. Zu den beiden erstgenannten Punkten gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Anläufe, die aber politisch bisher nicht durchsetzbar waren. Jamaika kann sich daher auf ausformulierte Entwürfe in den Schubladen des Finanzministeriums stützen.
Endlich Zinsanpassung im Steuerrecht?
Seit Jahren sinkt und sinkt das Zinsniveau, doch im Steuerrecht wird weiterhin mit 5,5% (zur Diskontierung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen) bzw. 6% (zur Diskontierung von Pensionsrückstellungen, bei der Verzinsung von Steuererstattungen/-nachzahlungen) gerechnet, was zu teilweise dramatischen Verzerrungen insbesondere der Steuerbilanz führt, stille Lasten legt und Scheingewinne der Besteuerung unterwirft. Für 2018 könnte endlich im Steuerrecht die Marktrealität Einzug halten.
Vielleicht helfen auch die sprudelnden Steuerquellen die Angststarre vor dem Schreckgespenst „Mindereinnahmen“ zu überwinden. Immerhin hat das FG Köln (Beschluss vom 12.10.2017, 10 K 977/17) das Thema jetzt dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt und auch im BMF soll dem Vernehmen nach ein Umdenken einsetzen. Vielleicht haben ja auch die Koalitionäre ein Einsehen und hieven die Zinssenkung per Koalitionsvertrag auf die Agenda. Überfällig wäre es.
Die steuerliche FuE-Förderung kommt
Für Unternehmen relevant ist die Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung. Während in den Parteiprogrammen zumeist von einer Steuergutschrift auf den FuE-Aufwand die Rede ist, soll das BMF die Variante eines erhöhten Betriebsausgabenabzuges bevorzugen.
Große Breitenwirkung könnten die nicht näher definierten Verbesserungen bei der degressiven AfA haben, die in den Sondierungen vereinbart wurde. Allgemein wollen die angehenden Koalitionäre Subventionen abbauen, wobei besonders deren Auswirkungen auf die klimapolitischen Ziele betrachtet werden sollen.
Umdenken bei der Abgeltungsteuer?
Überraschenderweise finden sich in dem Papier keine Aussagen zur immer wieder geforderten Abschaffung der Abgeltungsteuer. Ob man das Thema als unstrittig und damit für die Sondierung nicht relevant erachtet hat oder ob dies auf ein Umdenken in den Parteien hindeutet, ist unbekannt. Ähnliches gilt für die Grunderwerbsteuer, die ebenfalls nicht erwähnt wird, obwohl seit Jahren eine Verschärfung bei der Besteuerung von Share Deals sowie die Einführung eines Freibetrags für natürliche Personen diskutiert werden. Zuletzt hatten die Länder bei der Grunderwerbsteuer etwas Druck rausgenommen und den Abschlussbericht ihrer Arbeitsgruppe vom Herbst 2017 auf das Frühjahr 2018 verschoben. Gleichwohl könnten wichtige Grundsatzentscheidungen zu Abgeltungsteuer wie Grunderwerbsteuer noch in den finalen Koalitionsvertrag aufgenommen werden.
30 Mrd. oder mehr?
Über ein genaues Entlastungsvolumen des Gesamtpakets und dessen einzelner Bestandteile haben sich die Parteien noch nicht verständigt. Dies soll zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam erarbeitet werden. Das BMF hatte den finanzpolitischen Spielraum in einem vorab veröffentlichten Papier auf 30 Mrd. Euro für die gesamte Legislaturperiode taxiert. Die Zahl gilt aber als sehr konservativ geschätzt. Tatsächlich dürfte der prall gefüllte Steuersäckel einige Milliarden mehr enthalten. Der historisch einmalige Verteilungsspielraum, mit dem Jamaika starten könnte, kann als klares Indiz angesehen werden, dass die Koalition am Ende auch zustande kommt, da ernsthafte Verteilungskämpfe so vermieden werden können.
Bis Anfang November wollen die Parteien zu insgesamt 12 Themenblöcken sondieren. Anschließend müssen die Parteigremien die Aufnahme umfassender Koalitionsverhandlungen absegnen. Ein ausverhandelter Koalitionsvertrag ist nicht vor Dezember zu erwarten.
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