Kosten für einen Zivilprozess werden gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nur berücksichtigt, wenn der Steuerpflichtige ohne diesen Prozess bzw. ohne die entsprechenden Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Der BFH musste sich in einer aktuellen Entscheidung zwar nicht mit der ab 2013 geltenden Rechtslage befassen, sein Urteil vom 17. Dezember 2015 (VI R 7/14) ist aber auf jüngere Fälle wohl analog anwendbar. Danach gilt:
- Kosten eines Zivilprozesses, mit dem der Steuerpflichtige Schmerzensgeld wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers geltend macht, sind keine außergewöhnlichen Belastungen.
- Es sollen nur zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf steuermindernd berücksichtigt werden.
- Zivilprozesskosten sind nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung auslösende Ereignis zwangsläufig war.
Bemerkenswert sind die folgende Sätze aus der Urteilsbegründung: „Ansprüche wegen immaterieller Schäden betreffen aber nicht den existenziellen Bereich i.S. des § 33 EStG, auch wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet sind …. Sie mögen zwar von erheblicher wirtschaftlicher, nicht aber von existenzieller Bedeutung sein.“
Letztlich sind also nur Kosten für Zivilprozesse abziehbar, soweit es um reine Vermögensschäden geht. Und es muss ein (wohl unmittelbar) auslösendes Ereignis vorliegen, das eben diesen Vermögensschaden und die Notwendigkeit der Prozessführung herbeiführt.
Meines Erachtens macht es sich der BFH jedoch zu leicht, wenn er den Begriff der Existenzgrundlage lediglich materiell betrachtet und einen unmittelbaren Zusammenhang verlangt. Auch „immaterielle Schäden“ können letztlich existenzbedrohend sein. Man denke beispielsweise an einen Prozess, in dem es um die Folgen von Stalking geht. Steuerpflichtige müssen mitunter ihren Wohnsitz und ihre Arbeitsstelle wechseln, um einem (vermeintlichen) Stalker (und damit einhergehenden langfristigen psychischen Folgen) zu entgehen. Können diese Steuerpflichtigen, die zum Beispiel die Umzugskosten von dem (vermeintlichen) Stalker erstattet verlangen, die entsprechenden Prozesskosten geltend machen? Die Finanzverwaltung wird den Abzug als außergewöhnliche Belastung mit hoher Wahrscheinlichkeit ablehnen und dabei auf das aktuelle BFH-Urteil verweisen. Es wäre meines Erachtens daher wünschenswert gewesen, wenn sich der BFH differenzierter mit der Frage der „Existenzgrundlage“ auseinandergesetzt hätte.
Weitere Infos:
BFH v. 17.12.2015 – VI R 7/14