Fooled by the numbers – Irrungen und Wirrungen um Pensionsrückstellungen

Bei der eigentlich entspannenden Lektüre der Sonntagsausgabe einer großen Tageszeitung mit Wirtschaftskompetenz konnte ich lesen, durch zinsbedingte Erhöhungen von Pensionsrückstellungen „bleibt weniger Geld für Investitionen in der Kasse“. Solches und Ähnliches hört und liest man zwar immer wieder, aber stimmt das auch?

Pensionsrückstellungen sind das Produkt einer periodenabgrenzenden Rechnungslegung, d.h. Aufwendungen und Erträge werden unabhängig vom Zahlungszeitpunkt den Perioden zugerechnet, denen sie wirtschaftlich zuzuordnen sind. Gewähren Arbeitgeber ihren Mitarbeitern eine leistungsorientierte Pensionszusage, müssen sie für erarbeitete Ansprüche der Arbeitnehmer eine Rückstellung bilden. Nun gibt es verschiedene Verfahren zur Ermittlung der Rückstellung und je nach Rechtskreis zahlreiche Besonderheiten, aber einige zentrale Gemeinsamkeiten lassen sich dennoch festhalten.

Die Höhe der Rückstellung wird – sehr vereinfacht gesagt – als Barwert der künftigen Rentenzahlungen ermittelt, soweit sie vom Mitarbeiter bis zum Stichtag erdient wurden. Der Mitarbeiter erarbeitet sich jede Periode zusätzliche Ansprüche, die in Form zusätzlicher Rückstellungsbeträge als Schuld des Arbeitgebers zu passivieren sind. Der Mitarbeiter tritt mit seiner Arbeit in Vorleistung und erhält einen Teil seines Entgelts in Form von späteren Pensionszahlungen nachgezahlt. Die Zuführung zur Rückstellung erfolgt aufwandswirksam und mindert das Jahresergebnis. Maßgebliche Auswirkung auf die Höhe der Rückstellung hat der Diskontierungszins, denn ein niedrigerer Zins führt zu einem höheren Barwert und damit zu einer höheren Rückstellung. Sinkt der Zins, steigt also der Barwert und damit die zu passivierende Schuld.

Verliert der bilanzierende Arbeitgeber nun hierdurch liquide Mittel, so dass er weniger Geld für Investitionen in der Kasse hat? Einfache Antwort: Nein, das Gegenteil ist der Fall! Die Bildung einer Pensionsrückstellung ist mit keinerlei Auszahlungen verbunden. Im Gegenteil mindert die Zuführung den Jahreserfolg. Damit sinkt der auf Basis des handelsrechtlichen Jahresüberschusses ermittelte ausschüttbare Gewinn. Soweit die Rückstellungsbildung das zu versteuernde Einkommen mindert, sinkt auch die Steuerbelastung. Der zunächst liquiditätsunwirksame Aufwand aus der Rückstellungsbildung kann also Auszahlungen für Gewinnausschüttungen und Steuern mindern und das Unternehmen hat mehr Geld in der Kasse, das für Investitionen verwendet werden kann. Dieser Zusammenhang wird Studierenden wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge im Grundstudium als Innenfinanzierung durch Rückstellungsbildung nahegebracht.

Anderes kann bei der sog. „Ausfinanzierung“ von Rückstellungen gelten, wenn das Unternehmen Zweckvermögen bildet, das ihm entzogen wird. Dieses ist ggf. mit den Pensionsrückstellungen zu verrechnen. Hierdurch sinken die Schulden und steigt die Eigenkapitalquote. Wer dies als Abschlussadressat begrüßt, sollte den Vermögensentzug beim Arbeitgeber sehen, der tatsächlich die Investitionskraft schwächen kann. Wer also pauschal eine hohe Ausfinanzierung von Pensionsrückstellungen fordert, läuft Gefahr „fooled by the numbers“ selbst zu verursachen. Neben diesen Sachverhalten gibt es viele weitere Möglichkeiten, sich im komplexen Feld der Pensionsrückstellungen zu verirren.

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