Erbschaftsteuer: Der nächste Schritt zum „weißen Zeitraum“

Nun ist es offiziell: Der Bundesrat ruft den Vermittlungsausschuss in Sachen „Erbschaftsteuerreform“ an. Man muss sich dabei die Begründung „auf der Zunge zergehen“ lassen. Im Fazit heißt es: „Zusammenfassend zeigt sich, dass sich eine Überprivilegierung nicht nur im Einzelnen aus den oben genannten Punkten ergibt, sondern insbesondere auch aus ihrer kumulativen Wirkung. Verstärkt wird dies noch durch die hier nicht aufgegriffenen Vergünstigungen im Zusammenhang mit der Verschonung von Verwaltungsvermögen wie die neue Investitionsklausel und die Ausnahme für Brauereigaststättengrundstücke u. ä. Der vom Bundesverfassungsgericht beanstandete verfassungswidrige Zustand wird durch das Gesetz damit nicht beseitigt.“

Nach meinem Dafürhalten wird damit die Wahrscheinlichkeit immer größer, dass ein – irgendwann einmal – verabschiedetes neues Erbschaftsteuergesetz keine Rückwirkung entfalten kann, denn in der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2013 (1 BvL 5/08) zum Thema „Rückwirkung“ heißt es unter anderem: „Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen ist gegeben, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten.” Meines Erachtens muss man im Sinne dieser Entscheidung nicht ernsthaft mit einer Änderung der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen rechnen, wenn es die politisch Verantwortlichen innerhalb von eineinhalb Jahren immer noch nicht geschafft haben, ein verfassungsgemäßes Erbschaftsteuergesetz vorzulegen, das zudem eine Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat findet. Damit verdichten sich die Anzeichen, dass für Schenkungen nach dem 30. Juni 2016 bis zur endgültigen Verabschiedung eines neuen Erbschaftsteuergesetzes ein „weißer Zeitraum“ entsteht, in dem überhaupt kein Gesetz und damit keine Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerpflicht besteht.

Weitere Infos: BVerfG vom 17.12.2013 (1 BvL 5/08)

2 Gedanken zu “Erbschaftsteuer: Der nächste Schritt zum „weißen Zeitraum“

  1. Ich sehe das skeptisch. Zwar meine ich auch, dass das alte Recht zum 30. Juni endete. Denn anderenfalls würde sich das BVerfG ja selbst karikieren. Nur sind die Hürden, um eine zulässige echte Rückwirkung des neuen Rechts – wann immer es denn beschlossen wird – m.E. sehr hoch.
    Verneint man die Rückwirkung, sind die Gerichte gefragt. Sie müssen die zeitliche Regelungslücke dann verfassungskonform ausfüllen und einen angemessen Ausgleich zwischen fiskalischen und steuerbürgerlichen Interessen finden. Dann kann es aber nicht sein, dass gar keine Erbschaftsbesteuerung mehr stattfindet, denn das wäre ja überhaupt kein Interessenausgleich. Andererseits kann ich mir vorstellen, dass man die Besteuerung im „weißen Zeitraum“ einfach völlig ohne jede Verschonungsregelung durchführt. Denn genau diese Begünstigungen sind ja verfassungswidrig, sodass im Zweifel ohne Begünstigung zu besteuern ist. Wenn man genau hinsieht, kann man schon die Klagewelle am Horizont erkennen…

  2. Wenn das BVerfG die Lücke dadurch schließt, das die Vergünstigungen ersatzlos wegfallen, spielt es genau denen in die Hände, denen die neuen Vergünstigungen immer noch zu weit gehen. Die gerichtliche Neutralität wird damit verlassen. Das ganze Gesetz für nicht anwendbar erklären, bringt die Politik in Zugzwang, denn jetzt geht es an das Eingemachte.

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