Das habe ich heute Morgen nicht kommen sehen: die Briten verabschiedeten sich tatsächlich. Und nein, nicht aus dem Achtelfinale, sondern aus der Union. Die politische Diskussion sei jetzt den Politikern überlassen. Doch auf welche steuerlichen Folgen muss man sich hierzulande eigentlich einstellen?
Schon vor gut einem Monat konnte man in einem Artikel aus der Steuerberaterschaft zum Brexit lesen:
Steuerpflichtige sollten sich auf die Brexit-Gefahr entsprechend aktiv vorbereiten und nicht nur passiv auf wünschenswerte Übergangsregelungen des deutschen Fiskus hoffen.
Da hat die Glaskugel gut funktioniert. Die Aussage macht in jedem Fall deutlich: das beste Verkaufsinstrument in der Steuerberatung ist … na? Fachqualifikation? Rhetorik? Papperlapapp. Es ist die Angst des Steuerpflichtigen. Angst vor Steuerzahlungen, vor Nebenleistung und – worst case – Strafverfolgung.
Natürlich hat der Brexit im Zeitpunkt der Durchführung tatsächlich steuerliche Konsequenzen. Denn das deutsche Ertragsteuerrecht ist „ausländerfeindlich“, jedenfalls wenn es um steuerliche Drittländer geht. Man stelle sich etwa eine grenzüberschreitende Organschaft mit UK vor. Aber der echte Brexit kommt natürlich alles andere als sofort. Man mag sich kaum vorstellen, was es jetzt alles auszuhandeln gilt. Nicht umsonst ist bei den Verträgen eine Frist von zwei Jahren (!) für die Verhandlungen vorgesehen, die dann auch noch verlängert werden kann. Referenzwerte gibt es erfreulicherweise ja noch keine, da die Briten uns mir ihrer Entscheidung alle Neuland betreten lassen.
Vorstellbar ist, dass Großbritannien zwar aus der EU austritt, aber nur in den EWR umzieht. Dann wären jedenfalls die ertragsteuerlichen Konsequenzen eher gering, da fast alle Sonderregelungen für die EU-Nachbarn gleichsam für die Nur-EWR-Staaten gelten. Möglicherweise wird sogar verhandelt, dass das EU-Recht modifiziert fortgelten soll. Hier wird mitentscheidend sein, wer jetzt für die Briten die Wortführerschaft ergreift – nicht auszuschließen, dass diese Scheidung in einem Rosenkrieg endet.
Schon eher von grundsätzlicher Bedeutung sind die zu erwartenden Folgen bei der Mehrwertsteuer. Denn für Nur-EWR-Mitglieder gilt die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie nicht. Das gesamte UK-Geschäft müsste daher von ig-Lieferung und -Erwerb auf Ausfuhr/Einfuhr umgestellt werden. Das klingt zwar banal, dürfte aber gerade beim EU-Austritt noch deutlich mehr Kosten in den Unternehmen verursachen, als beim Beitritt.
Kurzum: Steuerlich hat die Entscheidung zum Brexit heute keine Auswirkungen. Mittelfristig wird sich Anpassungsbedarf für alle ergeben, die im grenzüberschreitenden UK-Fall die Steuervorteile des EU-Binnenmarkts nutzen. Wie groß dieser Einschnitte sind, ist aber heute noch völlig unvorhersehbar.
Ich sehe es genau so. Möglicherweise werden die steuerlichen Folgen nicht so gravierend sein wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Auf einen interessanten Punkt bin ich Mitte dieser Woche aber auf einem Seminar aufmerksam gemacht worden: Die englische Limited wird mit dem EU-Austritt der Briten als BGB-Gesellschaft gewertet werden, wenn es insoweit nicht noch Sondervereinbarungen gibt. Darauf könnte man ja schon einmal betroffene Mandanten hinweisen.