„Altbau“ Selbstanzeige – dritte Sanierung oder Abriss? (Teil 1/4)

Der „Altbau“ Selbstanzeige wurde in 2011 saniert. Die Sanierung misslang in wesentlichen Teilen. Denn der Gesetzgeber hatte vorrangig Hinterziehungssachverhalte privater Anleger mit Auslandsvermögen im Blick. Ob die Neuregelung beispielsweise für die Unternehmenspraxis sinnvoll und umsetzbar ist, wurde ausgeblendet. Der Verschärfungsfuror brach aus.

Ende 2014 folgten punktuelle Ausbesserungen. Hierzu gehört unter anderem die Wiedereinführung der Teilselbstanzeige für Umsatzsteuervor- und Lohnsteueranmeldungen. Unter dem Strich zeigt sich leider: Wesentliche Mängel wurden nicht beseitigt, gleichzeitig sind weitere hinzugekommen. Daher meine Frage: Dritte Sanierung oder Abriss des Gebäudes?

Beurteilen Sie selbst  – Teil 1 der Mängelliste (Auszug):

  • Mit der Reform 2011 wurde die steuerartspezifische steuerstrafrechtliche Lebensbeichte (auch Spartenbeichte oder Berichtigungsverbund genannt) Gesetz: Die Selbstanzeige muss sämtliche unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart umfassen. Der Begriff „Steuerart“ ist allerdings nicht definiert. Die Gesetzesmaterialien differenzieren zwischen den „Steuerarten“ ESt und USt. Anknüpfungspunkt dürfte damit das jeweilige Steuergesetz sein (zB EStG, UStG, KStG, GewStG). Aber was gilt für die Erhebungsformen einer Steuer: Sind beispielweise LSt oder KapESt gegenüber der ESt jeweils eine „Steuerart“? Verneint man dies, wären sie als Teil des Berichtigungsverbundes Einkommensteuer nachzuerklären. Das Problem besteht auch im Verhältnis gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 180 AO) – Einkommensteuererklärung.
  • Gilt die Spartenbeichte auch bei tateinheitlicher Steuerhinterziehung verschiedener Steuerarten? Beispiel: Ein Steuerpflichtiger reicht in einem Briefumschlag eine unrichtige ESt- und USt-Jahreserklärung ein. Muss er nun die ESt und die USt berichtigen, um Straffreiheit zu erlangen? Bejaht man dies, entstünde hier – trotz Spartenbeichte – eine Verklammerung.
  • Hinterzieht der Täter nicht nur eigene Steuern, sondern wirkt auch an der Steuerstraftat eines anderen mit, stellt sich die Frage, ob er im Rahmen einer Selbstanzeige beide Sachverhalte zu erklären hat. Auch hier: Schweigen des Gesetzgebers.
  • Die Reform 2014 führte einen Mindestberichtigungszeitraum eigener Art ein: Nunmehr müssen Angaben „…mindestens…zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen“ (§ 371 Abs. 1 S. 2 AO). Nach den Gesetzesmaterialien soll es sich um eine „feste fiktive Frist“ handeln. Diese sei von der Strafverfolgungs- bzw. Festsetzungsverjährungsfrist unabhängig. Was heißt das? Ist für die Bestimmung des Zeitraums das Jahr der Selbstanzeige einzubeziehen, ist es auszuschließen oder wird vom Tag der Abgabe der Anzeige zurückgerechnet? Je nach Antwort besteht die Gefahr, dass zeitlich zu wenig erklärt wird – eine unwirksame Teilselbstanzeige droht.

Im nächsten Teil wird die Mängelliste fortgesetzt. Die Reihe schließt mit Hinweisen für die Beratungspraxis und meinem Standpunkt zur Frage: Dritte Sanierung oder Abriss? Die Antwort wird Sie überraschen.

Teil 2/4 des Beitrags finden Sie hier: Link.

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