Bereits seit längerer Zeit klagen HGB-Bilanzierer über sinkende Zinsen und dadurch steigende Pensionsrückstellungen. Manche Verirrung in der Diskussion habe ich schon früher kommentiert. Nun wurde eine Neuregelung in den Regierungsentwurf (RegE)eines Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie aufgenommen.
Da der Rückstellungswert als Barwert der erdienten Pensionsansprüche ermittelt wird, spielt der Diskontierungszins für den zu passivierenden Betrag eine große Rolle: Je niedriger der Zins, desto höher der Barwert und damit die Rückstellung. Bisher sieht das HGB hier die Ermittlung eines laufzeitadäquaten Durchschnittszinses der letzten 7 Jahr vor. Durch die Zinsrückgänge in den letzten Jahren verändert sich der Diskontierungszins kontinuierlich nach unten. Die Durchschnittszinsbetrachtung führt damit zu einer Streckung der Belastung. Etwa nach IFRS ist ohnehin der aktuelle Marktzins heranzuziehen, so dass die Zinsrückgänge dort schon verarbeitet sind. Die HGB-Bilanzierer klagen darüber, dass sie von diesem Effekt nun auch betroffen werden und die Erhöhung der Rückstellungen, wenn auch zeitverzögert, nun auch bei ihnen ankommt. Unter anderem wurde vorgebracht, dass dadurch die finanziellen Mittel für Investitionen fehlen würden. Diese Fehlinformation wurde schon an anderer Stelle widerlegt. Im Gegenteil werden durch die Erhöhung der Rückstellung der ausschüttbare Gewinn verringert und mehr Finanzmittel im Unternehmen gebunden.
Mit der Neuregelung im RegE wird vorgeschlagen, den Durchschnittszins nicht mehr über einen Zeitraum von 7 Jahren, sondern über einen Zeitraum von 10 Jahren zu ermitteln. Auf diesem Weg bleiben 3 frühere Jahre mit höheren Zinsen in der Durchschnittswertermittlung und der Durchschnittszins sinkt hierdurch nicht so stark oder kann einmalig sogar steigen. Die Neuregelung soll wahlweise auch rückwirkend auf noch offene Abschlüsse angewandt werden können.
Wie man hören kann, wird das von der Praxis teils als nicht ausreichend erachtet. So wird etwa auch ein Durchschnittszins über 15 Jahre gefordert. Vor allem an einer weiteren vorgesehenen Regelung stößt sich die Praxis. Die Gesetzesänderung soll eine Ausschüttungssperre für die Differenz zwischen dem Rückstellungsbetrag bei Verwendung des Durchschnittszinses von 7 Jahren und des Durchschnittszinses von 10 Jahren vorsehen.
Was ist von diesem Vorschlag zu halten? Wer zuvor negative Folgen für die Investitionen wegen finanzieller Engpässe der Unternehmen als Argument in den Ring geworfen hat, jetzt aber die Ausschüttungssperre beklagen würde, wäre entlarvt. Ohne Ausschüttungssperre steigt durch einen höheren Zins der ausschüttbare Gewinn und den Unternehmen würden die für Investitionen erforderlichen Finanzmittel über Gewinnausschüttungen entzogen werden können. Daher ist die vorgeschlagene Vorgehensweise zu Bildung einer Ausschüttungssperre schon insoweit konsequent.
Vor allem ist die Ausschüttungssperre notwendig, um den Unternehmen notwendige Haftsubstanz nicht zu entziehen. Die Diskontierung mit einem Durchschnittszins führt in Zeiten stark gefallener Zinsen zu einer gemessen an den Marktverhältnissen starken Unterbewertung der Schulden. Im Ergebnis rechnet sich der Kaufmann reicher als er ist – ein schönes Beispiel für die Mär von der Überlegenheit des deutschen Vorsichtsprinzips. In Höhe der Differenz zwischen dem mit einem aktuellen Marktzins höheren und mit dem Durchschnittszins ermittelten niedrigeren Rückstellungsbetrag fehlt den Unternehmen Eigenkapital. Meint man den nach HGB viel gepriesenen Gläubigerschutz ernst, müsste man in der vollen Höhe eine Ausschüttungssperre vertreten.
Dazu könnte man dann auch gleich noch eine Ausschüttungssperre für zulässig nach Art. 28 EGHB nicht gebildete Rückstellungen hinzunehmen. Hier lässt der Gesetzgeber für sogenannte vor dem 1.1.1987 abgegebene Altzusagen sowie insbesondere für mittelbare Pensionsverpflichtungen den Verzicht auf eine Rückstellung ebenfalls zu. Wenn man schon einmal anfängt über die zutreffende Abbildung der Schulden im HGB-Abschluss nachzudenken, lässt sich hier eine Ausschüttungssperre ebenfalls sehr gut rechtfertigen. Dass das manchen in der Praxis nicht gefallen würde, wundert zwar nicht. Ein wenig Zurückhaltung vor dem Hintergrund der ohnehin zulässigen Falschbilanzierung von Rückstellungen wäre aber vielleicht angebracht.
Man kann dem Gesetzgeber nur zurufen, wenigstens die Reste des deutschen Vorsichtsprinzips hochzuhalten und bezüglich einer Ausschüttungssperre keinen Millimeter zurückzuweichen oder besser, wie beschrieben, noch weiterzugehen.
Eine andere Frage ist die Bewertung der Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz. Hier liegt derzeit durch den nach § 6a EStG vorgegebenen Diskontierungszins von 6 % eine massive Unterzeichnung von Pensionsrückstellungen vor. Im Ergebnis werden dadurch nicht vorhandene Gewinne besteuert. Es wäre sinnvoll eine Anpassung der steuerlichen Regelungen vorzunehmen. Vorstellbar wäre etwa ein Gleichlauf zur handelsrechtlichen Bewertung. Das würde zwar erst einmal Steueraufkommen kosten, wäre aber nicht nur im Hinblick auf das Leistungsfähigkeits- und Nettoprinzip sachgerecht, sondern würde sich auch unter dem Stichwort „Bürokratieabbau“ gut machen, weil die Steuerpflichtigen dadurch nicht mehr zu mehreren teils aufwändigen Bewertungen gezwungen würden. Wer sich über eine solche Regelung freuen würde, sollte aber nicht völlig aus dem Auge verlieren, dass bei irgendwann einmal wieder steigenden Zinsen dann ein steuerverschärfender Effekt eintritt. Klagen gilt dann nicht mehr!
Weitere Informationen:
Fooled by the numbers – Irrungen und Wirrungen um Pensionsrückstellungen